SEITE 20·DIENSTAG, 13. AUGUST 2019·NR. 186 Unternehmen FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG
geg.FRANKFURT,12. August.Die Zu-
rückhaltung chinesischer Unternehmen
bei Übernahmen in Deutschland und Eu-
ropa hält an. Im ersten Halbjahr dieses
Jahres wurden in Europa nur 81 Übernah-
men und Unternehmensbeteiligungen ge-
zählt – 28 Prozent weniger als im Vorjah-
reszeitraum, als noch 113 europäische
Unternehmen einen chinesischen Eigen-
tümer bekamen. Da es in diesem Jahr bis-
her kaum große Transaktionen gab, ging
das Investitionsvolumen sogar um 84 Pro-
zent von 15,3 auf 2,4 Milliarden Dollar zu-
rück. Besonders stark sanken die Aktivi-
täten chinesischer Investoren in Deutsch-
land: Die Zahl der Zukäufe und Beteili-
gungen schrumpfte im Vergleich zum
Vorjahreszeitraum von 25 auf 11, das In-
vestitionsvolumen ging von 10,1 auf 0,
Milliarden Dollar zurück. Das sind die
Ergebnisse einer Studie der Beratungs-
gesellschaft EY, die jährlich die M&A-In-
vestitionen chinesischer Unternehmen in
Europa untersucht.
Sowohl in der europäischen als auch in
der deutschen Zahl muss man berücksich-
tigen, dass das Vorjahresvolumen durch
eine Einzeltransaktion verzerrt wurde.
Der chinesische Volvo-Eigentümer Geely
ließ sich seinen Einstieg bei Daimler von
9,7 Prozent fast 9 Milliarden Dollar kos-
ten. Rechnet man diese Einzelinvestition
raus, dann sieht der Rückgang in diesem
Jahr nicht mehr ganz so dramatisch aus.
Außerdem fällt in das zweite Halbjahr der
Erwerb von 5 Prozent der Daimler-Antei-
le für 2,4 Milliarden Euro durch die Bei-
jing Automotive Group (BAIC), die die
Jahreszahlen chinesischer Investitionen
in Europa wieder erheblich anhebt.
Yi Sun, Leiterin der China Business Ser-
vices Deutschland, Österreich und
Schweiz bei EY, sieht denn auch keinen
weiteren Rückgang, denn „das Interesse
chinesischer Unternehmen ist grundsätz-
lich weiterhin groß“. Derzeit seien chine-
sische Auslandsinvestitionen aber durch
die schwache Konjunktur im Heimatland
sowie durch den chinesisch-amerikani-
schen Handelskonflikt blockiert. Außer-
dem müssten chinesische Investoren die
Übernahmen der vergangenen Jahre erst
einmal entweder integrieren oder weiter
verkaufen.
Nach wie vor suchten chinesische Un-
ternehmen in Europa nach Zukunftstech-
nik. „Das beste Beispiel dafür ist die Ein-
kaufstour des chinesischen Evergrande-
Konzerns im Bereich der Elektromobili-
tät“, sagt Yi Sun. Evergrande hat sich im
ersten Halbjahr für 930 Millionen Dollar
mehrheitlich an dem Saab-Nachfolgeun-
ternehmen und Elektroautohersteller Na-
tional Electric Vehicle Sweden AB
(NEVS) beteiligt. Ein kleineres Engage-
ment war das bei Koenigsegg Automo-
tive, ebenfalls Schweden. In Deutschland
wurde der insolvente schwäbische Auto-
zulieferer SAM Automotive Group Teil
des chinesischen Fuyao-Konzerns. Außer-
dem ist die Textilkette Tom Tailor chine-
sisch geworden. Diese Übernahme steht
für den zweiten Trend neben dem Erwerb
moderner Technik, nämlich starke Mar-
ken zu erwerben.
Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit
sind im ersten Halbjahr die Japaner an
den Chinesen als Erwerber von Beteili-
gungen in Deutschland vorbeigezogen.
