FORUM
interview: meike schreiber
und jan willmroth
A
ls Chef des amerikanischen Kredit-
kartenanbieters Visa kann Alfred
Kelly nur einige seiner 14000 Mitar-
beiter persönlich kennen. Wenn er eine
Niederlassung besucht, lässt er sich daher
vorher Bilder und Namen und ein paar Sät-
ze über die dort tätigen Personen geben.
Wenn sich jemand nur für zehn Sekunden
wertgeschätzt fühle, tue das der ganzen Fir-
ma gut, sagt Kelly. Zum Gespräch in Frank-
furt bittet der Amerikaner in ein funktiona-
les Eckbüro von Visa in Frankfurt. In der
Brusttasche ein Spickzettel mit den wich-
tigsten Namen für den Tag.
SZ: Als Chef eines Kreditkartenkonzerns,
hat man da überhaupt Bargeld dabei?
Alfred Kelly: Eher wenig.(Holt ein paar Eu-
ro-Scheine aus seinem Geldbeutel.)35 Eu-
ro, die brauche ich vor allem für Trinkgeld.
Ich trage auch anderswo auf der Welt nicht
viel Bargeld mit mir herum. Ich spiele ger-
ne Golf, da muss man die Caddys bezahlen,
und zwar in bar. Das ist für mich fast der
einzige Grund, warum ich ab und an zur
Bank gehen und Bargeld abheben muss.
Sie haben in Ihrer Geldbörse ja noch nicht
mal ein Fach für Münzen ...
Ja, in der Tat. Aber weil ich oft nach Europa
reise, habe ich in meinem Schreibtisch im-
mer einen Vorrat mit Euro und Pfund in
bar. Ich vergesse nur oft, das mitzuneh-
men. Daher gerate ich leider immer wieder
in die Verlegenheit, mir ad hoc etwas bei
Kollegen leihen zu müssen. Im Hotel trage
ich bisweilen mein Gepäck lieber selber,
weil es mir unangenehm ist, dass ich dem
Hotelpagen kein Trinkgeld geben kann.
Frustriert es Sie, dass Sie in Deutschland
so oft nicht mit Karte bezahlen können?
Also, das ändert sich ja durchaus. Außer-
dem sind die Bezahlmärkte lokal sehr un-
terschiedlich, man kann da nicht alles über
einen Kamm scheren. Ich arbeite seit
35 Jahren in der Branche, und so lange ken-
ne ich auch Deutschland schon. In Deutsch-
land mag man gerne Bargeld, in Mexiko
oder Japan mögen die Leute auch Bargeld.
Das ändert sich, vor allem durch den On-
line-Handel. Außerdem gibt es so viele
neue Anwendungsfälle wie zum Beispiel
Taxi-Fahrten mit Uber. Da merken die Ver-
braucher einfach, es ist ganz schön prak-
tisch, wenn ich in einer App die Kreditkar-
te hinterlegen und damit bezahlen kann.
Viele Deutsche betonen gern: Bargeld be-
deutet Freiheit.
Ja, das respektiere ich. Wir wollen nieman-
dem etwas vorschreiben. Aber manchmal
ist es gerade nicht gleichbedeutend mit
Freiheit, nur Bargeld zu haben. Man kann
online nicht bar bezahlen. Man kann auf
Reisen nur schwer große Mengen Bargeld
mitnehmen. Ich bin einmal mitten in der
Nacht in Deutschland angekommen und
wollte etwas essen. Ich hatte nur fünf Euro
in bar, und keiner hat meine Kreditkarte
akzeptiert, also musste ich etwas finden,
das mich für fünf Euro satt macht. Das hat
mich genervt. Bargeld kann ein Element
der Freiheit sein, aber auch ihr Gegenteil.
Andererseits neigen wir dazu, mit Kredit-
karten noch mehr Zeug zu kaufen, das wir
vielleicht gar nicht brauchen und uns
außerdem nicht leisten können. Die Ame-
rikaner haben 800 Milliarden Euro Kre-
ditkartenschulden. Ist das nachhaltig?
Wir sind keine Kreditkartenfirma in dem
Sinne, dass wir selber den Kredit geben. Vi-
sa ist ein Technologieunternehmen. Wir
bieten Produkte an, die den Geldfluss er-
leichtern, und die Kunden entscheiden,
welche Produkte sie haben wollen. Wir ge-
ben ja auch Prepaid-Karten aus, mit denen
man die volle Kontrolle hat. In Deutsch-
land gibt es zwar noch immer Vorbehalte
gegen die Kreditkarte, aber ich denke, dass
auch ihr hier bald weniger in bar und mehr
mit Debitkarte und Kreditkarte bezahlt.
