Berlin– In der Bundesregierung ist eine
Debatte überdie schwarze Null entbrannt.
Mehrere Kandidaten für den SPD-Vorsitz
fordern vor dem Hintergrund kostspieli-
ger Klimaschutzgesetze eine Abkehr vom
ausgeglichenen Haushalt. Finanzminister
Olaf Scholz (SPD) hält dies nicht für nötig,
Unions-Haushaltspolitiker wiesen die Ge-
dankenspiele zurück.sz Seite 6
Berlin– 19 von 96 Regionen in Deutsch-
land drohen einer Studie zufolge abge-
hängt zu werden. Dazu gehören elf in Ost-
deutschland, vier in Nordrhein-Westfalen
sowie Bremerhaven, das Saarland, Schles-
wig-Holstein Ost und die Westpfalz. Im Os-
ten machen Abwanderung und Überalte-
rung Probleme, im Westen Arbeitslosig-
keit, geringe Produktivität und hohe Ver-
schuldung. mbal Seite 4, Wirtschaft
Meinung
Judenmüssen in Deutschland in
Angst leben. Das zerstört
den Charakter der Republik 4
Politik
DieTürkei und die USA haben sich auf
eine gemeinsame Sicherheitszone
in Syrien geeinigt 7
Panorama
Follower oder Fernsehauftritt –
Wie sich der Begriff von
Prominenz verändert 10
Feuilleton
Eigentlichwollte Daniela Schneider
Physik studieren, dann wurde
sie Kirchenmusikerin 11
Sport
Krimi ums Knie: Will der FC Bayern
Leroy Sané weiterhin kaufen –
trotz Kreuzbandanriss? 25
Medien, TV-/Radioprogramm 23,
Forum & Leserbriefe 9
Kino · Theater im Lokalteil
Rätsel 23
Traueranzeigen 18
Dass im Land der Germanen Elche herum-
laufen, wussteschon Cäsar. Er wusste nur
nicht genau, wie sie aussehen. Klein und
bunt seien sie, schrieb er in seinem Ger-
manenexkurs, und sie hätten so steife Bei-
ne, dass sie sich nicht hinlegen könnten.
Weshalb sie sich zum Schlafen an einen
Baum lehnten. Heute wüsste Cäsar es bes-
ser, denn er könnte die Elche selbst sehen.
In Brandenburg zum Beispiel. Dort sind
sie nicht nur seit geraumer Zeit unter-
wegs, sondern es werden auch immer
mehr. Wurden zwischen 2013 und 2015
drei bis fünf Tiere im Jahr gesichtet, wa-
ren es 2018 schon 38 Meldungen.
Die Elche stammen aus Polen, von dort
aus wandern sie nach Brandenburg, sagt
die Biologin Kornelia Dobiáš: „Wir beob-
achten eine Arealerweiterung nach Wes-
ten.“ Dobiáš leitet eigentlich die For-
schungsstelle für Wildökologie und Jagd-
wirtschaft im Land Brandenburg, zuletzt
hatte sie aber immer öfter mit dem Euro-
päischen Elch zu tun. Der ist ein Einzel-
gänger, der gern durch tiefe Wälder
streift und sich nur zur Brunft mit seines-
gleichen trifft. Einzelne Tiere wurden
aber auch schon in der Nähe von Autobah-
nen oder rund um das Riesenspaßbad Tro-
pical Islands beobachtet. Der Großteil der
Elche sei jung und männlich, die Tiere
kommen auf der Suche nach Partnerin-
nen, berichtet Kornelia Dobiáš. Wenn sie
keine finden, ziehen sie nach einigen Mo-
naten weiter oder kehren über die Oder zu-
rück nach Polen.
