Der Stern - 15. August 2019

(Barré) #1
Seit 2016 fotografiertMatjaz
KrivicdieFolgendeswelt-
weitenLithium-Hungers.
SilkeGronwaldschriebden
Text.DiebittereErkenntnisausderRecherche:
AuchgrüneTechnologiehatUmweltkosten ALLE FOTOS: MATJAZ KRIVIC/INSTITUTE

großesökologischesProblem:DieProduk-
tionverschlingtgigantischeMengenan
Wasser.FüreineeinzigeTonneLithium,so
derforensischeGeologeFernandoDíaz
vonderUniversitätBuenosAires,werden
biszuzweiMillionenLiterWasserbenö-
tigt.
Umweltschützerbeobachtendiestei-
gendeProduktionweltweitdeshalbmit
Sorge.Sie fürchten,dass die Lebens-
grundlagederörtlichenBauernverloren
geht.DieOrganisation„BrotfürdieWelt“
hatdieSituationindenGebietenrund
umdenUyuni-Seeanalysiertundkommt
zudemSchluss,dasssichschonjetztern-
steUmweltproblemezeigen.DerGrund-
wasserspiegelsinkt,undangrenzende
FlussebenenundVegetationenvertrock-
nen.ImReportdesHilfswerksheißtes:
„FürdieindigenenGemeinschaftenvor
Ortwirdesimmerschwieriger,ihrertra-
ditionellenLebensweise, die sich auf
Viehzucht,LandwirtschaftunddieGe-
winnungvonSalzgründet,nachzugehen.

SolcheZahlenweckendieSehnsüchte
derAnleger,mansetztbegeistertaufden
Rohstoff–dochwievielderfinanziellen
HoffnungkommtalsechtesGeldbeiderBe-
völkerungBoliviensan?KönnendieArmen
indieserRegionvomBoomprofitieren?

L


uisaFloresbetreibteinkleinesHotel
amsüdlichenZipfelderUyuni-Wüste.
IhrHausistkomplettausdemSalzdes
Seesgebaut.DieDorfbewohnersägen
handlicheBlöckeausderhartenKruste
undvermauernsiewieBacksteine.
Flores,einefreundlicheFraumitwetter-
gegerbtemGesichtundrundemRücken,
stehtinderkleinenKüche.AufdemGas-
herddampfteinTopfmitSuppe,aufdem
TischliegteinegeblümtePlastikdecke.Von
derLithiumproduktion,diegarnichtweit
entfernt so erfolgreichbetriebenwird,
bekommendieMenschenimDorfnur
wenigmit.SielebenweitervonderAlpa-
kazuchtunddemAnbauvonQuinoa,dem
GrundnahrungsmittelderRegion.Inden
FabrikhallenzurLithiumherstellungsind
vor allem Facharbeiter ausder fernen
Hauptstadt La Paz angestellt.Unddie
übernachtennichtimHotelvonLuisaFlo-
res,sondernineigenenUnterkünftennahe
derFabrik.Nurneulich,dakamdochmal
einVertreterderFabrikbeiihrvorbeiund
versuchte,siezudenörtlichenWasservor-
kommenauszufragen.Diesonstsoredse-
ligeFrauschwiegbeharrlichundschickte
denBeamtenzumTeufel.Dabeiwolltesie
ihmaufkeinenFallbehilflichsein.Ineiner
der trockensten Regionen derWelt ist
WassereinkostbaresGut.
BeiallenfinanziellenHoffnungen,die
sichandasLithiumknüpfen,bleibtein

Obwohldas Land den indigenen Gemein-
schaftengehört, werden sie in die Ent-
scheidung über den Lithiumabbau nicht
einbezogen.“
DieBelange der Bauern spielen politisch
bisherkaum eine Rolle. Für den boliviani-
schenPräsidenten Evo Morales ist nicht
Landwirtschaft, sondern Lithium die stra-
tegischwichtigste Ressource. Der dienst-
ältesteStaatschef Südamerikas will sämt-
licheProduktionsstufen – vom Trocknen
desSalzwassers bis zum fertigen Akku –
komplettin bolivianischer Hand behalten.
Sohoffter, dass sein Land eine Art Saudi-
ArabienSüdamerikas werden könnte.

E


inäußerst ehrgeiziges Vorhaben in
dem technisch unterentwickelten
Land, für das es sicher ausländisches
Kapital und Know-how brauchen wird.
Deshalbhat der Präsident der 2017 gegrün-
detenstaatlichen Firma Yacimientos de Li-
tioBolivianos (YLB) erlaubt, Partnerschaf-
tenmitprivaten ausländischen Firmen
einzugehen. Einzige Voraussetzung: Die
YLBmuss die Mehrheit behalten.
Undsogründete YLB im vergangenen
Dezember ein Joint Venture mit dem
schwäbischen Mittelständler ACI. Für die
FirmaausZimmern bei Rottweil ist das ein
großerErfolg. Wolfgang Schmutz, gelern-
terMaschinenbauer und Eigentümer der
ACI-Gruppe, schaffte damit, woran viele
Großkonzerne zuvor gescheitert waren. Er
gewanndas Vertrauen der Südamerikaner.
Durchden Aufbau der Partnerschaft er-
hältDeutschland nun Zugriff auf den be-
gehrtenBatterierohstoff: Lithium für bis
zu 150 000 Volkswagen-Akkus. Das schwä-
bischeUnternehmen verspricht, ein Ver-
fahrenzunutzen, das den Wasserhaushalt
derRegion nicht belasten soll. Zudem will
esSozial-und Umweltstandards einhalten.
DieFörderung soll im Jahr 2022 starten. Die
Menschen der Region hoffen, dass die Ver-
sprechender beiden Unternehmen mehr
alseinguter Vorsatz sind. 2

SPEKULANTEN


HOFFEN


AUF DICKE


GESCHÄFTE


MIT DEM


NEUEN


ROHSTOFF


Gemeinsames
Unterfangen:
Ingenieure einer
deutschen Firmen-
gruppe unterstüt-
zen die Bolivianer
mit Know-how

60 15.8.2019
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