Während die Zahl japanischer Transaktio-
nen in Deutschland von 11 auf 18 in die-
sem Jahr (erste sechs Monate) gestiegen
ist, ging die Zahl der chinesischen Beteili-
gungserwerbe auf elf zurück. Das Interes-
se japanischer Investoren gilt dabei ganz
unterschiedlichen Engagements. Das In-
teresse japanischer Investoren war breit
gestreut von dem Zahlungsdienstleister
Wirecard bis zu Interprint, das Spezialpa-
piere für die Beschichtung von Möbel-
und Bodenplatten (Laminat) bedruckt.
cag./mj.HAMBURG/FRANKFURT, 12.
August. In der Schadenersatzklage von An-
legern gegen dieVolkswagen AGund die
Porsche Automobil Holding SEhat das
Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig
entschieden, dass nicht alle Ansprüche
dort verhandelt werden. Nach dem Teil-
Entscheid in dem Kapitalanleger-Muster-
verfahren sieht ein Spezialsenat für Forde-
rungen gegen VW ausschließlich das Land-
gericht Braunschweig für zuständig an.
Alle Ansprüche gegen die Porsche SE, in
der die Familienstämme Porsche und
Piëch ihre Beteiligungen an VW gebündelt
haben, sollen dagegen in Stuttgart verhan-
delt werden. Gegen die erste Zwischenent-
scheidung in dem Mammutverfahren
kann noch eine Rechtsbeschwerde beim
Bundesgerichtshof eingelegt werden (Az.:
3 Kap 1/16).
In dem Verfahren vor dem OLG ver-
langt die Musterklägerin Deka Investment
Schadenersatz, weil sie zu spät über die
milliardenschweren Risiken der Diesel-Af-
färe informiert wurde. Insgesamt verkla-
gen Anleger VW und Porsche SE in Braun-
schweig auf rund 9,5 Milliarden Euro Scha-
denersatz. Nach Angaben der Justiz sind
rund 1700 Verfahren am dortigen Landge-
richt anhängig. In nur wenigen Fällen sind
es Klagen gegen Porsche.
Eben diese Verfahren sollen in Stuttgart
verhandelt werden, was der Senat am Mon-
tag mit dem Gesetzeswortlaut begründete.
Der Gesetzgeber habe den Sitz des Emit-
tenten als Ort „der Sach- und Beweisnähe
vor Augen gehabt“. Eine weitergehende
Konzentration aller Ausgangsverfahren
im Diesel-Skandal lasse die Zivilprozess-
ordnung nicht zu, erklärte das OLG.
„Wir gehen fest davon aus, dass Rechts-
beschwerde eingelegt werden wird“, sagt
Anwalt der Musterklägerin Andreas Tilp.
„Denn die entschiedenen und vom OLG
aufgeworfenen Fragen sind zu umstritten
und von extremer praktischer Bedeutung,
eine höchstrichterliche Klärung ist daher
dringend erforderlich“. Für Volkswagen
ist die Entscheidung enttäuschend. Ein
Unternehmenssprecher sagte, VW werde
die genaue Begründung der Braunschwei-
ger Richter prüfen und dann entscheiden,
„ob Rechtsbeschwerde zum Bundesge-
richtshof eingelegt werden soll“. Volkswa-
gen sei weiterhin der Auffassung, „dass
das sach- und beweisnächste Gericht über
alle angeblichen Ansprüche der Kläger
entscheiden sollte“, hieß es. Für VW sind
das allein die Braunschweiger Gerichte.
Am Landgericht Stuttgart sind knapp
200 Klagen gegen die Porsche SE ausge-
setzt. Die Forderungen belaufen sich auf
mehr als 865 Millionen Euro. Im März hat-
te das OLG Stuttgart den Weg für einen
weiteren Musterprozess in den Anlegerkla-
gen versperrt, weil die dortigen Richter
den Ausgang des schon laufenden Verfah-
rens in Braunschweig abwarten wollten.
