Frankfurter Allgemeine Zeitung - 17.08.2019

(Tuis.) #1

SEITE 4·SAMSTAG, 17. AUGUST 2019·NR. 190 Politik FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


mwe.BERLIN, 16. August. Darf ein
hoher Bundeswehroffizier vor der
Wahl der AfD warnen? Darf er seine
Sicht auf eine Partei als seine private
Meinung äußern, wenn er es vor ande-
ren Soldaten in den Diensträumen tut?
Die AfD hat die Suspendierung von Ge-
neralmajor Reinhardt Zudrop verlangt,
dem Kommandeur des Zentrums Inne-
re Führung in Koblenz. Zudrop soll am


  1. Juni „vor versammelter Mann-
    schaft“ gesagt haben, dass die AfD kei-
    ne „von Soldaten wählbare Partei“ sei,
    da es „in der AfD Rechtsextremisten“
    gebe. So schreibt es der AfD-Bundes-
    tagsabgeordnete Rüdiger Lucassen in
    einem Brief vom 14. August an Verteidi-
    gungsministerin Annegret Kramp-Kar-
    renbauer, der dieser Zeitung vorliegt.
    Er bezieht sich darin auf die Eingabe
    über den Vorfall, die zwei Tage zuvor
    beim Wehrbeauftragten des Bundes-
    tags, Hans-Peter Bartels, eingereicht
    worden war. Zudrop habe seine Stel-
    lung als Kommandeur missbraucht, um
    seine Untergebenen zu beeinflussen
    und damit gegen das staatliche Neutrali-
    tätsgebot verstoßen, schreibt Lucassen
    und fordert die „sofortige Suspendie-
    rung“ des Generalmajors. Das Zen-
    trum Innere Führung bestreitet nach In-
    formationen der Zeitschrift „Der Spie-
    gel“ die Darstellung der AfD in Teilen:
    Zwar habe eine interne Dienstver-
    sammlung mit Weiterbildung am 24.
    Juni stattgefunden. Zudrop habe dabei
    aber in einer „ausdrücklich als seine
    persönliche Auffassung gekennzeichne-
    ten Stellungnahme“ gesagt, dass er die
    AfD nicht wählen könne, da der „Flü-
    gel“, die rechtsnationalistische Partei-
    strömung, „eindeutig extremistische Po-
    sitionen“ vertrete. Den Anwesenden
    habe der General eine kritische Ausein-
    andersetzung mit Parteiprogrammen,
    auch mit dem der AfD, empfohlen. Das
    Verteidigungsministerium teilte mit, es
    prüfe den Vorgang.
    Anlass für Zudrops Äußerungen war
    nach übereinstimmender Aussage der
    AfD und des Zentrums Innere Füh-
    rung ein Interview des CDU-Politikers
    Friedrich Merz. Der hatte davor ge-
    warnt, dass die Union große Teile der
    Bundeswehr und der Polizei an die
    AfD verliere. Lucassen ist der Auffas-
    sung, dass gegen Zudrop ermittelt wer-
    den müsse, selbst wenn er seine Aus-
    führungen als persönliche Meinung
    kenntlich gemacht habe. Es gelte für ei-
    nen militärischen Vorgesetzten das Ge-
    bot der Mäßigung, erst recht, wenn er
    sich in Uniform und in den Diensträu-
    men der Bundeswehr äußere. Aller-
    dings gilt das Mäßigungsgebot auch für
    ehemals aktive Soldaten, etwa den
    Oberst a. D. Rüdiger Lucassen.


STUTTGART,16. August


S


eitHerbst 2017 steht die „Landshut”
in einem Flugzeughangar in Fried-
richshafen. Unter dem seitlichen
Cockpitfenster ist auf einer tellergroßen
Fläche die Dispersionsfarbe abgeschliffen
worden. Die Techniker wollten ausprobie-
ren, ob man die Außenhaut wieder in den
ursprünglichen Zustand versetzen kann.
Ansonsten ist mit der im Oktober 1977
von einem palästinensischen Terrorkom-
mando entführten Maschine zur Freipres-
sung der RAF-Terroristen seit zwei Jahren
nichts passiert.
Im Bundestagswahlkampf 2017 hatte
der damalige Außenminister Sigmar Ga-
briel (SPD) die Maschine aus Geldern des
Auswärtigen Amtes gekauft und aus dem