Elche hat es in Brandenburg schon im-
mer gegeben. Allerdings wurden sie zu
DDR-Zeiten gejagt, weil man dachte, sie
würden nicht in die Region passen. Seit
der Wende sind die Tiere geschützt, und
die Zahl der Sichtungen steigt. Zwar seien
die Elche Menschen gegenüber „relativ
gelassen“ und ließen sich oft sogar einige
Minuten beobachten, sagt Kornelia Do-
biáš. Es könne aber auch zu unerfreuli-
chen Begegnungen kommen – dann näm-
lich, wenn sie dem Menschen vors Auto
laufen. Weil Elche bei Gefahr verharren,
statt wegzulaufen, sei das Risiko einer Kol-
lision mit den bis zu einer halben Tonne
schweren Tieren groß. Auch fressen Elche
gut fünfzig Kilogramm Grünzeug am
Tag, am liebsten frische Knospen und jun-
ge Triebe. Unter den Bauern und Waldbe-
sitzern haben sie deshalb nicht nur Fans.
Wegen der steigenden Zahl der rück-
wandernden Tiere hat das Land Branden-
burg einen Elch-Managementplan ausge-
arbeitet und im vergangenen Jahr noch
einmal aktualisiert. Darin geht es darum,
wie sich Förster, Landwirte, Naturschüt-
zer und Verkehrsexperten auf die Tiere
vorbereiten sollen. Dazu wurde eine Elch-
Datenbank angelegt. Wer einen Elch
sieht, kann diesen per Online-Formular
melden.
Aktiv fördern will man in Brandenburg
die Ansiedlung der Tiere nicht, aber man
will mehr Informationen über ihr Verhal-
ten gewinnen. 2018 wurde daher ein Elch
mit einem GPS-Sender ausgestattet. Seit-
her weiß man, dass Bert, das dreijährige
Tier, Bundesstraßen meidet oder ganz
gezielt Wildbrücken benutzt, um sie zu
überqueren. Manches von dem, was Bert
treibt, stellt die Forscher allerdings vor
ein Rätsel: Er übersteigt Zäune, um in die
Nähe von anderen Tieren zu gelangen.
Am liebsten mag er Kühe. Das hätte sich
nicht einmal Julius Cäsar ausdenken
können. ve re na m aye r
von michael bauchmüller
und marlene weiss
Berlin/München– Der Zusammenhang
zwischen Klimawandel und Landnutzung
wird zunehmend zu einem Teufelskreis.
Das geht aus einem Sonderbericht hervor,
den der Weltklimarat IPCC am Donnerstag
in Genf vorgelegt hat. Demnach gehen
rund 23 Prozent aller Treibhausgas-Emis-
sionen auf das Konto von Land- und Forst-
wirtschaft. Gleichzeitig aber beeinträchti-
gen die Folgen der Erderwärmung auch
die Landwirtschaft. Die Sicherheit der Nah-
rungsmittelversorgung schrumpfe in dem
Maß, in dem extreme Wetterereignisse zu-
nähmen, warnt der Weltklimarat.
Der Sonderbericht war von mehr als 100
Wissenschaftlern in drei Jahren zusam-
mengestellt worden. Die finale Version sei-
ner Zusammenfassung hatten in den ver-
gangenen Tagen Regierungsvertreter aus
aller Welt beraten und schließlich gebilligt.
Er gilt als die umfassendste Bestandsauf-
nahme der Wechselwirkung zwischen Kli-
ma und der Nutzung der Erdoberfläche.
So liege die Temperatur über den Land-
massen mittlerweile um 1,5 Grad Celsius
höher als zu Beginn der Industrialisierung,
konstatiert der Bericht. Die Fläche der Dür-
reregionen wachse im Schnitt um ein Pro-
zent pro Jahr. Gleichzeitig sei ein Viertel
der eisfreien Landfläche mittlerweile „de-
gradiert“, also stark beeinträchtigt – etwa
weil zu intensive landwirtschaftliche Nut-
zung oder Beweidung Böden erodieren
oder zu starke Bewässerung sie versalzen
lässt. „Wenn Land seine Funktion verliert,
verliert es auch seine Fähigkeit, Kohlen-
stoff zu speichern“, sagte Hans-Otto Pört-
ner, Co-Autor des Berichts. Umweltschüt-
zer verlangten eine Kehrtwende in der
Agrarpolitik. „Durch die Abholzung von
Wäldern, die Ausbreitung des Anbaus von
Futterpflanzen sowie die Emissionen aus
der Massentierhaltung wird der Klimanot-
stand weiter verschärft“, sagte Christoph
Thies, Waldexperte von Greenpeace.