Warum?
Deutschland ist eine entwickelte Volkswirt-
schaft und wird den anderen großen Märk-
ten darin folgen. Etwas mit Kreditkarte zu
bezahlen oder sich Geld zu leihen, ist ja per
se nicht schlimm, solange man das richtig
zu nutzen weiß. Das Leben ist kurz, man
kann sich ruhig mal etwas gönnen. Kredit
wird erst ein Problem, wenn Leute das
nicht mehr kontrollieren können.
Wird eigentlich die Plastikkarte überle-
ben oder bezahlen bald alle nur noch mit
dem Smartphone?
Ich glaube, weder Bargeld noch die Plastik-
karte verschwinden jemals völlig. Aber es
wird in Zukunft weniger Bargeld und weni-
ger Plastikkarten geben. Uns ist das eigent-
lich egal, denn es geht nicht um die Karte,
sondern darum, dass jemand mit seiner Vi-
sa-Identität bezahlt, also mit seiner Kredit-
kartennummer. Ganz gleich, wo sich diese
befindet, ob im Telefon oder Geldbeutel.
Es gibt inzwischen einen weltweiten
Dschungel an Bezahlsystemen. Welche
Rolle soll Visa darin spielen?
Uns gibt es seit 60 Jahren, wir sind sozusa-
gen das älteste Fintech der Welt. Wenn
man mal den chinesischen Markt außen
vor lässt, wachsen wir rasant. Wir haben
im vergangenen Jahr 3,3 Milliarden Bezahl-
vorgänge abgewickelt für einen Warenum-
satz von elf Billionen Dollar. Wir sind um
zwölf Prozent gewachsen, vor allem dank
neuer Trends, die wir nutzen konnten.
Damit sind Sie die Nummer eins. Aber wie
steht es um große Konkurrenten wie Pay-
pal, die ihre Marktanteile auch ohne Ko-
operationen mit Visa erkämpfen können?
Auf vielen Leih-E-Rollern hier in Frank-
furt klebt ein Zettel: Keine Kreditkarte?
Kein Problem. Nutzen Sie Paypal.
In der Welt der Bezahlsysteme gibt es in
der Tat sehr viele Spieler, aber in der Regel
kann keiner allein erfolgreich sein. Paypal
ist ein gutes Beispiel. Wir sind Partner,
aber auch Konkurrenten. Klar, zu sagen:
Hey, ihr braucht keine Kreditkarte, das ist
kreativ aus deren Sicht. Ganz oft sind Pay-
pal-Accounts aber mit Visa-Karten verbun-
den, und dann sind wir Partner. Bei vielen
Angeboten ist Paypal das Gesicht zum Kun-
den, und wir stehen dahinter.
Der größte Markt für bargeldloses Bezah-
len ist China, und gerade dort sind Sie
nicht direkt präsent ...
Das hängt von Ihrer Definition ab.
Visa kommt als Bezahlsystem im chinesi-
schen Binnenmarkt nicht vor.
Wir sind seit vier Jahrzehnten in China prä-
sent, wir haben Geschäftsbeziehungen zu
55 chinesischen Banken. Gut, wir haben
keine Kartenausgabe-Lizenz in China, das
wird sich hoffentlich irgendwann ändern.
Was es heute gibt, sind doppelt gelabelte
Karten: China Union Pay – das chinesische
Bezahlnetzwerk – und Visa nebeneinan-
der auf derselben Karte. Innerhalb der chi-
nesischen Grenzen laufen Transaktionen
über China Union Pay, reisende Chinesen
im Ausland zahlen mit Visa.
Ist das ein fairer Wettbewerb? Der chinesi-
sche Staat hat Union Pay ganz klar mit der
Expansion im Ausland beauftragt, um mit
Visa und Mastercard zu konkurrieren.
China ist spannend für uns, und es lohnt
sich zu warten. Wir werden uns innerhalb
der Grenzen und im Rahmen der Richtli-
nien bewegen, die uns die chinesische Re-
gierung vorgibt. Sobald sie es uns ermög-
licht, sind wir sehr darauf aus, auf dem
chinesischen Markt aktiv zu werden. Wir
bleiben geduldig. Was mir wichtig ist, sind
faire, gleiche Bedingen für alle.
Die gibt es aber nicht. China schottet den
Markt für Ausländer ab. Geraten Sie jetzt
im Handelskrieg zwischen die Fronten?