DÜSSELDORF, 12. August (dpa). Die
120 Mitglieder des sogenannten Textil-
bündnisses planen für dieses Jahr mehr
als 1000 weitere Maßnahmen, um men-
schenwürdige Arbeitsbedingungen, mehr
Umweltschutz und faire Löhne in der Tex-
tilproduktion rund um den Globus durch-
zusetzen. Erstmals müssen die beteiligten
Unternehmen dabei auch verbindliche
Maßnahmen ergreifen, die Arbeitern in
den Produktionsländern existenzsichern-
de Löhne verschaffen sollen. Das sagte
der Leiter des Bündnissekretariats Jürgen
Janssen am Montag. Im ersten Schritt
müssten die Mitglieder das eigene Ein-
kaufsverhalten und die Preispolitik über-
prüfen.
Das Bündnis war auf Initiative von Bun-
desentwicklungsminister Gerd Müller
(CSU) nach tödlichen Unfälle in Textilfa-
briken in Bangladesch und Pakistan ge-
gründet worden. Ziele sind unter ande-
rem, die Arbeitsbedingungen in der Textil-
produktion menschenwürdiger zu gestal-
ten sowie gesundheitsschädliche Chemi-
kalien zu vermeiden. Dem Bündnis gehö-
ren Modeunternehmen wie Adidas, Han-
delsketten wie Hennes & Mauritz oder
Billiganbieter wie Aldi an. Zusammen re-
präsentieren sie nach eigenen Angaben
knapp 50 Prozent des deutschen Textil-
marktes. Fortschritte soll es vor allem in
der Baumwolle gegeben haben: So stam-
me rund 32 Prozent der von den Mitglie-
dern des Textilbündnisses verarbeiteten
Baumwolle inzwischen aus Bio-Anbau
oder aus nachhaltiger Produktion.
Berndt Hinzmann vom entwicklungs-
politischen Inkota-Netzwerk, das dem
Bündnis angehört, sieht aber noch eini-
gen Verbesserungsbedarf. Er dringt vor al-
lem auf mehr Kontrollierbarkeit. Das Tex-
tilbündnis müsse nicht nur Maßnahmen-
pläne liefern, sondern auch belegen, dass
sie tatsächlich zu besseren Lebensbedin-
gungen für die Beschäftigten führten.
MORGEN IN NATUR
UND WISSENSCHAFT
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Die Vorfahren später Galaxien
Astronomen konnten eine Lücke im
galaktischen Stammbaum füllen.
J
etzt sage noch einer, ältere Men-
schen hätten im Berufsleben nur
schlechte Chancen. Dass man auch
im Herbst einer Karriere noch ei-
nen hübschen Sprung nach oben schaf-
fen kann, zeigt Björn Rosengren. Der
Schwede übernimmt Anfang März 2020
die Führung des Schweizer Industriekon-
zerns ABB – einen Monat vor seinem 61.
Geburtstag. Der Ingenieur steht derzeit
noch an der Spitze der schwedischen
Sandvik-Gruppe, eines Herstellers von
Bergbaumaschinen, Werkzeugen und
Edelstahl mit 42 000 Mitarbeitern. Auf
seinem künftigen Posten in Zürich wird
Rosengren es mit fast 150 000 Beschäftig-
ten zu tun bekommen, die sich rund um
den Globus auf den Feldern Elektrifizie-
rung, Industrieautomation, Antriebstech-
nik sowie Robotik und Fertigungsauto-
mation tummeln. ABB kam zuletzt auf ei-
nen Umsatz von 28 Milliarden Dollar.
Warum hat man sich nicht für einen
jüngeren Kandidaten entschieden und
damit einen Generationenwechsel in der
Führung eingeleitet? „Das Alter spielte
keine Rolle“, sagte der ABB-Verwal-
tungsratspräsident Peter Voser gegen-
über Journalisten. Voser hatte nach dem
Abgang des langjährigen Vorstandsvor-
sitzenden Ulrich Spiesshofer Mitte April
interimistisch auch die operative Füh-
rung des Konzerns übernommen. Diese
Doppelrolle wird der Schweizer bis Ende
Februar weiter ausüben. Er will also
noch die Bilanz für 2019 präsentieren
wie auch Rosengren die seine bei Sand-
vik, wo das Bedauern über dessen Weg-
gang groß ist.