Auch Bundesumweltministerin Svenja
Schulze (SPD) forderte Konsequenzen.
„Die Land- und Forstwirtschaft ist Opfer,
aber sie ist zugleich auch Treiber“, sagte
sie. „Damit ist sie auch Teil der Lösung.“
Ein „Landwirtschaftssystem“ aber, bei
dem Soja als Futter importiert, in hiesigen
Ställen verfüttert werde und anschließend
als Gülle das Grundwasser bedrohe, „stößt
an seine Grenzen“, sagte sie. Europa müsse
die Reform der gemeinsamen Agrarpolitik
für einen Kurswechsel nutzen. Hier legt
die EU auch fest, wer welche Subventionen
bekommt. „Wir brauchen mehr Ökoland-
bau“, verlangte Schulze.
Der Weltklimarat empfiehlt eine „koor-
dinierte Aktion“ im Kampf gegen die Kli-
makrise. Letztlich könne dies auch helfen,
Hunger zu bekämpfen. Allerdings gehe der-
zeit ein Drittel aller Nahrungsmittel verlo-
ren oder lande auf dem Müll. „Das Bild ist
nicht rosig, aber der Bericht zeigt auch:
Wenn schnell gehandelt würde, gäbe es
schon Möglichkeiten“, sagte Almut Arneth,
IPCC-Autorin und Ökologin am Karlsruhe
Institute of Technology. So könnten Wald-
schutz oder eine nachhaltigere Landwirt-
schaft viele Probleme rasch lindern, heißt
es im Bericht. „Jetzt noch 20 Jahre auf
irgendeinen technischen Durchbruch zu
hoffen, bringt uns jedenfalls nicht weiter“,
sagte Arneth. Seite 4, Wissen
Rom– Der italienische Innenminister und
Chef derrechten Lega, Matteo Salvini,
sieht keine Zukunft mehr für die Koalition
mit der Fünf-Sterne-Bewegung. Am Don-
nerstag habe er Premier Giuseppe Conte
aufgefordert: „Gehen wir sofort ins Parla-
ment, um anzuerkennen, dass es keine
Mehrheit mehr gibt“, hieß es in einer Erklä-
rung Salvinis am Abend. „Geben wir das
Wort schnell an die Wähler zurück“, erklär-
te er. Es sei „zwecklos“, mit Streitereien
wie in den vergangenen Wochen weiterzu-
machen. Auslöser für die Krise war ein Vo-
tum der Fünf-Sterne gegen ein Bahnpro-
jekt, das die Lega befürwortet. Salvini hat-
te daraufhin gesagt, in den vergangenen
Monaten sei in der Koalition „etwas kaputt-
gegangen“. Schon im März wäre die Regie-
rung an dem Streit um die Bahn fast zerbro-
chen. dpa Seiten 2 und 4
Berlin –Der Vorsitzende des Verteidi-
gungsausschusses, Wolfgang Hellmich
(SPD), mahnt die neue Verteidigungsminis-
terin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU)
zu mehr Sensibilität beim Einsatz von Bera-
tern. „Ich erwarte mir von der Ministerin
einen sehr viel bewussteren Umgang mit
externen Beratern“, sagte er derSüddeut-
schen Zeitung. „Wenn Maß und Mitte so
aus den Fugen geraten, wie wir es erlebt ha-
ben, dann geht es um die Handlungsfähig-
keit des Staates.“ Kramp-Karrenbauers
Vorgängerin Ursula von der Leyen (CDU)
hatte teure externe Fachleute ins Ministeri-
um geholt – damit befasst sich ein Untersu-
chungsausschuss des Bundestages.
Unabhängig vom laufenden Untersu-
chungsausschuss gibt es eine neue Debat-
te über Zahlungen der Streitkräfte an priva-
te Dienstleister. Das Verteidigungsministe-
rium und die ihm unterstellten Behörden
haben in den ersten sechs Monaten dieses
Jahres 155 Millionen Euro für externe Bera-
tung und Unterstützung ausgegeben – bei-
nahe ebenso viel wie alle anderen 13 Bun-
desministerien zusammen (178 Millionen).
