Berliner Zeitung - 17.08.2019

(Sean Pound) #1
Berliner Zeitung·Nummer 190·17./18. August 2019–Seite 17*
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Berlin

AM WOCHENENDE


BerlinerFundstücke:


Brezeln,Laser,Kiez-Gefühl


SchönesWochenende Seite 19


WankendimWind:


SurfenlernenaufdemMüggelsee


Berlin bewegt sich Seite 20


Familienausflug


Spielenund


bauenmitHolz


M


it KindernMuseen undGale-
rien zu besuchen, ist wunder-
schönundzugleichheikel.Mansieht
vielesmitneuenAugen,wegenihres
StaunensundihrerFragen,ihrerThe-
sen und Theorien.Aber Kinder wol-
len nicht nur mit denAugen sehen.
Siewollenimmerallesanfassen.Im-
mer.Alles.ObimS upermarkt,imZoo
oderebenimMuseum.
Nunstehen aber,abgesehenvon
einigen Mitmachmuseen, in diesen
Häusernimmer diese Schilder.

Überall!„Bittenichtberühren“steht
darauf. Wenn sie höflich formuliert
sind.GespannteBänderundGelän-
der halten dieBetrachtervonden
wertvollen Exponaten fernund zu-
sätzlich passt Wachpersonal auf,
dass niemand derKunst zu nahe
kommt.
Dasist nachvollziehbar–aber
Kinderhände machen eben, was sie
wollen, das haben dieBesitzer der
HändeoftgarnichtunterKontrolle.
Im Felleshus,dem Gemeinschafts-

haus derNordischen Botschaften,
müssensiedasauchnicht.Diefinni-
sche Ausstellung„WildWildWood“,
in der sich alles umHolz, im Wald
und in derStadt, alsBaustoff und
Baum,dreht, fordertsogar zum An-
fassen,SpielenundSelberbauenauf.
Immer.Mitallem.

Wild Wild WoodDiefinnischeAusstellung zum
Anfassen. Felleshus Nordische Botschaften,
Rauchstr.1,Tiergarten. Sa u. So 11–16 Uhr,
Eintritt frei

VonBarbaraWeitzel

Anfassen erlaubt–Holzkunst imFelleshus BERNHARD LUDEWIG

Nordische


Botschaften


TinaHüttlwarimPalsta


amTempelhoferFeld.Undwünschtsich,


siekönntejedeWocheeinmaldortsitzen


undsogutessen


BERLINER ZEITUNG/MARKUS WÄCHTER

Schillerpro Hermannstr.

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Lichtenrader Str

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Herrfurth

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Selchowerstr.

Oderstr.

50 m

Leinestr.

