22 Weltwoche Nr. 32.19
Bild: Cover Weltwoche Nr. 30/31; Illustration: Miroslav Barták
Oberste Instanz
Nr. 30/31 – «Vergiss nie, wer du bist»;
Interview mit CS-Chef Tidjane Thiam
Ich habe das Interview mit grossem Interesse
gelesen und meine, aus Thiams Aussagen
herauszuhören, dass er der Ansicht ist, dass
die Schweiz das beste politische System hat.
Der Bürger entscheidet als oberste Instanz,
was Sache in der Schweiz ist. Im Geheimen
aber schüttelt er den Kopf über den grossen
Teil der politischen Elite, die die Schweiz per
Rahmenabkommen an die EU verscherbeln
wollen.
H.-J. Giorgio Peter, Opfikon
Der Elfenbeinturm wankt
Nr. 30/31 – «Bekehren statt lehren»;
Silvio Borner über die Forschung
Vier Tage ist die Verfallszeit der (angeblich)
exakten Wissenschaften. Das erleben wir täg-
lich mit dem Wetterbericht. Danach beginnt
bereits die Unschärfe der Voraussagen. Wer
deshalb daran zweifelt, dass wir heute schon
wissen können, was 2030 oder gar 2060 kli-
matisch als nachhaltig gelten wird, muss
zwar nicht mehr fürchten, verbrannt zu wer-
den wie die Protagonisten des solarzentri-
schen Weltbildes im Mittelalter. Er wird nur
noch aus dem Elfenbeinturm der Klimapro-
pheten verbannt. Über die manipulierte Ge-
sinnungsethik triumphiert hoffentlich am
Schluss die verifizierte Verantwortungsethik.
Auf der Mikroebene bewegt sich nämlich
auch der Fels, auf dem die Wissenschaft zu
stehen behauptet: Aus der klassischen Teil-
chenphysik ist die unscharfe Quantenphysik
hervorgegangen. Der Elfenbeinturm wankt!
Oskar B. Camenzind, Brunnen
Blick nach Osten
Nr. 29 – «Lob der Seidenstrasse»;
Ruedi Nützi über Chinas
Jahrhundertprojekt
Danke für einen äusserst zeitgemässen und
intelligenten Artikel zur «Belt and Road Ini-
tiative» und zu den damit verbundenen Her-
ausforderungen. Ich kann – darüber einig –
nur sagen, dass es an der Zeit ist, den Blick in
die Zukunft zu richten und eine nachhaltige
Strategie anzustreben, um sich mit Asien und
China zu verbinden. Politiker sollten sich von
allgemeinen Klischees, die man noch immer
in Bezug auf China pflegt, abwenden und den
Blick nach Osten richten.
Alexander Maresca, Dornach
Mathematisch-Magisches
Nr. 29 – «Jeder kann gewinnen»;
François Fricker über die Mathematik
des Siegens
«Wer vieles bringt, wird manchem etwas
bringen; und jeder geht zufrieden aus dem
Haus.» So spricht der Theaterdirektor im
Vorspiel zu Goethes «Faust», und so hat es
der Autor – dieses meines Erachtens rund-
um gelungenen Artikels – gehalten, in wel-
chem in Wort und Bild vor Jahrtausenden
Geschehenes mit Künstlerischem und Ma-
thematisch-Magischem verknüpft ist. Das
Ganze mündet in eine präzise Beschreibung
einer faszinierenden Paradoxie über Rang-
ordnungen, was Stoff zu langem Nachden-
ken werden kann. Schön, wenn heutzutage
eine Zeitung Raum für populär dargestellte
mathematische Themen zur Verfügung
stellt! Ich bin wohl nicht der einzige Leser,
der sich über weitere Artikel dieser Art freu-
en würde.
