TOS: SANDRA STEH/STERN; UNITED ARCHIVES
Luger, 1943 in
Thüringen geboren,
besuchte nach
einer Ausbildung
zum Chemie-
laboranten eine
Schauspielschule.
Ab 1969 spielte er
mehrere Jahre
am Stadttheater
Lübeck und ab
Mitte der 70er Jahre
im Ruhrgebiet.
In der ARD-Serie
„Lindenstraße“ gab
er in insgesamt
1685 Folgen den
Familienvater Hans
Beimer (o.: zu
Beginn 1985 mit
seiner Serienfami-
lie). Auch in Serien
wie „Unser Lehrer
Doktor Specht“ war
er zu sehen. Luger
ist verheiratet,
hat zwei Söhne aus
zwei Beziehungen
und lebt in Bochum
und Berlin.
V
or fast einem Jahr haben Sie die
„Lindenstraße“ nach fast 33 Jah-
ren auf eigenen Wunsch verlas-
sen. Hatten Sie keine Lust mehr?
Ich wollte nicht länger einen an
Parkinson leidenden Mann
spielen. Es ist eine Krankheit, die Mimik,
Gestik und Sprache – also die wichtigsten
Fähigkeiten eines Schauspielers – immer
mehr einschränkt. Das hat mich zuneh-
mend belastet.
Im März 2020 wird die Serie abgesetzt.
Sind Sie froh, rechtzeitig selbst den
Schlussstrich gezogen zu haben?
Für mich war es richtig und gut, aber es
schmerzt mich trotzdem, dass es die Serie
bald nicht mehr geben wird, und mit ihr
ein Ensemble und Team, dem ich mich
immer sehr verbunden gefühlt habe.
Haben Sie das Serien-Aus geahnt?
Es gab Anzeichen, dass die „Lindenstraße“
nicht mehr ewig weiterlaufen würde: die
Sendepausen im Sommer und längere
Phasen, in denen nicht produziert wurde.
Überraschtwarichdann doch, als zwei
Monate nach meinem Serientod das Ende
verkündet wurde.
In den Anfangsjahren machte die „Lin-
denstraße“ noch Furore, als sie gesell-
schaftliche und politische Themen auf-
griff, wie etwa die ersten homosexuellen
Küsse in einer Vorabendserie oder das
Auseinanderbrechen der Familie Beimer.
Die „Lindenstraße“ hatte über viele Jahre
mit ihren Themen ein Alleinstellungs-
merkmal, bis irgendwann andere Serien
solche Dinge ebenfalls aufgriffen. Aktuel-
le Themen wurden in die Handlung zwar
immer wieder eingebaut, doch Moschee-
bau und Flüchtlingsdramen sind keine
großen Aufreger mehr. Und zunehmend
verändert sich auch das Verhalten beson-
ders der jüngeren Zuschauer, die mit
Netflix und Co. ein ganz anderes Seriener-
lebnis suchen.
Sie waren zuvor ein Theaterschauspieler
mit wenig TV-Erfahrung. Ein komisches
Gefühl, durch die Serienrolle plötzlich
überall erkannt zu werden?
Das war für eine Weile aufregend, hin und
wieder auch mal lästig, ständig mit meinem
Rollennamen angesprochen zu werden.
Auch wenn Hans Beimer nun begraben ist,
die Menschen werden mich sicher noch lan-
ge damit verbinden. Dafür habe ich diese
Figur einfach zu lange verkörpert.
Fühlen Sie sich abgestempelt?
Das passierte schneller, als ich dachte.
Schon kurz nach dem „Lindenstraßen“-
Start blieben andere Aufträge aus. Ich hat-
te zwar noch eine Rolle im „Tatort“ und klei-
nere Auftritte in Serienepisoden, aber es
wurde bald weniger. Man steckt schnell in
einer Schublade, aus der man nicht so leicht
wieder rauskommt. Umso glücklicher war
ich, dass ich zwischendurch immer wieder
auf der Theaterbühne stehen konnte.
Heute spielen Sie ausschließlich Theater.
Zum Fernsehen zieht es Sie nicht zurück?
Bisher vermisse ich das überhaupt nicht.
Theater zu spielen macht mir nach wie vor
großen Spaß, zumal ich auch endlich wie-
der meine komische Seite zeigen kann, die
nach all den Jahren des problembeladenen
Hans Beimer etwas in Vergessenheit gera-
ten war.
Sie sind passionierter Segler, fuhren mal
mit dem Motorrad durch den Himalaja.
Haben Sie nun Zeit für neue Abenteuer?
In den vergangenen Monaten habe ich fast
durchweg Theater gespielt. Da reichte es
gerade mal für drei Wochen Italien-Urlaub.
Im nächsten Jahr klappt es hoffentlich mit
einer mehrwöchigen Segeltour, und ir-
gendwann will ich auch noch mal mit dem
Motorrad durch die Karpaten. 2
Interview:Tobias Ott
Von 1985 bis 2018 spielte er den Familienvater
Hans Beimer in der ARD-Serie „Lindenstraße“
Joachim Luger
Joachim Luger,
75, vergangene
Woche an der
Isar in München
122 15.8.2019
NACHFRAGE
WAS MACHT EIGENTLICH?