Der Stern - 08.08.2019

(Ann) #1
Hans-Martin Tillack recherchierte
wochenlang zu den Vorgängen
bei Uniter. Er sprach mit Insidern
und wertete interne Unterlagen aus.

„Formation halten und auf Feindkontakt vorbereitet sein“


Das Uniter-Symbol ähnelt dem Abzeichen der Bundeswehr-Spezialeinheit KSK. Ende
Juni 2019 werden im Uniter-Chat Mitglieder gesucht, die dem Energiekonzern RWE
bei der „verdeckten Überwachung“ des Braunkohletagebaus in Garzweiler helfen sollen

Nachdem „Taz“ und „Focus“ im Novem-
ber 2018 über Vorwürfe gegen den Verein
berichtet hatten, herrschte kurzzeitig Auf-
regung in der Whatsapp-Gruppe. Dann be-
ruhigte „Hannibal“ seine Kameraden: „Wir
haben mehr Firmen und Mitglieder dazu
bekommen durch die Kampagne“, versi-
cherte er. Es gebe eben auch Klienten, die
nicht „das linke Spektrum hofieren“.
Auf der eigenen Website prahlt der Ver-
ein bis heute, man habe „aktuell interna-
tional 125 Stellen als Personenschützer, im
Objektschutz, Fahrer sondergeschütztes
Kfz, aber auch als Polizeiausbilder im Re-
gierungsauftrag zu vergeben“.
Im April veröffentlichte Uniter einen Be-
richt zur Sicherheitslage in Deutschland, der
Einblicke in die Ideologie des Vereins ge-
währt. Der Report prangert „die Gewalt von
sog. Zugewanderten“ an. „Die meisten deut-
schen Medien weigern sich, dies zu the-
matisieren“, dabei seien Zuwanderer bei
Gewaltverbrechen „180 mal“ krimineller als
der Rest der Bevölkerung. Die Zahl sei „un-
seriös“, sagt der Kriminologe Thomas Feltes.
Wird ein Verein, der Derartiges verbrei-
tet, tatsächlich im Regierungsauftrag tätig?
Im Mai 2018 schrieb ein Teilnehmer des
Chats, Deutschland sei eine „Krisenregion“.
Ein anderer pflichtete dem Katastrophen-
szenario bei: „Ganz genau“, und: Das „(Un)
erwartete“ sei „eingetroffen“.
„Eine Schattenarmee sind wir definitiv
nicht“, versicherte D’Arcangelo im Febru-
ar in einem Interview mit dem SWR. Aber
die Mitglieder üben das „Überleben in der
Natur“ und das Zerlegen von Wild – als be-
reiteten sie sich auf einen drohenden Kon-

flikt vor. Seit sie sich unter öffentlicher Be-
obachtung wissen, geben sie sich zwar
einen zivileren Anstrich und kündigen
schon mal Tanzkurse an. In älteren Pos-
tings aber wurden die paramilitärischen
Anklänge kaum verborgen.
Noch im Juni und Juli 2018 bot Uniter in
Heilbronn auch für „Zivilisten ohne be-
sondere Vorkenntnis“ Übungen im Schie-
ßen in der Gruppe und aus der Deckung an
sowie einen Kurs im „Reaktions-Schießen“


  • eigentlich nichts für Zivilisten, sondern
    eine Spezialität des KSK. Beim Reaktions-
    schießen „sollen feindliche Stellungen
    möglichst ohne Unterbrechung mit Feuer
    belegt werden“, heißt es in einem KSK-
    Schreiben vom April 2014.
    „Kampfmäßiges Schießen“ dürfen laut
    Gesetz in Deutschland „nur Spezialkräfte
    der Behörden durchführen“, sagt der Bun-
    desverband der Sicherheitswirtschaft –
    außer es wurde als „Verteidigungsschie-
    ßen“ unter strengen Auflagen genehmigt.
    Die Waffenbehörden der Stadt und des
    Landkreises Heilbronn sagen, sie hätten
    keine solche Schießübung genehmigt. Bei
    Uniter behauptet man jetzt entgegen dem
    Wortlaut der eigenen Einladung, dass sich
    die Übung ja „nicht an Zivilisten“ gewandt
    habe – ganz so, als sei der Verein selbst sehr
    wohl eine militärische Organisation.
    Die Linken-Abgeordnete Martina Ren-
    ner verlangt von den Bundesbehörden,
    „dass sie endlich für konsequente und um-
    fassende Ermittlungen sowie Aufklärung
    sorgen“. Tatsächlich ist es verwunderlich,
    wie weitestgehend unbehelligt der Verein
    sich bisher paramilitärisch gerieren durf-


te. Auf der Uniter-Weihnachtsfeier im De-
zember 2017 in Fulda führte ein Team in
Flecktarn und Schutzwesten die Versor-
gung eines Verwundeten vor – ein Szena-
rio, als wappnete man sich militärisch für
den Katastrophenfall. Ein paar Monate
später suchte ein Chat-Teilnehmer einen
Fallschirm-Trainer für „Gepäcksprünge“
und „taktisches Springen“. Beim Verband
für den Fallschirmsport schütteln sie da-
rüber die Köpfe: „Taktisches Springen“ sei
„kein Bestandteil der zivilen Ausbildung“.
Uniter behauptet jetzt allen Ernstes, es
hätte sich „um eine Anfrage der US Army“
gehandelt, die sich „an aktive Soldaten und
zertifizierte Ausbilder wendet“.

Z


um Jahresabschluss feierte Uniter im
November 2018 hoch über dem Rhein
auf dem Drachenfels nahe Bonn. Zuvor
sollten teilnehmende „Uniformträger“ Pro-
grammpunkte wie „Marsch“ und „Flaggen-
parade“ wirklich „sauber einstudiert“ haben


  • mahnte D’Arcangelo vorher im Chat.
    Besonders Anlehnungen an Symbole
    und Praktiken der sagenumwobenen Bun-
    deswehr-Spezialeinheit KSK scheinen die
    Uniter-Mitglieder zu schätzen. Das Ver-
    einssymbol mit Schwert und Eichenkranz
    ähnelt einem auf den Kopf gedrehten KSK-
    Abzeichen. Und wie bei der sogenannten
    Höllenwoche, in der das KSK die Eignung
    möglicher Rekruten prüft, laden sich auch
    Uniter-Leute für Gewaltmärsche schon
    mal kiloschwere Baumstämme auf den Rü-
    cken. Bei Uniter versichern sie, das diene
    nur der „Teambildung“.
    Im Oktober 2018 organisierte der Verein
    auch ein „Eignungsfeststellungsverfah-
    ren“ im badischen Mosbach, zu dem auf-
    reibende Touren durch den Wald gehörten.
    Es sei „für unsere Kommandoanwärter“ ge-
    dacht, schrieb D’Arcangelo im Chat.
    „Unterwegs immer schön an die Aufgaben
    denken, Formation halten und auf Feind-
    kontakt vorbereitet sein“ – so resümierte
    ein Teilnehmer die Prüfung.
    Sie alle bekamen hinterher ein Abzei-
    chen, auf dem ein Wolf die Zähne fletscht.
    „Ich bin stolz darauf, ein Teil des Wolfs-
    rudels sein zu dürfen“, schrieb einer von
    ihnen. Der Verein, so soll es einmal ein
    Mitglied gesagt haben, sei „ein Pakt der
    Wölfe, der die Schafherde kontrollieren
    sollte“. Die Schafherde, das sei das deut-
    sche Volk. 2


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