Urs Handschin, per E-Mail
Nicht zu verachtende Löhne
Nr. 30/31 – «Flucht in die
Verantwortung»; Medien-Kolumne
von Kurt W. Zimmermann
Als interessierter Bürger und regelmässiger
Zeitungsleser (am liebsten noch auf Papier
und nicht auf dem Tablet!) teile ich die
Beurteilung des Autors, dass das Niveau vieler
Leserbriefe
«Vier Tage ist die Verfallszeit der (angeblich) exakten
Wissenschaften.» Oskar B. Camenzind
«Was Sache in der Schweiz ist».
Nummer 30/31Fr. 9.– (inkl. MwSt.) – Euro 6.90Sonderausgabe 1. August: Zur Lage der Nation — 25. Juli 2019 – 87. Jahrgang
Überleben
in einer
verrückten
Welt
Mit Boris Johnson,Nathalie Wappler, (^)
Tiana Angelina Moser,Rudolf Strahm,
Anne Walser u. v. a. m.
Cover: Wolfgang Beltracchi
sein Leben und die SchweizDer CS-Chef über Afrika, Tidjane Thiam
Einspruch
Agrar-Armee
Emissionsarme Produkte?
Wer näher hinschaut, findet
die nirgends. Von Hans Rentsch
W
enn andere Parteien der traditio-
nellen Bauernpartei SVP Wähler-
stimmen streitig machen, müssen sich
SVP- Politiker umso bauernfreundlicher
aufführen. Dazu können in unserer Mus-
terdemokratie auch faktenfreie Behaup-
tungen aufgetischt werden. Das geht
dann zum Beispiel so, wie Roger Köppel
in seinem letzten Editorial (Weltwoche
30/31) schrieb: «Die Bauern, unter Be-
schuss von Ökomoralisten, sind Umwelt-
praktiker seit Jahrhunderten. Die Aktivis-
ten, die selbstbetrunken den radikalen
Systemumbau fordern, sollten emissions-
arme Produkte der lokalen Landwirtschaft
einkaufen.» Wer unsere Landwirtschaft so
sieht, ist wohl selber selbstbetrunken. Hier
ein paar Fakten:
- Niemand fordert den radikalen Sys tem-
umbau. - Es sind weder Ökomoralisten noch
Aktivisten, die die ökonomisch unsinnige
und ökologisch zerstörerische Agrarpoli-
tik kritisieren. Sogar das befangene Bun-
desamt für Landwirtschaft ortet zahlrei-
che Ziellücken. - Köppels «Umweltpraktiker» bilden pro
Hektare oder Arbeitskraft wohl die am
stärksten motorisierte Agrar-Armee der
Welt. Gemäss Agrarbericht 2015 des Bundes
ist der flächenbezogene Bedarf an direkter
Energie pro Hektare in der Schweizer Land-
wirtschaft rund 2,7-mal höher als der EU-
27-Durchschnitt. Seit 1970 ist der Ver-
brauch an nicht erneuerbaren Energien um
rund 80 Prozent gestiegen. Die Energie-
effizienz ist aber gleichzeitig gesunken und
liegt seit 1990 bei etwas über 40 Prozent.
Das bedeutet, dass es 5000 kcal braucht, um
essbare 2000 kcal zu erzeugen. - Der Einkauf emissionsarmer Produkte
der lokalen Landwirtschaft ist somit gar
nicht möglich. Und dass kurze Distanzen
zwischen Produktion und Konsum die
Ökobilanz prinzipiell massgeblich verbes-
sern, ist längst widerlegt; in den Köpfen
der Leute aber noch nicht angekommen,
weil die Agrarpropaganda systematische
Desinformation betreibt.
Hans Rentsch ist freischaffender Ökonom.
Unter seiner Leitung als Projektverantwortlicher
und Hauptautor entstanden die beiden
Avenir-Suisse-Publikationen «Der befreite Bauer»
(2006) und «Agrarpolitische Mythen» (2008), die im
Verlag NZZ erschienen sind.