Palsta

BLZ/FISCHER

I


nmanchen Wochen gehe ich
zwei-,dreimalessen.Esmacht
mir immer nochrichtig Spaß,
im Restaurant zu sitzen, mehr
sogaralsamAnfangmeinerKritiker-
arbeit. DieErfahrung hat mich
selbstsicherergemacht.
IndenmeistenFällengefälltmir,
was serviertwird. Richtig ärgern
muss ich mich eher selten.Wenn es
trotzsorgfältigerVorauswahleinmal
widerErwartenunterirdischist,sind
SiedieErsten,dieeserfahren.
Wasmir ebenso selten passiert,
ist, dass mich einAbend in einem
Lokal ein bisschen traurig stimmt.
Doch genau so ist es mir imPalsta,
das voreinem Jahr
direkt am Tempel-
hofer Feld eröffnet
wurde ,ergangen.
Es ist ein tolles
Restaurant, um das
gleich zu sagen.Ei-
nige Kollegen prie-
sendienordischan-
gehauchte Küche,
die dortserviert
wird, als beste neue
Errungenschaft an.
Siehabenrecht.Da-
für sprechen allein
schon die zuBeginn servierten, ge-
schmacklich intensivenFrühlings-
kartoffeln mit einer fantastischen
MayonnaisesamtLiebstöckelaroma
und knusprigen Roggenkrümeln.
Dazu ein noch warmesSauerteig-
brot in einenTomatensalat getunkt,
dermitderreduziertenunderkalte-
tenBrüheausebendiesenTomaten
angemachtist.Himmlisch!
DasPalstaisteineabsoluteBerei-
cherung für dieStadt. Warumalso
stimmt mich seine Entdeckung
dann zugleich auch etwas trübsin-
nig? Einer derwenigen Wermuts-
tropfen an meinem großartigenBe-
rufist,dassichfastniedasselbeRes-
taurant mehrmals besuche.Einen
Lieblingsladen, wie viele ihn haben,
erlaube ich mir höchstens imKopf.
Ichmussschonreinberuflichimmer
wiederNeuesentdecken.DasPalsta
wirdleidernichtmeinStammrestau-
rantwerden.Schade!
Weil ich das wusste,habe ich so
viel wie möglich ausprobiert.Die
Empfehlunghierlautet:Teilen.Zwi-
schen Haupt- undNebengerichten
wirdnicht wirklich unterschieden.
DiePreisesindmehralsfairberech-
net,vorallemwennmandieQualität
beachtet.SogutesGemüse,wieetwa
diebereitserwähntenjungenKartof-
feln, dieWildkräuter,die Kirschto-
maten, bekommt man vielleicht,
wennmansieselbstanbaut.Angeb-
lich macht das der Koch Filip
Søndergaardauch. Dazu kursiert
eine schöne Legende:DerName
Palstaistfinnisch,wiedieinHelsinki

gebürtigeWirtin, und bedeutet so
viel wie Schrebergarten. Es heißt
nun, dieWirtin habe ihrenKoch in
einem Schrebergarten imWedding
entdeckt.Eigentlich hatte sich der
Koch nach seinem letztenJobdort-
hin zurückgezogen, um sich aus-
schließlich der Tomatenzucht zu
widmen.
Wahristsicherlich,dassimPalsta
derGeschmackderZutatenanerster
Stellesteht.KeinGerichtfälltgegen-
überdemanderenab,dasziehtsich
vomGemüsehinzumFischundden
Schweinerippchen, das einzige
FleischgerichtaufderKartebeimei-
nem Besuch. VomSchwein gibt es
neben süßsauer la-
ckierten Rippen ein
knuspriges,fett-
durchzogenes
Bauchstück,dasnur
sovorAromastrotzt.
Dieleicht scharfe
Brennnessel-Gre-
molata passt mit ih-
renerdigen Noten
als Kontrast, beson-
ders Spaß machen
aber die lila
Chicoréeblätter,die
man mit ihrem es-
sigsüßenDressing wie Chips dazu
wegknabbert.
Einweiteres Highlight war das
CevicheausKabeljauundGarnelen,
hieristesalserfrischendesundcre-
migesLöffelgerichtinterpretiert.Die
Limettensäureist mit etwasSauer-
rahm abgemildert, was wunderbar
passt. Unddie Meerrettichwurzel,
die zuletzt auf Fisch, längs ge-
schnitzteGurkeund süß eingelegte
Zwiebeln gehobelt wird, zieht das
peruanischeNationalgerichtineine
nordischeRichtung.ZudenSpeisen
wirdimP alstaausschließlichNatur-
wein ausgeschenkt,weil er –sod ie
Wirtin –ihrer Idee,wie eine gute
Landwirtschaft funktionieren soll,
näherkommt.
Ichwünschte,ich könnte jede
Wocheim Palstasitzenundsogutes-
sen.Gehtleidernicht,wietraurig.

PalstaOderstraße52, Neukölln. Dienstag
bisSonnabend 18–24 Uhr
Alle GerichtezumTeilen:3–16 Euro.

AUFGETISCHT


Tina Hüttl
war im RestaurantPalsta.
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