Das geht aus einer Antwort des Verteidi-
gungsministeriums auf eine Anfrage der
Linken hervor. Der Parlamentarische Ver-
teidigungsstaatssekretär Thomas Silber-
horn begründete die hohen Ausgaben vor
allem mit Herausforderungen durch die Di-
gitalisierung: Alleine 109 Millionen Euro
entfielen auf die BWI, den IT-Dienstleister
der Bundeswehr, der 1200 Liegenschaften
der Truppe betreut. Das Finanzministeri-
um erklärte, jedes Ministerium definiere
selbst, was Beratungsleistungen seien, ein
direkter Vergleich der Ressorts sei daher
nicht zielführend.
Der Rechnungshof war 2018 bei einer
Prüfung der Beratungs- und Unterstüt-
zungsleistungen des Verteidigungsminis-
teriums auf zahlreiche Vergaben an Exter-
ne gestoßen, die gegen das Vergaberecht
verstießen. Weil es teilweise auch enge pri-
vate Beziehungen zwischen hohen Beam-
ten und Verantwortlichen bei Beraterfir-
men gab, steht der Verdacht der Vettern-
wirtschaft im Raum. Die frühere Verteidi-
gungsministerin von der Leyen hatte ver-
stärkt auf Expertise von außen gesetzt. Da-
zu gehörte auch, dass sie die frühere
McKinsey-Managerin Katrin Suder als
Rüstungs-Staatssekretärin holte. Beide ha-
ben mittlerweile das Haus verlassen, sol-
len aber möglichst noch in diesem Jahr
vom Ausschuss zu den Vorgängen im Mi-
nisterium befragt werden. Hellmich
warnt: Die „Entscheidungs- und Steue-
rungsfähigkeit in der Bundeswehr“ müsse
„vollumfänglich“ erhalten bleiben, „dies
muss die Messlatte sein, wie man mit dem
Einsatz von Beratern umgeht“.
Der Grünen-Politiker Tobias Lindner
hält zentrale Fragen der Berateraffäre wei-
terhin für offen: „Wer trägt Verantwor-
tung? Das ist noch nicht geklärt“, sagte er.
Matthias Höhn von der Linken äußert sich
direkter: Der Umgang des Verteidigungs-
ministeriums mit Externen und die Ausga-
ben für diese seien „skandalös“ gewesen.
Nun frage er sich, ob die neue Ministerin
„die Goldgräber wieder nach Hause schi-
cken wird“. joachim käppner,
mike szymanski Seite 4
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Im Osten beginnt der Tag freundlich. Von
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Südwesten zu einzelnen Gewittern. Höchst-
werte im Norden bis 27 Grad, im Süden bis
32 Grad. Seite 9 und Bayern
Welcher Autorenfilmer
bekommt von Hollywood
heute noch so ein Budget
für einen hochgradig
unberechenbaren
Kinofilm? Ein Treffen mit
Quentin Tarantino
Die Seite Drei
Wehrressort zahlt 155 Millionen Euro für Berater
Das istfast so viel wie bei allen anderen Ministerien zusammen. Für die SPD sind „Maß und Mitte aus den Fugen geraten“
Elchtest
Brandenburg erlebt einen tierischen Zuzug aus Polen Koalition streitet
über die schwarze Null
Weltklimarat fordert Agrarwende
Dürre, Überschwemmungen, Ernteausfälle: Experten zeichnen ein düsteres Zukunftsbild.
„Wir brauchen mehr Ökolandbau“, sagt Umweltministerin Svenja Schulze
Salvini fordert
Neuwahlen
Italiens Innenminister will die
Populisten-Koalition beenden
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Die stillen Stars der Börse – eine neue Serie Wirtschaft
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für den Sommer. Sechs Rezepte zum Sel-
bermachen.
KältestarrReinhold Messner ist einer der
berühmtesten Bergsteiger der Welt. Sohn
Simon klettert nicht beruflich, aber genau-
so halsbrecherisch.