Nach Angaben Vosers gab es eine Viel-
zahl externer und interner Kandidaten
für den gutbezahlten Spitzenposten bei
ABB. „Es ging um den richtigen Ruck-
sack“, sagte Voser. In Rosengrens Reise-
gepäck haben ihm demnach dessen Er-
fahrungen und Leistungen als Vorstands-
vorsitzender von Sandvik am besten ge-
fallen. Tatsächlich hat der Schwede die-
sen Konzern deutlich ertrags- und finanz-
stärker gemacht, was die Investoren mit
viel Applaus quittierten. In den nahezu
vier Jahren seiner Amtszeit ist der Bör-
senwert von Sandvik um mehr als zwei
Drittel gestiegen.
ABB hingegen kam unter Ulrich
Spiesshofer an der Börse nie richtig in
Fahrt. Dessen vollmundige Botschaft,
ABB sei mit seinen Geschäftssparten
nachgerade perfekt für Megatrends wie
die Automatisierung oder die Elektromo-
bilität gerüstet, stand in krassem Gegen-
satz zu den tatsächlich erreichten Ergeb-
nissen, die oft hinter den postulierten
Zielen zurückblieben. Dass Spiesshofer
das Vertrauen der Anleger auf dem Kapi-
talmarkt verloren hatte, zeigte sich spä-
testens an jenem Tag Mitte April, als sein
Abschied verkündet wurde: Damals klet-
terte der Aktienkurs um 5 Prozent.
Rosengren hießen die ABB-Anleger
nun am Montag herzlich willkommen:
Der Kurs stieg im Verlauf um 4 Prozent
auf 18,20 Franken. Dazu dürften auch
die freundlichen Kommentare der bei-
den schwedischen Großaktionäre Inves-
tor AB und Cevian beigetragen haben.
Rosengren verfüge über den richtigen
Führungsstil, um die Transformation
und die Strategie von ABB erfolgreich
voranzutreiben, lobte ihn Lars Förberg,
Mitbegründer der Beteiligungsgesell-
schaft Cevian. Beide Großaktionäre
dürften die Berufung des ihnen schon
aus ihrem Heimatland gut bekannten
Schweden aktiv befördert haben. Sie
schätzen seine bisherige Arbeit. ABB
war 1988 aus der Fusion der schwedi-
schen Asea mit der Schweizer BBC
entstanden.
In den öffentlichen Kommentaren zu
Rosengrens Arbeit bei Sandvik sowie zu-
vor als Chef des finnischen Kraftwerks-
herstellers Wärtsilä sticht ein Lob her-
aus: dessen Fähigkeit, eine ganze Organi-
sation dezentral aufzustellen und zu füh-
ren. Genau das wird einer seiner Kern-
aufgaben im Hause ABB sein.
Noch unter Spiesshofer hatten die
Schweizer beschlossen, die komplexe,
auf eine zentrale Führung ausgerichtete
Matrixorganisation abzuschaffen und die
Entscheidungskompetenz und die Ergeb-
nisverantwortung in die jeweiligen Ge-
schäftseinheiten zu legen. So will man
näher an die Kunden heranrücken und
Markttrends schneller erkennen. Die er-
höhte Eigenverantwortung soll neuen un-
ternehmerischen Geist entfachen.
Infolge dieses Umbaus wandert ein
großer Teil der mehr als 17 000 Arbeits-
plätze in der Konzernzentrale hinüber zu
den einzelnen Tochtergesellschaften. Da-
mit dieses Mammutprojekt gelingt, das
intern viel Unruhe und Unsicherheit er-
zeugt, braucht es einen Kulturwandel im
Unternehmen. Ein über viele Jahre einge-
übtes hierarchisches Denken und Füh-
rungsverhalten lässt sich nicht über
Nacht ablegen.
