Focus - 10.08.2019

(Sean Pound) #1

LEBEN


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Baden mit Gepäck
Wasserdichte Säcke in
Fischform nehmen in Basel
Handtuch und Kleidung
auf – und fungieren als
Ruhekissen auf den Wellen

M

eijun Bao steht
am Geländer
der Wettstein-
brücke in Ba-
sel und blickt
verblüfft in die
Tiefe: „Die se-
hen aus wie Dumplings im Wasser.“
Der Vergleich mit den traditionellen
chinesischen Teigtäschchen kommt
der Touristin aus Shanghai angesichts
der unzähligen Menschen, die hier auf
dem Rhein durch die Stadt driften. Bei
ihr zu Hause, erzählt Frau Bao, käme
kein Mensch auf die Idee, in den Jang-
tsekiang zu steigen.
In Basel dagegen gehört ein
„Schwumm im Rhy“ zum neuen Lebens-
gefühl. Hunderte, ja Tausende lassen
sich hier, wo der Rhein aus Ost-West-
Richtung kommend auf Süd-Nord-Kurs
wechselt, an heißen Sommertagen zum
Erstaunen der Touristen kilometerweit
in einem großen Bogen mitten durch
das Stadtzentrum treiben. Vorbei am
Münster und unter der Mittleren Brü-
cke hindurch, auf der im Mittelalter
die Zöllner den Bauern und Händlern
Gebühren abknöpften. Neben dem
Erfrischungsfaktor schätzen Karin und
Claude, ein reiferes ortsansässiges
Pärchen, „dass man die Stadt mal aus
einer völlig anderen Perspektive er-
leben kann“.
Dazu kommt wohl auch der Reiz des
Massenerlebnisses. Erkennungszeichen
der Community ist neben Schwimm-
dress und Badelatschen der lässig über

Basel Der „Schwumm im Rhy“ gehört
zum Lebensgefühl in der Rheinmetropole


Heiße Sommer und bessere Wasserqualität machen es


möglich: Großstädter entdecken das Flussschwimmen.


Ein nicht ungefährliches Vergnügen


Mit dem Strom


die Schulter gehängte Wickelfisch. Ein
wasserdichter bunter Sack in vager
Fischform, in dem Klamotten, Handtuch
und Handy verstaut werden und der
durch Umschlagen des Schwanzendes
(unbedingt sieben Mal!) verschlossen
wird. Wegen der eingeschlossenen
Luft kann er gleich noch als bequemes
Schwimmkissen genutzt werden. Die
Stadt hat die Uferpromenade aufge-
hübscht. Alle paar Hundert Meter gibt
es Gratisduschen.

Eine Ausstellung feiert die „Swim City“
Zwischen den vielen „Dumplings“ lässt
sich auch Yuma Shinohara gelegentlich
stromabwärts treiben. Der junge Wissen-
schaftler ist Assistenzkurator am Schwei-
zerischen Architekturmuseum SAM in
Basel. Noch bis zum 29. Septem-
ber zeigt das Haus die Aus-
stellung „Swim City“, die
sich dem Phänomen des
Flussschwimmens in
westlichen Großstäd-
ten widmet. Denn
neben den schwei-
zerischen Fluss-
schwimm-Spots
Basel, Bern, Zü-
rich und Genf
sind in den ver-
gangenen Jah-
ren etliche Pro-
jekte von Akti-
visten und Stadt-
planern in west-
lichen Metropo-
len entstanden,
die ihre Flüsse wie-
der zugänglich ma-
chen wollen.
Shinohara erklärt den
Trend unter anderem mit
der extremen Verdichtung
der Großstädte, „wodurch es
naheliegt, den Lebensraum Fluss
als öffentlichen Raum für Bewohner
und Besucher zu nutzen“. Wo Immo-
bilienkonzerne um jeden innerstädti-
schen Quadratmeter pokern, sind die
Flüsse oft die letzten unverbaubaren
Zonen. Dazu entspreche das Fluss-
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