brasilianischen Fortaleza mit Hilfe der
Lufthansa nach Friedrichshafen fliegen
und in David Dorniers privatem Flugzeug-
museum unterbringen lassen. Nach Infor-
mationen dieser Zeitung steht das Projekt
nun vorerst vor dem Aus: Eine für Septem-
ber geplante Sitzung des wissenschaftli-
chen Beirats, der derzeit ein Ausstellungs-
konzept diskutiert, ist abgesagt worden,
weil David Dornier den Wunsch von Kul-
turstaatsministerin Monika Grütters
(CDU), die jährlichen Betriebskosten in
Höhe von etwa 250 000 bis 300 000 Euro
zu übernehmen, offenbar nicht erfüllen
will. „Alternative Standortoptionen wer-
den seitens der Staatsministerin für Kultur
und Medien erwogen“, teilte eine Spreche-
rin von Monika Grütters mit. „Die Staats-
ministerin hat Herrn Dornier gegenüber
keine Zusage über den Verbleib der ,Lands-
hut‘ gemacht.“ Voraussetzung für die Reali-
sierung des Projekts durch die Dornier-Stif-
tung für Luft- und Raumfahrt (DSLR) sei
die „vollständige Finanzierung der Kosten
für den laufenden Betrieb der ,Lands-
hut‘-Ausstellung durch die Stiftung sowie
der Fortbestand des Museums über eine
Laufzeit von mindestens 20 Jahren“.
Ein Sprecher der Dornier-Stiftung sagte
zwar, man sei mit der Ministerin „im Aus-
tausch“. Aus seiner Stellungnahme wird
aber deutlich, dass Monika Grütters in Ber-
lin und die Dornier-Stiftung am Bodensee
vor einem unlösbaren Konflikt stehen und
Gabriel ihnen eine große Hypothek hinter-
lassen hat: „Die Dornier Stiftung hat seit
Beginn des Projekts betont, dass sie sich
nicht an den Kosten für den Betrieb beteili-
gen kann. Sie kann für die Ausstellung ein
Grundstück mit Anbindung an das Dor-
nier Museum zur Verfügung stellen und
mit Logistik sowie Knowhow unterstüt-
zen. Eine Beteiligung an den Betriebskos-
ten ist der Stiftung aus aufsichtsrechtli-
chen Gründen nicht möglich.“ Anders ge-
sagt: Verhandlungsspielräume gibt es
nicht mehr. Finanzierungsalternativen
gibt es kaum, denn die Subventionierung
privater Museen ist rechtlich und politisch
schwierig.
Die „Landshut” wird in absehbarer Zeit
einen neuen Standort benötigen. Auch die
Leiterin des baden-württembergischen
„Hauses der Geschichte“ in Stuttgart, Pau-

la Lutum-Lenger, wies darauf hin, dass
eine endgültige, wissenschaftlich fundier-
te Ausstellung nicht erarbeitet werden
kann, solange der Standort der „Landshut”
nicht bestimmt sei. „Die bereits geleisteten
Recherchen und die bereits angestellten
konzeptionellen Überlegungen sind nicht
strikt an einen Standort gebunden. Gleich-
wohl muss sich das endgültige Ausstel-
lungskonzept am Standort orientieren. In-
sofern ist jedes Konzept standortabhän-
gig“, sagte Lutum-Lenger.
Um die Geschichte der Entführung der
Boeing 737-200C zu erzählen, das Schick-
sal der Opfer zu dokumentieren, den politi-
schen Kontext zum deutschen Linksterro-
rismus herzustellen und auch die Befreiung
durch die Eliteeinheit GSG 9 darzustellen,
ist der Ausstellungsort nicht unerheblich.
In der Bodenseeregion gibt es nur schwa-
che Bezüge zur RAF-Geschichte: Im Mai
1977 hatte die Polizei die RAF-Terroristen
Verena Becker und Günter Sonnenberg in
Singen verhaftet. 1985 ermordeten Terro-
risten Ernst Zimmermann, der Vorstands-
vorsitzender des in Friedrichshafen ansässi-
gen Triebwerksherstellers MTU war.
Wenn sich die Bundesregierung dafür
entschiede, das Flugzeug in die Obhut des
Bonner „Hauses der Geschichte“ zu geben,