ABB benötigt jetzt also keinen Mikro-
manager mehr wie Spiesshofer, der sei-
nen Leuten mit permanenten Kontrollen
die Luft und die Lust nahm, sondern
eine Art frei schwebenden Portfolio-Ma-
nager, der die Führungskräfte an der lan-
gen Leine lässt, zugleich aber deren Leis-
tungen und Ergebnisse genau verfolgt
und bei Bedarf korrigierend eingreift. In
seiner bisherigen Karriere hat Rosen-
gren – zum Teil mit harter Hand – bewie-
sen, dass er für eine solche Aufgabe ge-
wappnet ist. Allerdings ist ABB eine deut-
lich größere Hausnummer als Sandvik
oder Wärtsilä.
Strategisch ist von dem Schweden vor-
erst wenig Neues zu erwarten. Der ABB-
Verwaltungsratspräsident Voser hat am
Montag betont, dass der eingeschlagene
Kurs fortgesetzt werden soll. Dazu ge-
hört, die Stromnetzsparte an den japani-
schen Rivalen Hitachi zu verkaufen.
Voser schätzt, dass es fünf Jahre dau-
ern wird, bis die im vergangenen Dezem-
ber neu definierte Konzernstrategie voll
in die Praxis umgesetzt ist. So lange sollte
nach Vosers Dafürhalten auch Rosengren
an Bord bleiben. Wie lange er selbst noch
bei ABB die Fäden in der Hand halten
will, verriet der ehemalige Shell-Chef
nicht. Vom Alter her besteht kein Druck:
Voser feiert in zwei Wochen seinen 61.
Geburtstag. JOHANNES RITTER
Textilproduzenten selbstkritisch
Bündnis setzt sich ambitioniertere Ziele zu Löhnen
Alter Schwede
che.SINGAPUR,12. August. Der größ-
te Ölkonzern der Welt und die weltgröß-
te Raffinerie werden Partner. Zugleich
weiten die Saudis damit ihren Einfluss in
das auf Investoren hungrige Indien aus.
Und schließlich bekommt der Multimilli-
ardär Mukesh Ambani, der reichste
Mann Indiens, eine Finanzspritze von
rund 15 Milliarden Dollar, mit der er sei-
ne Schulden weiter verringern kann:
Wenn der saudische Konzern Saudi
Aramco ein Fünftel der größten Ölraffi-
nerie Indiens übernimmt, scheint allen
gedient. Bewertet wird sie nun mit rund
75 Milliarden Dollar.
Ambanis Reliance Industries (RIL)
baut ihren petrochemischen Komplex in
Jamnagar an der Westküste Indiens seit
Jahren auf. Saudi-Arabien will nun 20
Prozent davon übernehmen, um den Ab-
satz zu sichern. Aramco strebt im nächs-
ten oder übernächsten Jahr an die Börse.
Bei einer ersten Bilanzvorlage am Mon-
tag wiesen die Saudis ein um 12 Prozent
niedrigeres Ergebnis für ihr Ölgeschäft
aus, weil der Ölpreis sinkt. Als erklärtes
Ziel haben sie ausgegeben, bis 2030 mehr
als 10 Millionen Barrel (Fass) Öl verarbei-
ten zu wollen. Aramco beteiligte sich
schon an Unternehmen in China, Malay-
sia und Südkorea. Reliance hat sich dazu
verpflichtet, täglich rund eine halbe Milli-
on Barrel Öl von Saudi Aramco zu kau-
fen. Ambani sprach auf der Hauptver-
sammlung seines Konzerns von „perfek-
ten Synergien“. Die Verschuldung des
größten indischen Konzerns beläuft sich
auf rund 37 Milliarden Dollar. Mit dem
Einstieg der Saudis verringert sie sich
spürbar.
Bis 2021 wolle RIL schuldenfrei sein,
kündigte Ambani am Montag auf der
Hauptversammlung seines Konzerns an.
