EIN PRINZ
AUSSER KONTROLLE
Er mordet, misshandelt
Diener und terrorisiert
den Hof: Deshalb lässt
König Yeongjo 1762
seinen eigenen Sohn
grausam hinrichten
Von Manuel Opitz
D
ie Reiskiste ist fest zuge
schnürt. Seit Tagen schon
steht sie auf dem königli
chen Palastareal in Seoul
herum, im Juli 1762, mit
ten im Hochsommer. Bislang hat nie
mand gewagt, sie zu öffnen - obwohl
Klagelaute aus ihr dringen. In der Kiste
liegt niemand Geringeres als der korea
nische Thronnachfolger Prinz Sado.
Der Mann, der ihn hineingezwungen
hat, ist sein eigener Vater.
König Yeongjo verzweifelt an sei
nem Nachwuchs. 52 Jahre, bis 1776,
regiert er Korea, so lange wie kein an
derer Herrscher (länger sogar als der
nordkoreanische Staatsgründer Kim 11-
sung). Die Joseon-Dynastie hat die In
vasionen der Japaner und Mandschu im
- und 17. Jahrhundert überlebt. Nicht
etwa, weil ihre Monarchen so stark ge
wesen wären. Die zerstrittenen Clans
im Land, die die Minister stellen, haben
jeweils nur einfach nicht genug Macht,
um das Herrscherhaus zu stürzen. Kö
nig Yeongjo bekommt die rivalisieren
den Fraktionen in den Griff und sorgt
für inneren Frieden im Land.
Ein Erfolg, der ihm bei seiner Familie
gründlich misslingt. Da sein erster Sohn
früh gestorben ist, ernennt Yeongjo
1749 den zweitgeborenen Sado, gerade