würde es anders aussehen: Wenige Meter
entfernt vom 1994 auf Initiative des frühe-
ren Bundeskanzlers Helmut Kohl (CDU)
gegründeten Museums tagten der große
und der kleine Krisenstab im Kanzleramt,
als die RAF die Bundesrepublik mit Ent-
führungen und Anschlägen in ihren Grund-
festen erschütterte. Zu kaum einem ande-
ren Museum und an kaum einem anderen
Ort in Deutschland würde eine Ausstel-
lung über die „Landshut”, den „Deutschen
Herbst“, die RAF und den Krisenkanzler
Helmut Schmidt (SPD) besser passen. Al-
lerdings müsste in Bonn ein neuer Außen-
standort mit einem Hangar für die „Lands-
hut” gebaut werden.
Monika Grütters war von dieser Varian-
te durchaus angetan, als sie das Projekt
vom Auswärtigen Amt übernehmen muss-
te. Nur Hans Walter Hütter, CDU-Mitglied
und eigentlich ein umgänglicher Rheinlän-
der, wollte der Ministerin diesen Gefallen
partout nicht tun: Er bot lediglich an, viel-
leicht eine Tür der „Landshut” auszustel-
len. Aus Sicht vieler Fachhistoriker ist da-
mit eine Chance vertan worden. Hütter
bleibt aber bis heute bei seiner Auffassung:
„Wir haben aus museologischen und prak-
tischen Gründen von Beginn an abgeraten,
die „Landshut” als komplettes Flugzeug

nach Deutschland zu überführen“, sagte
Hütter. Nur Einzelteile könnten „ihre iko-
nographische Bedeutung“ in der Daueraus-
stellung seines Hauses entfalten, denn
dort könnten diese neuen Objekte „andere
eindrucksvolle Exponate“ ergänzen, die
sich mit der Geschichte der RAF beschäf-
tigten. Auch angesichts der neuen Lage
bleibt er bei seiner Haltung: „Der Präsi-
dent der Stiftung Haus der Geschichte der
Bundesrepublik Deutschland ist kein wei-
sungsgebundener Beamter der Staatsminis-
terin für Kultur und Medien. Es gibt auch
keine Weisungen aus dem Kulturstaatsmi-
nisterium“, sagte er dieser Zeitung. Hütter
ist wahrscheinlich sogar bis Ende 2021
noch im Amt.
Diskutiert wird noch, ob man die
„Landshut” nicht in Stuttgart-Stammheim
neben dem seit Anfang des Jahres unge-
nutzten Mehrzweckgebäude, in dem die
größten RAF-Prozesse geführt worden
sind, unterbringen könnte. Möglicherwei-
se wird das Gebäude unter Denkmalschutz
gestellt. Der baden-württembergische Jus-
tizminister Guido Wolf (CDU) will das Ge-
bäude abreißen lassen, um ein dringend be-
nötigtes Haftkrankenhaus zu bauen. Des-
halb dürfte die „Landshut” noch einige
Zeit heimatlos bleiben.

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Lt.BERLIN, 16. August.Der lettische
Staatspräsident Egils Levits hat
Deutschland aufgefordert, sich interna-
tional stärker zu engagieren. Levits, der
am Freitag seinen Antrittsbesuch in
Berlin absolvierte, sagte, die Bundesre-
publik müsse „mehr Verantwortung in
der Welt übernehmen“. Deutschland
müsse in einer Weise handeln, die „sei-
ner ökonomischen und politischen
Macht entspricht – auch auf militäri-
scher Ebene“, sagte der lettische Präsi-
dent, der einen Teil seiner Jugend in
Westdeutschland verbrachte. Er war
nach dem Untergang der Sowjetunion
und der Wiedergründung der lettischen
Republik außerdem der erste Botschaf-
ter seines Landes in Deutschland. Er
wurde am Freitag von Bundespräsident
Frank-Walter Steinmeier mit militäri-
schen Ehren empfangen und hatte
auch eine Unterredung mit Bundestags-
präsident Wolfgang Schäuble.
Levits sagte vor dem Besuch in Ber-
lin im Gespräch mit der Deutschen
Presse-Agentur, er habe keine Angst
vor einer deutschen Dominanz in Euro-
pa. Deutschland habe immer sehr gut
mit seiner Größe umgehen können und
die Interessen der anderen Mitglieds-
länder der EU berücksichtigt, vor allem
der Länder Mittel- und Osteuropas.
Der lettische Präsident gab an, er „ver-
binde mit Deutschland eine Politik der
Verantwortung“. Mit Blick auf die EU
sagte er, es gebe gegenwärtig eine „Pha-
se der Desorientierung“. Die Integrati-
on Europas stagniere; es seien „intensi-
ver Dialog“ und Kompromisse nötig.

Herr Jung, Sie sind am Bodensee aufge-
wachsen und leben auf der Insel Rei-
chenau. Spüren Sie die Folgen des Kli-
mawandels im Alltag?
Der Klimawandel hat den Bodensee er-
reicht, er betrifft unsere Heimat. Natur
und See verändern sich, der Wald ist be-
droht. Landwirte und Förster erleben das
massiv. Sie leiden darunter und sagen, Hit-
ze, Sturm, Hagel, das habe es früher nicht
in dieser Häufung gegeben. Wenn man
hier lebt, dann bringt das eine Sensibilität
für die Natur mit sich. In den siebziger Jah-
ren stand der See vor dem Umkippen, mit
entschiedenem Handeln konnte man es
verhindern. Und so müssen wir heute ge-
gen die Erderwärmung angehen.


