Der Spiegel - 24. August 2019

(WallPaper) #1

DER SPIEGEL Nr. 35 / 24. 8. 2019 125


Nachrufe


Felice Gimondi, 76
Der Sohn eines Lkw-Fahrers und einer Briefträgerin war so
erfolgreich wie kaum ein anderer Radsportler: Weltmeister,
Tour-de-France-Sieger, dreimal Gewinner des Giro d’Italia.
Aber so groß die Erfolge auch waren, der Italiener taugte
nicht für die klassische Heldengeschichte. Denn er stand im
Schatten eines noch Besseren, noch Größeren – eine Situa -
tion, wie sie Jahrzehnte später auch Jan Ullrich erlebte. Der
litt unter der Übermacht von Lance Armstrong, Felice
Gimondis ewiger Kontrahent hieß Eddy Merckx. Die rad-
sportbegeisterten Italiener liebten Gimondi trotzdem, weil
er es nie aufgab, den Belgier zu reizen, zu treiben – und
einige Male bezwang er ihn auch. Gimondi kannte die üblen
Seiten seines Sports. Er selbst wurde beim Dopen erwischt,
während einer seiner Touretappen starb der aufgeputschte
Tom Simpson. Nach seiner Karriere leitete Gimondi ein Ver-
sicherungsunternehmen, kurzzeitig kehrte er als Chef eines
Teams in den Radsport zurück. Felice Gimondi starb am


  1. August an einem Herzinfarkt beim Baden vor Giardini
    Naxos auf Sizilien.ULU


Lars Larsen, 71
Der Möbelverkäufer eröffne-
te 1979 im dänischen Aarhus
sein erstes Bettengeschäft,
da war er 30 Jahre alt. Fünf
Jahre später machte in
Deutschland dann das erste
»Dänische Bettenlager« auf,
und schnell expandierte
Lars Larsen mit seinem Un -
ternehmen in die ganze
Welt. Zur Kette gehören heu-
te 2800 Filialen in 52 Län -
dern. In Dänemark heißt sei-
ne Firma schlicht »Jysk«,
benannt nach seiner Heimat-
region Jütland. Lars Larsen
wuchs als Kind in ärm lichen
Verhältnissen auf: Die Mut-
ter zog ihn und seine drei
älteren Geschwister allein
groß, der Vater war vor Lar-
sens Geburt gestorben. Heu-
te und schon seit vielen Jah-
ren zählte »Forbes« den
»Bettenkönig« zu einem der
reichsten Menschen Däne-
marks; sein Privatvermögen
wurde auf 4,4 Milliarden
Dollar geschätzt. Große
Popularität erlangte Larsen,
indem er in TV-Spots für
sein Unternehmen auftrat.
Anlässlich dessen 25-jähri-
gen Jubiläums verteilte Lar-
sen seine Autobiografie
»Guten Tag, ich heiße Lars
Larsen – ich habe ein gutes
Angebot« ungefragt und
kostenlos an alle Haushalte
in Dänemark. Mit der Wer-
beaktion brach Larsen einen
Rekord: Nie zuvor war das
Buch eines dänischen Autors
in so hoher Erstauflage er -
schienen. 2009 wurde Lar-
sen von der dänischen Köni-
gin zum Ritter ernannt. Lars
Larsen starb am 19. August
in Silkeborg, in der Nähe
von Aarhus, an Krebs.RED

Manfred Kage, 83
Die Faszination für das
Kleine und Kleinste beweg-
te ihn ein Leben lang. Als
Achtjähriger schaute er zum
ersten Mal durch ein Mikro-
skop, und dieser Anblick
war »eine Erleuchtung«, sag -
te er, denn ihm wurde klar,
dass »die Dinge nicht so
sind, wie sie erscheinen«, es
öffnete sich eine »Tür zu
einer geheimnisvollen
Welt«. Manfred Kage, in
Delitzsch bei Leipzig gebo-
ren, lernte in Stuttgart Che-
mieingenieur, seine Arbeit
führte ihm den ästhetischen
Reiz von Kristallstrukturen
vor Augen, und er begann,
mit der Mikrofotografie zu
experimentieren. Erfinde-
risch und technisch begabt,

entwickelte er bald eigene
Apparaturen, darunter den
Polychromator, der seinen
Aufnahmen zu außerge-
wöhnlich schillernden Far-
ben verhalf. Er fotografierte
mit dem Rasterelektronen-
mikroskop Kristalle und
Mikrorganismen, und bald
war er sowohl als Wissen-
schaftsfotograf als auch als
Künstler international
erfolgreich. Der Pionier der
Mikrofotografie gründete
das Institut für wissenschaft-
liche Fotografie und Kine-
matografie und ein Muse-
um: »Kages Mikroversum«.
Dieser Ort, an dem Winzi-
ges sichtbar wird, befindet
sich in Schloss Weißenstein
in Lauterstein, das Kage
Anfang der Siebzigerjahre
erworben und wieder be -
wohnbar gemacht hat. 2012
wurde er mit dem Kultur-
preis der Deutschen Ge -
sellschaft für Photographie
ausgezeichnet. Manfred
Kage starb am 9. August in
Tübingen. KS

BILDARCHIV HALLHUBER / DAVIDS

HENNING BAGGER / SCANPIX / IMAGO IMAGES

KAGE MIKROFOTOGRAFIE

Peter Fonda, 79
Auf Motorrädern oder Pferden durchquerte er in seinen
Filmen die USA, suchte Freiheit und fand nicht selten
Gewalt. Verkörperte sein Vater Henry in zahlreichen Wes-
tern Rechtschaffenheit, so spielte Peter Fonda den Mann
auf Irr- und Abwegen, der alles ausprobiert, was Spaß
macht. »Captain America« hieß die Figur, die er sich als Co-
Drehbuchautor des Biker-Films »Easy Rider« (1969) auf
den Leib schrieb: ein Outlaw, der mit Koks dealt – das per-
fekte Feindbild des konservativen Amerika. Fonda wurde
zu einer Ikone der Gegenkultur, und er wirkte in dieser Rol-
le umso glaubwürdiger, als er den Kampf gegen die Genera-
tion der Väter selbst hatte austragen müssen. In seinen
Memoiren »Don’t Tell Dad« beschreibt er die Lieb losigkeit,
mit der sein Vater ihn und seine Schwester Jane erzog. Das
Rebellische schimmerte noch durch, als Fonda schon über
50 war und ruhige Charaktere spielte. In dem Familiendra-
ma »Ulee’s Gold« (1997), für das er eine Oscarnominierung
erhielt, war er als Imker zu sehen, der seinem kriminellen
Sohn und dessen drogensüchtiger Frau einen Weg zurück
ins normale Leben bahnen will – und er wirkte wie ein
Mann, der weiß, was es heißt, auf der Überholspur zu leben.
Peter Fonda starb am 16. August in Los Angeles. LOB
Free download pdf