Der Spiegel - 24. August 2019

(WallPaper) #1

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Wirtschaft


Konjunktur

Kanzleramt rechnet mit Rezession


Merkels Experten sehen jedoch noch keinen Anlass für konjunkturstabilisierende Maßnahmen.

 Das Bundeskanzleramt erwartet für dieses Jahr einen
fortgesetzten Abschwung der deutschen Wirtschaft. »Für das
dritte Quartal zeichnet sich abermals ein leichter Rückgang
des Bruttoinlandsprodukts und damit eine technische Re -
zession ab«, heißt es in einer Vorlage des Kanzleramts. Im
zweiten Quartal war die Wirtschaftsleistung bereits um
0,1 Prozent gegenüber dem Vorquartal geschrumpft.
Die Experten von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) rech-
nen nun für die Zeit von Juli bis Oktober mit einem ähnlichen
Rückgang. Nach einer üblichen Definition liegt eine Rezession
vor, wenn die Wirtschaft zwei Quartale hintereinander schrumpft.
»Eine Reihe von Frühindikatoren, die eine Signalwirkung bis

weit in die zweite Jahreshälfte haben, deutet darauf hin, dass
die schwache Industriekonjunktur weiter anhalten dürfte.«
Als positiv hebt die Vorlage hervor, dass die Binnenkon-
junktur noch intakt sei. »Eine gravierende Krise der deut-
schen Wirtschaft ist dennoch nicht zu erwarten, sofern die
Handelsauseinandersetzungen nicht eskalieren und es zu
keinem ungeregelten Brexit kommt«, heißt es in der Vorlage
weiter. »Für kurzfristige konjunkturstabilisierende Maßnah-
men sehen wir daher keinen Anlass.« Die Kanzleramtsbeam-
ten hoffen, dass am Ende des Jahres unter dem Strich den-
noch ein minimales Plus beim Wirtschaftswachstum steht. Im
ersten Quartal 2019 legte die Wirtschaft um 0,4 Prozent zu.REI

»Die Fachärzte schneiden sich die Termine doch auch aus den Rippen.« ‣S. 68

DER SPIEGEL Nr. 35 / 24. 8. 2019

Finanzwirtschaft


Postbank-Zentrale vor Aus


 Die Postbank könnte innerhalb des
Deutsche-Bank-Konzerns dramatisch an
Bedeutung verlieren. Der für 2021 geplan-
te Umzug der Bonner Postbank-Zentrale
in das noch im Bau befindliche Stadt -
quartier »Neuer Kanzlerplatz« steht nach
SPIEGEL-Informationen aus Kostengrün-
den vor dem Aus. Derzeit sind mehr
als 3000 Bonner Beschäftigte auf neun


Gebäude verteilt, deren Mietverträge aus-
laufen und die teils abgerissen werden.
Dass die Deutsche Bank den Umzug ihrer
Tochter stoppt, deutet auf einen weiteren
Stellenabbau in Bonn hin. Die Deutsche
Bank steht unter Spardruck und streicht
Tausende Stellen. Die Postbank beschäf-
tigt 18 000 Menschen, mindestens 2000
Stellen könnten wegfallen. Zudem ist frag-
lich, ob die Postbank, deren Chef Frank
Strauß kürzlich entnervt hingeschmissen
hatte, überhaupt noch eine Zentrale unter-

halten oder von der Konzernmutter in
Frankfurt gesteuert werden wird. Die
Deutsche Bank hatte ihre lange eigenstän-
dige Tochter 2018 in den Konzern integriert,
der zuständige Privatkundenchef Manfred
Knof gilt als knallharter Sanierer. Der
Konzern teilte lediglich mit, sich »im Rah-
men von Effizienzmaßnahmen« auch sei-
ne Immobilienstandorte anzuschauen und
am Standort Bonn festzuhalten – in wel-
chem Umfang, ließ ein Sprecher offen. Die
Marke Postbank bleibe aber erhalten. BAZ

NIKOLAI SCHMIDT / D-FOTO

Regierungschefin Merkel im Siemens-Werk in Görlitz
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