Die Bundeskanzlerin hat sich 2007 als
EU-Ratspräsidentin stark für den Klima-
schutz eingesetzt. Für das Jahr 2020 wur-
den ehrgeizige Ziele formuliert, die man
dann verfehlte. Heute gelten die Grünen
als die Klimaschutzpartei schlechthin.
Warum hat Ihre Partei das Thema aus
den Augen verloren?


Die Kanzlerin hat große Verdienste bei
der Durchsetzung des Pariser Abkom-
mens. Zudem sind wir das einzige Indus-
trieland, das gleichzeitig aus Kernenergie
und Kohle aussteigt. Das ist ein großer
Schritt und eine gewaltige Aufgabe. Lei-
der trat in den letzten Jahren der Klima-
schutz durch Wirtschafts-, Euro- und
Flüchtlingskrise in den Hintergrund.
Auch deshalb ist eine Lücke entstanden
zwischen selbstgesetzten Klimazielen und
Erreichtem. Die gilt es jetzt zu schließen,


wir haben großen Handlungsdruck. Wir
müssen jetzt schnellstens das für 2020 an-
gestrebte Ziel schaffen, sicherstellen, dass
wir die Zielmarke für 2030 verlässlich er-
reichen und dann bis 2050 Klimaneutrali-
tät angehen, die grüne Null.

Wie schließen Sie die Flanke?
Mit einem Klimaschutzgesetz für alle
Sektoren, Energie, Wirtschaft, Verkehr,
Gebäude, Landwirtschaft und Forst.
Dazu müssen wir auch das System aus
Steuern und Abgaben so grundlegend re-
formieren, dass es eine klare Wirkung für
CO 2 -Einsparung entfaltet. Das Volumen
aller Energieabgaben beträgt derzeit
rund 80 Milliarden Euro. Das ist be-
stimmt nicht zu wenig. Aber zu oft steu-
ern wir falsch. Wir brauchen eine konse-
quente Ausrichtung auf Klimaschutz.

In welchem Bereich müssen die größten
Anstrengungen unternommen werden?
Große Sorgenkinder sind die Bereiche
Verkehr und Gebäude. Da brauchen wir
einen CO 2 -Deckel. Das erreichen wir nur
mit einem an Zielen orientierten Zertifi-
katehandel, nicht durch eine zusätzliche
Steuer. Veränderungen sind notwendig,
aber wir müssen die Menschen dabei mit-
nehmen. Denn wir wollen die schwarze
und grüne Null, aber keine gelben Wes-
ten! Deshalb darf nicht alles auf einen
Schlag kommen, und es muss auch Entlas-
tungen geben. Wir brauchen Unterstüt-
zung bei Umstieg und Umbau und eine be-
sondere Berücksichtigung des ländlichen
Raums, etwa der Situation von Men-

schen, die für ihre Arbeit heute aufs Auto
angewiesen sind.

Sie schlagen ziemlich unkonkret einen
„CO 2 -Deckel“ vor. Was werden die zen-
tralen und wirkungsvollsten Instrumente
zur Reduzierung von Treibhausgasen
sein?
Auch die Wirtschaftsweisen empfehlen
den Emissionshandel als wirksamstes Kli-
maschutzinstrument. Denn mit ihm kann
man tatsächlich deckeln, durch die schritt-
weise Reduzierung der Zertifikate. Das ist
auch gut umsetzbar: Nicht Autofahrer oder
Hausbesitzer brauchen
Zertifikate, sondern
Raffinerien. Das träfe
dann etwa 120 Markt-
teilnehmer in Deutsch-
land. Wir haben Erfah-
rung mit dem europäi-
schen Emissionshan-
del für Industrie und
Energie. Bei Wärme
und Verkehr könnten
wir ein nationales Zer-
tifikatesystem etablieren, ohne auf die EU
zu warten. Wenn der politische Wille da
ist, kann das zeitnah umgesetzt werden.

