Im frühen 20. Jahrhundert besetzen
die Japaner die koreanische Halbinsel.
Als sie in den Zweiten Weltkrieg ziehen,
verschleppen die Soldaten 200 000
Koreanerinnen, um sie zur Prostitution zu
zwingen. Die Opfer leiden noch heute
Von Tanja Beuthien
A
m Ende ihres Lebens sitzt
Kim Bok-dong in einem
hellen Raum und weint.
Sie weint über die Verlet
zungen, die man ihr zuge
fügt hat. Um das Kind, das sie nicht sein
durfte. Die Frau, die sie nicht werden
konnte. Und sie weint um ein ganzes
Leben, das sie nicht gelebt hat. In dem
Dokumentarfilm, den der Sender Asian
Boss im vergangenen Jahr gedreht hat,
ist eine schmale Frau mit grauem, glat
ten Haar, mit Brille und geblümter Bluse
zu sehen. 92 Jahre alt ist Kim Bok-dong
zum Zeitpunkt des Interviews. "Sie hö
ren das alles vielleicht zum ersten Mal",
sagt sie. "Aber für mich ist es jedes Mal
wieder schmerzhaft."
Sie erinnert sich noch, als die Män
ner zu ihrer Familie nach Hause kamen.
14 Jahre ist sie damals, die vierte von
sechs Töchtern einer Familie in Yangsan
in Südkorea. Ihre Mutter erklärt ihr, sie
würde in eine Fabrik gebracht werden,
wo sie Uniformen nähen sollte. Die
Männer "versprachen meiner Mutter,
sie würden mich wiederbringen, wenn
ich alt genug wäre zu heiraten". Kim
Bok-dong ging mit ihnen mit - sie hat
te auch keine andere Wahl. Ihre Eltern
wären sonst ins Exil geschickt worden,
man hätte der Familie alles genommen.
Damals waren bereits alle jungen ko-
HARTES SCHICKSAL
Die Japaner nannten die
Gefangenen. die ihnen in
Militärbordellen (l.) zu Willen
sein mussten. euphemistisch
.. Trostfrauen". Die schwangere
Koreanerin (r.} verlor ihr Kind
reanischen Männer vom japanischen
Militär eingezogen worden, erzählt
Kim Bok-dong. Sogar die Schüler holten
sie aus den Schulen - nun nahmen sie
sich noch die Mädchen.
Seit Jahren schon lebten Koreaner
wie die Familie von Kim Bok-dong wie
Gefangene im eigenen Land. Der Impe
rialismus der Japaner hatte im Zweiten
Weltkrieg seinen Höhepunkt erreicht.
Begonnen hatte das japanische Vordrin
gen nach Korea aber viele Jahrzehnte
zuvor - mit einem Überfall. 1875 be
schossen die Truppen des Tenno die ko
reanische Insel Ganghwado im Gelben
Meer und zwangen das hermetisch ab
geschlossene und rückständige Agrar
land zu einem einseitigen Abkommen:
Korea, das bis dahin noch Tribut an Chi
na zahlte, musste drei seiner Häfen für
den Handel mit Japan öffnen.
D
as konnte der Kaiser im fernen
Peking nicht einfach hinneh
men. So führte der Vormarsch
der Japan er schließlich zum Ersten Chi
nesisch-Japanischen Krieg, der nach
acht Monaten 1895 mit einer Nieder
lage Chinas endete. Die Folge: Taiwan
kam unter japanische Verwaltung,
China musste Korea als unabhängigen
Staat anerkennen und die Liaodong
Halbinsel mit dem Hafen von Lüshun
kou (Port Arthur) an Japan abtreten.
Allerdings zwangen die Europäer
die japanische Regierung wenig später
dazu, auf den begehrten Marinestütz
punkt zu verzichten. Stattdessen kam
die Region unter russische Kontrolle.
Die Japaner aber schworen Rache für
diese Demütigung. 1904 griffen sie Port