Wir sind gespannt, wie die Handelsgesprä-
che zwischen den USA und China weiterge-
hen. Es sind die zwei größten Volkswirt-
schaften der Welt, und wir alle würden pro-
fitieren, wenn die Gespräche erfolgreich
verliefen. Es würde auch den Konsumen-
ten und Konzernen eine Menge Sorgen neh-
men. Klarheit über die Handelsbeschrän-
kungen würde uns sehr helfen.
Visa zählt zu den Unterstützern der Face-
book-Währung Libra. Warum?
Facebook schlägt ein Konzept vor, das fas-
zinierend ist. Es wäre eine Vereinigung, die
sehr auf Schwellenländer fokussiert ist,
um denen zu helfen, die keinen Zugang zu
Banken haben. Wir sind eines von 27 Unter-
nehmen, die eine unverbindliche Absichts-
erklärung unterzeichnet haben. Das heißt
nicht mehr, als dass wir fasziniert sind. Es
gibt noch viel zu tun, um ein einheitliches
operatives Modell zu finden, Geschäftsbe-
dingungen und ein Konzept, mit dem Libra
überall den Regeln entspräche. Sobald wir
wissen, wie diese Bedingungen aussehen,
entscheiden wir.
Ist Facebook die bessere Zentralbank?
Es wäre nicht Facebook, sondern eine Ver-
einigung mit Facebook als gleichberechtig-
tem Mitglied. Die Zentrale wäre in der
Schweiz. Facebook würde also nicht zu ei-
ner Zentralbank. Und soweit ich weiß, ist
es auch gar nicht das Ziel, überhaupt zur
Zentralbank zu werden.
Wie unabhängig können Firmen wie Visa
von der amerikanischen Politik sein? Ein
Beispiel: Die US-Regierung konnte Visa
und Mastercard untersagen, Zahlungen
an Wikileaks zu akzeptieren. Die Europä-
er beklagen bis heute, keine vergleichba-
ren Systeme entwickelt zu haben.
Die amerikanische Regierung gibt allen Fir-
men, die in den USA beheimatet sind, gro-
ße Freiheiten, in der ganzen Welt tätig zu
sein. Ich fühle mich in keiner Weise von der
Regierung eingeschränkt. Wir sind eine
globale Firma, und ich glaube, die Regie-
rung will so viele globale Unternehmen wie
möglich. Wir sind keine US-Firma, die Bü-
ros im Ausland hat. Wir sind ein globaler
Konzern, der in den USA beheimatet ist.
Sie haben selbst unter Ronald Reagan im
Weißen Haus gearbeitet, als Technik-
chef. Wie schauen Sie auf das, was heute
dort geschieht?
Wissen Sie, jeder Präsident hat seinen eige-
nen Stil und seine eigene Art zu führen. Ich
kommentiere das nicht weiter.
Wie kamen Sie dazu, im Weißen Haus zu
arbeiten?
Ich hatte einen Abschluss in Computerwis-
senschaften, und als Reagan 1985 wieder-
gewählt wurde, schlugen der Stabschef
und der Finanzminister dem Präsidenten
vor, die Jobs zu tauschen. Reagan willigte
ein. Don Regan, der einst bei Merrill Lynch
war, kam ins Weiße Haus und merkte, dass
es mehr zu tun gab, als er erwartet hatte,
mit 1500 Angestellten. Über eine Personal-
firma fand er mich. Es fiel mir nicht leicht:
Ich verdiente weniger als vorher bei Pepsi,
und meine Frau gab ihren Job auf. Aber
rückblickend war das phänomenal. Und es
war sehr wichtig für meine Führungserfah-
rung: Viele Leute waren älter und klüger
als ich, und das hat meine Perspektive als
Führungskraft geprägt.
Wie ist diese Perspektive heute?
Erstens musst du dich mit den besten Leu-
ten umgeben und nicht den Anspruch ha-
ben, immer der Klügste zu sein. In meiner
Führungsmannschaft sind alle smarter als
ich. Und du musst gut kommunizieren. Die
Leute müssen den Marschbefehl verste-
hen und wissen, wohin es gehen soll. Ich
bin ein großer Fan von dienender Füh-
rung: Ich habe nur so viel Erfolg, wie meine
Mannschaft mir anerkennt. Neulich fragte
jemand, ob ich meinen Urlaub nehme.
Und?
Ja, habe ich gesagt, natürlich nehme ich
meinen Urlaub. Oder das meiste davon. Je-
der von uns sollte seinen Urlaub nehmen.
Ich will, dass die Leute den Kopf frei krie-
gen. Der Job sollte nicht das Wichtigste im
Leben sein. Familie, Glauben, Gesundheit,
Freunde: Darauf kommt es an.