Ambani sieht sich schon länger gezwun-
gen, Partner an Bord zu holen oder Ge-
schäfte abzugeben, um in weitere Visio-
nen zu investieren. Dazu zählt vor allem
das Verbrauchergeschäft, das hohe Mar-
gen abwirft. Unter anderem kündigte Am-
bani an, die Vielzahl indischer Kleinhänd-
ler mit digitalen Bestell- und Abrech-
nungsgeräten ausstatten zu wollen, die
im Hintergrund mit modernster Fintech
gesteuert werden sollen. „New commer-
ce“, den „neuen Handel“, quantifizierte
er angesichts von geschätzten 30 Millio-
nen Tante-Emma-Läden in Indien auf ein
erstaunliches Geschäftsvolumen von 700
Milliarden Dollar, allerdings ohne einen
Zeitrahmen zu nennen. Der zuständige
RIL-Geschäftszweig Reliance Retail hat
seit Gründung in den vergangenen sechs
Jahren seinen Umsatz versiebenfacht und
schreibt einen 14-fachen Gewinn. Amba-
ni nutzt die Welle gegen das Vordringen
von amerikanischen Ketten wie Amazon
oder Wal-Mart in Indien, indem er sagt,
er sei überzeugt, der indische „Kirana-
Shop“ müsse nicht nur überleben, son-
dern werde in Zukunft prosperieren.
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Wo das grüne Herz Amerikas schlägt:
Bunte Falter, die aus Mexiko kommen
Saudis steigen in indische Raffinerie ein
Reliance verkauft Anteile an Aramco / Der reichste Milliardär Indiens profitiert
U
m das Engagement des Emirats Qa-
tar in der Deutschen Bank ranken
sich einige Unsicherheiten und Mutma-
ßungen. Klar ist nur eine Bandbreite:
Seit August 2015 hält Qatar über zwei In-
vestment-Vehikel mindestens 6,1, aber
weniger als 10 Prozent an der Deutschen
Bank. In diesen vier Jahren hat die Aktie
der Deutschen Bank mehr als 70 Prozent
verloren. Entsprechend haben auch die
Qataris viel Geld verloren: 6,1 Prozent
an der Deutschen Bank sind nicht mehr
2,8 Milliarden Euro, sondern heute nur
noch 0,8 Milliarden Euro wert.
Der Verlust von mindestens 2 Milliar-
den Euro hat die qatarische Herrscher-
familie aber nicht abgeschreckt. Immer
wieder gab es in der Vergangenheit Ge-
rüchte, ein drittes Investment-Vehikel aus
dem Emirat könnte zusätzlich in den Ak-
tionärskreis der Deutschen Bank einstei-
gen. Dazu ist es bisher nicht gekommen.
Aber Qatar weitet mit personellen Ver-
flechtungen seinen Einfluss auf das größ-
te deutsche Geldhaus aus. Wie am Mon-
tag von mehreren Beteiligten hinter vor-
gehaltener Hand bestätigt wurde, wird
ein Gefolgsmann Qatars neu in den Auf-
sichtsrat der Deutschen Bank einziehen.
Es handelt sich um Jürg Zeltner, der am
Finanzplatz Frankfurt kein Unbekannter
ist. Schließlich war der inzwischen 52 Jah-
re alte Schweizer von 2005 bis 2008
Deutschland-Chef der UBS und machte
anschließend in dieser Schweizer Groß-
bank weiter Karriere. Zuletzt war Zeltner
dort für die wichtigste Sparte „Vermögens-
verwaltung“ verantwortlich, schied aber
Ende 2017 in Zürich im Streit. Im Mai
2019 wurde Zeltner Konzernvorstandsvor-
sitzender der KBL, einer auf Vermögens-
verwaltung spezialisierten europäischen
Bankengruppe aus Luxemburg, zu der
auch die Münchener Privatbank Merck
Finck gehört und die – und hier schließt
sich der Kreis – im Besitz der qatarischen
Herrscherfamilie ist. Man kennt sich also.