WarmherzigDer Krebsforscher Wolfram
Gössling ist an Krebs erkrankt. Nun ver-
sucht er, nicht mehr nur das Leben seiner Pa-
tienten zu retten, sondern auch sein eigenes.
Liegt nicht der gesamten Auslandsauflage bei
FOTO: ISSER
FOTO: MATT WINKELMEYER/GETTY
Dax▲ Dow▲ Euro▼
(SZ) Neulich im Internet. Was man hier
eigentlich suchte, anklickte und hektisch
konsumierte, war einem selbst nicht ganz
klar. Den Wikipedia-Artikel über die chine-
sische Währung Renminbi brach man zu-
gunsten des deprimierenden Ostsee-Wet-
terberichts ab. Als man diesen überwun-
den hatte, drang durch die vielen Tabs im
Hippocampus der Gedanke, dass man
auch noch kein Hotel für den Urlaub ge-
bucht hatte. Und war der ursprüngliche
Grund dafür, sich schon wieder so online-
seelenallein über den Bildschirm zu beu-
gen, nicht der gewesen, dass man nur
schnell zwei Küchenhandtücher kaufen
wollte? Nun also wollte man zur Tat schrei-
ten und diese Shoppingséance schnell und
rabiat beenden – als sich erwies, dass es Kü-
chenhandtücher in den Farben Rosé, Indi-
go, Elfenbein und Terrakotta gibt, mit Waf-
felmuster oder glatt, aus Baumwolle oder
Leinen, aus Südfrankreich oder aus Asien.
Die Nervosität stieg, der Puls auch. Ist es
wirklich nötig, dass ein Gebrauchsgegen-
stand wie ein Werk von Cy Twombly aus-
sieht und einen vor ähnlich existenzielle
Fragen stellt wie die Wahl des Studien-
gangs?
Vielleicht ja schon. Je ungemütlicher die
gefühlte Welttemperatur, je teurer der Qua-
dratmeter, desto pastellfarbener die Samt-
kissen in Wohlstandwohnzimmern, desto
impressionistischer der Waschlappen, des-
to mehr wird das Unästhetische ästheti-
siert. Wer sich durch Online-Krimskrams-
Läden und Instagram klickt, ist mitunter
so benommen, dass er das dort zum Ver-
kauf stehende Lavendel-Nougat-Zement-
Waschgel irgendwann für den Heiligen
Gral hält und vergisst, dass die Welt auch
ohne dieses Gel ein verdammt schöner Ort
sein kann. Im manchmal melancholischen
Wien ist es nun einigen zu schön geworden
in ihrer Stadt, zu dufte. Wie der ORF berich-
tet, haben sich 21 000 Menschen in einer
Umfrage gegen parfümierte U-Bahnen aus-
gesprochen. Den Juli über hatten die Ver-
kehrsbetriebe in einigen Bahnlinien experi-
mentiert und durch die Belüftungsanlagen
Düfte namens „Relax“, „Energize“, „Fresh
White Tea“ und „Happy Enjoy“ versprü-
hen lassen.
Hätte man bei der Parfümierung doch
nur ein wenig Menschenkenntnis ange-
wandt. Kein ernst zu nehmender Wiener
Misanthrop würde sich plötzlich über laut-
starke Jugendliche freuen, nur weil man
ihm morgens Sandelholz oder Magnolie
ins Gesicht fächert. Wer in sein Handy
schreit und den Sitznachbarn mit Katastro-
phen-Updates aus dem eigenen Leben tan-
giert, wird sich bestimmt nicht von „Re-
lax“ beruhigen lassen. Da wären die Düfte
„Handy-Hysterie“ oder „Steig aus“ mit
Sicherheit wirkungsvoller. Ebenso wie
„Endlich unglücklich“, „Happy Platz-
angst“ oder „Schall und Dreck“. Denn
wenn es noch einen Ort gibt, der düster
und völlig ungeeignet für euphemistische
Selbstfotografie ist, dann die U-Bahn.
DAS WETTER
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