74Der Erbauer des Ferien-
hauses von 1935, ein
Professor aus Dresden,
wollte eigentlich eine
Tiroler Jagdhütte. Deshalb
haben Erwin und Valerie
als einzige Bewohner
am Schliersee klassische
rot-weiße Tiroler Läden.
Das Fahrrad ist noch älter
als das Haus: Es ist von
1928 und stammt aus dem
Hause Opel. Erwin ist als
alter Flohmarktjäger in
einem Jagdhaus nicht der
schlechteste Bewohner ...E
in kleines Dörfchen nahe dem Schliersee,
umgeben von hohen, raschelnden Bäumen,
der Blick fällt direkt nach dem Aufstehen
auf das Mangfallgebirge – kann man schöner
wohnen? Hier, 50 Kilometer vor den Toren Mün-
chens, haben sich Valerie und Erwin Lanzensberger
ein kleines Paradies in einem früheren Ferienhaus
aufgebaut, über das sie sich jeden Tag aufs Neue
freuen können. „Erwin hat das Haus im Internet
entdeckt und sich schon in die Bilder des Inserats
verliebt, bevor er das erste Mal im Haus war“, er-
zählt Valerie. 2004 wurde das neue Domizil dann
bezogen und eingerichtet. Ein Professor aus Dres-
den hatte es 1935 gebaut und, weil er ein großer
Fan der Tiroler Jagdhütten war, gleich mit rot-wei-
ßen Fensterläden und einer Menge Jagdtrophäen
ausgestattet. Einige der Hirschgeweihe hat Erwin
hängen lassen.FILMFUNDUS TRIFFT AFRIKA
Erwin ist Fotograf und Kameramann, war beim
Film und hat für unzählige Fotokunstprojekte die
ganze Welt bereist. Viele seiner Möbel, Gebrauchs-
gegenstände und Kunstwerke stammen daher aus
dem Filmfundus und aus Afrika. Dazu kombiniert
der begeisterte Flohmarktjäger Designerstücke vonden 20er-Jahren bis zum Midcentury-Stil, Fund-
stücke wie einen Schiffsschrank von ungewöhnlich
schmalen Ausmaßen und Mitbringsel wie Plasti-
ken und Vasen. Zuerst aber galt es, in dem Haus,
das sehr abgewohnt war, die Dielen abzuschleifen
und einzulassen, die Türen wieder in jenem mat-
ten Hellgrün erstrahlen zu lassen, das so typisch
für manche Gegenden in Oberbayern ist. Die
Fünf-Elemente-Köchin Valerie steuerte noch ihre
Profiküchenmesser und -töpfe und ihre Sammlung
grüner Gläser dazu bei, Hund Henry seine Näp-
fe und Schlafplätze. Bald schon entwickelten die
zwei kreativen Köpfe die Idee für die Kochschule
und Eventküche „Feinschnabel“ in München, die
2013 gegründet wurde. Und weil alle Kochkunden
Valeries selbst entwickelte, pastose Brühenkonzen-
trate kaufen wollten, gründeten sie die Food-Ma-
nufaktur „Feinschnabel“ gleich mit dazu. In ihrer
Jagdhausküche werkelten, mixten und verkosteten
sie, kümmerten sich um ihre Bio-Lieferanten und
später um eine regionale Produktion. „Wir le-
ben und arbeiten da, wo andere Urlaub machen,
sind oft genug in München oder Miesbach, um
nicht zu vereinsamen, und haben, seit wir ‚Land-
eier‘ geworden sind, mehr Freunde zu Besuch
als jemals zuvor“, freut sich Valerie. ■