Im Aufsichtsrat der Deutschen Bank
soll Zeltner den Briten Richard Med-
dings ersetzen. Damit behalten die Qata-
ris einen Vertreter im Aufsichtsrat, ob-
wohl Stefan Simon in den Vorstand auf-
rückt. Der Rechtsanwalt saß bisher auf
Wunsch der Qataris im Aufsichtsrat der
Deutschen Bank, wechselt aber von Sep-
tember an in einem ungewöhnlichen Re-
virement in den Vorstand und wird dort
zuständig für Rechtsthemen und die
Beziehungen zu Aufsichtsbehörden. Si-
mons Posten im Aufsichtsrat hat Dagmar
Valcárcel übernommen, die nichts mit
Qatar zu tun hat. Durch Meddings’abseh-
bares Ausscheiden – der frühere Chef
der britischen Bank TSB hat bereits den
Vorsitz im Prüfungsausschuss niederge-
legt – wird aber ein neuer Platz für einen
Vertreter Qatars im Aufsichtsrat frei.
Über die Gründe für das Interesse Qa-
tars an der Deutschen Bank wird viel spe-
kuliert. Manche Beobachter meinen, es
gehe dem Emirat vor allem darum, im
Fall des Erwerbs von Unternehmensbe-
teiligungen durch seinen 300 Milliarden
Dollar großen Staatsfonds Qatar Invest-
ment Authority leicht auf die Investment-
bank-Expertise der Deutschen Bank zu-
greifen zu können. Andere meinen, es
gehe den Qataris darum, aus politischen
Gründen mit der Deutschen Bank eine
nichtamerikanische Investmentbank am
Leben zu erhalten. Ob Qatar den Auf-
sichtsratsvorsitzenden Paul Achleitner
weiter stützen wird, scheint offener denn
je. HANNO MUSSLER
Leidensgesänge einer Frau
Die amerikanische Philosophin Judith
Butler lehrt jetzt Unterwerfung.
Björn Rosengren Foto ABB
Qatar weitet seinen Einfluss in der Deutschen Bank aus
Mehr Großaufträge für Gea
Nach einem Gewinnrückgang im zweiten
Quartal sicherte sich der Anlagenbauer
Gea Group zu Beginn des dritten Jahres-
viertels mehrere Großaufträge. Darunter
sind insgesamt drei Projekte aus der
Milchverarbeitungs- und Pharmasparte
mit jeweils einem Volumen zwischen 10
und 30 Millionen Euro, wie das Düssel-
dorfer Unternehmen am Montag mitteil-
te. Im zweiten Quartal hatte der Auftrags-
eingang im stärker schwankenden Projekt-
geschäft noch geschwächelt. So hatte Gea
mehrere Aufträge schon im Juni erwartet.
Kunden hatten sie allerdings verschoben.
Diese Verschiebungen wirkten sich dem-
nach nun im aktuellen Quartal schon mit
einem Gesamtvolumen von rund 50 Mil-
lionen Euro aus. dpa-AFX
„Lila Bäcker“ arbeitet weiter
Der Insolvenzplan für die Bäckereikette
„Lila Bäcker“ aus Pasewalk ist angenom-
men worden, der Betrieb kann weiter exis-
tieren. Mit diesem Ergebnis endete am
Montag die Gläubigerversammlung im
Amtsgericht Neubrandenburg. Der von In-
solvenzverwalter Torsten Martini erarbei-
tete Insolvenzplan sieht vor, dass keine
weiteren Filialen in Mecklenburg-Vor-
pommern, Berlin und Brandenburg ge-
schlossen werden. dpa-AFX
Diesel-Klagen werden aufgeteilt
Entscheid: Stuttgart muss Ansprüche gegen Porsche prüfen
Chinesische Unternehmen greifen
seltener in Deutschland zu
Studie sieht dennoch weiter großes Interesse an Zukäufen
Kurze Meldungen
Mukesh Ambani Foto AP
Jürg Zeltner Foto Bloomberg
Innerafrikanische Entwicklungshilfe
Was bezweckt die Mission der
Afrikanischen Union in Somalia?
Björn Rosengren
übernimmt die
Führung des Schweizer
Industriekonzerns
ABB. Er soll für einen
Kulturwandel sorgen.
Der Generationen-
wechsel fällt aus.
MENSCHEN& WIRTSCHAFT