Kritiker der deutschen Klimaschutzpoli-
tik sagen, der Anteil Deutschlands an
den CO 2 -Emissionen liege gerade mal
bei zwei Prozent, ein Umbau des Steuer-
systems und der Gesellschaft sei völlig
übertrieben.
Unser Anteil an der Weltbevölkerung ist
rund ein Prozent, pro Kopf liegen wir also

deutlich über dem Schnitt. Natürlich ist das
eine globale Frage, Papst Franziskus
spricht von der Verteidigung der Mutter
Erde. Unsere Verantwortung ist, unseren
Teil beizutragen. Wir müssen als Industrie-
land zeigen, dass sich Klimaschutz mit
Wohlstand und Mobilität vereinbaren lässt.

Sie sagen, es gebe hinreichend Steuern,
aber zu wenig Steuerung in der Umwelt-
politik. Welche konkreten Reformen im
Steuersystem planen Sie?
Wir sollten die EEG-Umlage und die
Stromsteuer so schnell wie möglich ab-
bauen und so die Stromkunden entlas-
ten. Nicht Ökostrom-Bezieher sollten Er-
neuerbare finanzieren, sondern CO 2 -Ver-
ursacher. Die Umlage verteuert zudem
Strom, der andererseits zunehmend für
E-Mobilität und Wärmepumpen ge-
braucht wird.

Wie wird der Verkehrssektor klima-
freundlicher?
Wir müssen Fehlanreize beseitigen.
Die klimafreundliche Schiene wird heute
stärker belastet als der Flugverkehr.
Wenn nun CO 2 zum Maßstab wird, muss
sich das ändern. Wir sollten die Mehr-
wertsteuer der Bahn senken und die Ti-
cketabgabe für Inlandsflüge erhöhen.
Auch die Pkw-Besteuerung sollte sich am
CO 2 -Ausstoß orientieren. Ich plädiere zu-
dem für eine Lkw-Maut ab 3,5 Tonnen
und auf allen Straßen, bei der das Hand-
werk weiter außen vor bleibt. Die zusätzli-
chen Bundesmittel müssten in den Schie-
nengüterverkehr fließen. Mit Ländern

und Kommunalspitzen sollte vereinbart
werden, dass sie mit ihren Einnahmen
den ÖPNV stärken.

Wird es die Abwrackprämie für alte Öl-
heizungen geben?
Wir brauchen endlich die Steuerförde-
rung der energetischen Sanierung, für
Hülle und Heizung. Und ergänzend eine
Abwrackprämie, natürlich ökologisch aus-
gestaltet. Das Tempo beim Austausch von
Heizungen muss verdoppelt werden, sie
machen ein Drittel des Endenergiever-
brauchs aus.
Wo sollte sich die CDU in der Klima-
schutzpolitik von den Grünen unterschei-
den?
Wir verbinden Klimaschutz im Sinne
umfassender nachhaltiger Entwicklung
von vorneherein mit Wirtschaft und So-
zialem. Bei den Grünen hat die Nachhal-
tigkeit oft eine Schlagseite. Anders als
für Robert Habeck ist die schwarze Null
für uns nicht nur irgendeine haushalteri-
sche Nummer, sondern ein Ausdruck von
Generationengerechtigkeit. Wir wollen
unseren Kindern keine Müllberge hinter-
lassen, Schuldenberge aber auch nicht.
Schon weil wir nicht wissen, welchen gro-
ßen Herausforderungen sie oder unsere
Enkel gegenüberstehen. Deshalb wollen
wir die schwarze durch die grüne Null er-
gänzen, nicht ersetzen! Investitionen
sind nötig, aber dafür brauchen wir nicht
neue Schulden, sondern klare Prioritä-
ten.
Die Fragen stellteRüdiger Soldt.

„Wir wollen weder Müll- noch Schuldenberge hinterlassen“


Foto Picture Alliance/dpa


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Levits appelliert


an Deutschland


Bleibt vorerst heimatlos:Noch steht die „Landshut“ am Bodensee. Foto Dominik Gierke


Im Gespräch: Andreas Jung (CDU), Leiter der „Koordinierungsgruppe Klima“, über neue Abwrackprämien, Generationengerechtigkeit und die Grünen


Europa
Daniel Cohn-Bendit über
Deutschland, Frankreich und die EU.

Kompanie


stillgestanden,


Augen rechts


Wohin mit sperriger


Erinnerung?


Andreas Jung


Klima
Wie sich Städte gegen Hochwasser
und Starkregen wappnen.

Für die Herstellung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wird ausschließlich Recycling-Papier verwendet.


Zwei Jahre, nachdem die „Landshut“ aus Brasilien


nach Deutschland zurückgeholt wurde, ist offen,


ob es jemals eine historische Ausstellung geben


wird.Von Rüdiger Soldt


Depressionen
Immer mehr Kinder sind betroffen.
Warum?
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