Die Zeit - 15.08.2019

(Tuis.) #1

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Ich war neulich mit einem Mitarbeiter zum Tennisspielen verab-
redet, wir hatten ein Doppel angesetzt. Auf dem Weg zum Platz
ist der E-Scooter, den er sich gemietet hatte, stehen geblieben, der
Akku war leer. Der zweite Scooter hat ihn dann zum Tennis ge-
bracht, aber als er ihn absperren und sich ausloggen wollte, wurde
ihm angezeigt, dass er sich außerhalb des Geschäftsgebiets befand.
Er musste den Scooter also einen Kilometer zurückfahren und
dann zu Fuß gehen. Als er ankam, war unser Match fast vorbei.
Die Geschichte fasst ganz gut zusammen, was ich von E-Scootern
halte: Ich bin mit ihnen spinnefeind.
Ich wohne an einer viel befahrenen Straße in München. Es gibt
hier ausreichend Leihfahrräder und E-Motorroller, durch die vielen
Scooter wird der Verkehr unnötig verkompliziert – deren Fahrern
ist meist unklar, wo sie denn zu fahren haben, auf dem Fahrrad-
weg oder auf der Straße. Die meisten Menschen, die ich auf den
E-Scootern sehe, haben die Dinger nicht im Griff, weil sie entwe-
der im betrunkenen Partymodus sind oder die doch recht hohe
Geschwindigkeit nicht ernst nehmen und versuchen, möglichst
locker auf den Dingern rumzudüsen. Es ist das erste Mal, dass ich
mich über die berüchtigte Münchner Polizeipräsenz freue: In den
ersten Wochen wurden schon Dutzende Führerscheine gezwickt.
Ich glaube auch nicht wirklich daran, dass die Umwelt geschützt
wird: Die meisten E-Scooter-Fahrer sind weder Fahrrad- noch
Autofahrer, die umgestiegen sind, sondern fußlahme Menschen,
die die 300 Meter nicht laufen wollen.
Und dann ist da das Design, das ich bei ausnahmslos allen Anbietern
schlecht finde: Die Scooter sehen klobig aus, nach Plastikmüll, und
sie wirken schon nach kurzer Zeit alt und kaputt.

Mirko Borsche hat einen neuen Feind


in der Stadt: Den E-Scooter


Foto

Ikanin Studio/StockAdobe

» Die meisten Menschen, die ich auf den E-Scootern sehe,
haben die Dinger nicht im Griff«

Stil Unter Strom

Von Tillmann Prüfer


Foto Peter Langer


Mirko Borsche, Creative Director des ZEITmagazins,
schreibt jede Woche die Kolumne »Unter Strom«

Der Brustbeutel ist wieder da, wir sehen ihn in der Herrenmode


um den Hals des Mannes baumeln: unscheinbar bei Dior Homme
und im Großformat bei Kenzo, in Türkis bei Jil Sander und in


Rot bei Prada. Das ist einerseits eine schöne Nachricht, denn nun
haben Handy, Kreditkarte und Schlüssel endlich einen sicheren


Platz gefunden. Zuvor stopften sich Männer diese kleinen Uten-
silien in die Hosentaschen, die dann unangenehm beulten. Doch


andererseits muss man sich fragen: Warum erst jetzt? Warum haben
Männer nicht schon viel früher eine zuverlässige Aufbewahrung für


ihr Kleinzeug erhalten?
Es ist ja nicht so, dass der Geldbeutel eben erst erfunden worden


wäre. Bereits in ägyptischen Hieroglyphen finden sich Abbildungen
von um die Taille getragenen Lederbeuteln. Und Brustbeutel gab


es schon bei den Ureinwohnern Nordamerikas: Sie dienten als Auf-
bewahrungsort für Schmuck, Nähutensilien und Hygienemittel.


Außerdem wurden sie von Schamanen genutzt, um heilende Steine
und Kräuter mit sich zu tragen.


Mit dem Geldbeutel kamen im Mittelalter dann allerdings auch die
Beutelschneider: Diebesgesindel, das sich darauf spezialisiert hatte,


die an den Gürtel gebundenen Beutel zu ergaunern. Je größer die
Notwendigkeit wurde, Zahlungsmittel mit sich herumzutragen, des-


to mehr war man fortan um Unauffälligkeit bemüht. So entstand
im 17. Jahrhundert die Geldkatze – ein in den Gürtel gearbeiteter


Beutel, der unter Kaufleuten und Reisenden sehr beliebt war. Zur
gleichen Zeit setzten sich auch sogenannte Geldstrümpfe durch, um


Wertsachen zu transportieren. Dabei handelte es sich um einen an
beiden Enden zugenähten Schlauch mit einem Schlitz in der Mitte.


Faltete man diesen Geldbeutel in der Mitte, war auch er einfach am
Gürtel zu befestigen. Das schien den Trägern unauffälliger, als ihr


Geld um den Hals zu tragen, und je mehr der Mann zum Geldträger
wurde, desto weniger wollte er danach aussehen.


Das hat sich offenbar geändert. Denn die sogenannten neck pouches
baumeln jetzt schwer übersehbar über den Brustkörben marken-


bewusster Männer. Sie sind insofern praktisch, als das Logo des
Herstellers meist deutlich ins Auge springt. Besser kann man sich


kaum als Kunde einer bestimmten Marke zu erkennen geben. Auf-
fällig ist, dass diese Mode heute vor allem bei jungen Männern zu


sehen ist. Vielleicht ist es bei diesen einfach noch nicht so lange
her, dass sie praktische Erfahrung mit Brustbeuteln gesammelt ha-


ben. Damals nämlich, als Mama ihnen einen Beutel an einer langen
Kordel umhängte, damit der Sohn das Eintrittsgeld fürs Freibad


nicht wieder verliert.


Geld um den Hals

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