Alfred Kelly,61, geboren in Bronxville, USA, steht
seit 2016 an der Spitze von Visa. Zuvor arbeitete er
langeZeit bei American Express und anderen Unter-
nehmen. Kelly ist verheiratet und hat fünf Kinder.
I
n den vergangenen Wochen ist eine er-
staunliche Dynamik in die Debatte um
ein deutschlandweites Zentralabitur
gekommen. Über Partei- und Bundesland-
grenzen hinweg haben sich hochrangige
Politiker für ein Zentralabitur ausgespro-
chen, darunter die baden-württembergi-
sche CDU-Kultusministerin Eisenmann,
der thüringische Kultusminister Holter
von den Linken, der sächsische CDU-Mi-
nisterpräsident Kretschmer, FDP-Chef
Lindner, die kommissarische SPD-Chefin
Schwesig, die bildungspolitische Spre-
cherin der Grünen-Bundestagsfraktion
Stumpp sowie die aktuelle und die ehemali-
ge CDU-Bundesbildungsministerin Karlic-
zek und Wanka. Nur der bayerische Minis-
terpräsident Söder hat sich gegen die Idee
ausgesprochen.
Wollen die Bayern keine bundesweit ein-
heitlichen Abiturprüfungen? Um dieser
Frage nachzugehen, haben wir eine
Sonderauswertung des Ifo-Bildungsbaro-
meters vorgenommen, unserer jährlichen
Meinungsumfrage zu bildungspolitischen
Themen. Seit 2014 haben wir in insgesamt
vier Jahren repräsentative Stichproben
der deutschen Bevölkerung nach ihrer Mei-
nung zu deutschlandweit einheitlichen
Abschlussprüfungen befragt. Durch die
wiederholte Befragung ist so auch eine gro-
ße Stichprobe von über 1000 Beobachtun-
gen aus der bayerischen Bevölkerung zu-
sammengekommen.
Das Ergebnis ist mehr als eindeutig: Im
Durchschnitt der vier Jahre sprechen sich
89 (!) Prozent der bayerischen Bevölkerung
dafür aus, deutschlandweit einheitliche
Abschlussprüfungen im Abitur einzufüh-
ren. Damit liegt die Zustimmungsrate in
Bayern auf dem gleichen Niveau wie in der
deutschen Bevölkerung insgesamt (88 Pro-
zent). Über 60 Prozent der Bayern sind so-
gar „sehr“ dafür. Gerade einmal sieben
Prozent sind dagegen, vier Prozent sind un-
entschieden. Die bayerische Zustimmungs-
rate ist von 85 Prozent in den Jahren 2014
und 2015 auf 92 Prozent in den Jahren 2017
und 2018 gestiegen. Solche Zustimmungs-
raten gibt es schlichtweg für keine andere
bildungspolitische Maßnahme, und wohl
auch nicht in anderen Politikbereichen.
Es scheint also tatsächlich auch für die
bayerische Bildungspolitik an der Zeit, um-
zudenken und das umzusetzen, was die Be-
völkerung will. Dabei geht es gar nicht um
ein „Abitur aus Berlin“. Der Bund jeden-
falls hat damit nichts zu tun. Die Kultus-
hoheit der Länder ist im Grundgesetz fest-
geschrieben. Aber das entbindet die Bil-
dungspolitiker der Länder nicht von ihrer
gesamtgesellschaftlichen Verantwortung.
Sie können und müssen sich gemeinsam
auf einen Staatsvertrag einigen.
Ein „Zentralabitur“ muss auch gar
nicht so zentral sein, wie es Kritiker an die
Wand malen. Schon vor mehreren Jahren
haben wir im Aktionsrat Bildung das Kon-
zept eines „Gemeinsamen Kernabiturs“
vorgeschlagen. Dies würde in den Kernfä-
chern Mathematik, Deutsch und Englisch
gemeinsame Prüfungsbestandteile durch-
führen, die 30 Prozent der Abiturprüfung
ausmachen. Da zusätzlich noch die
Kursnoten der letzten beiden Jahrgänge
in die Abiturnote einfließen, würde die län-
derübergreifende Abiturkomponente nur
zehn Prozent der Abschlussnote ausma-
chen. Insofern würde dieses Konzept den
Ländern ein hohes Maß an Flexibilität in
der Ausgestaltung verschiedener Aspekte
des Abiturs bewahren. Damit ließe es sich
auch leicht in das bestehende System der
Abiturprüfungen einbinden. Weitere
Schritte wie eine bessere Vergleichbarkeit
der Regelungen, was insgesamt in das
Abitur eingebracht werden kann, der Lehr-
pläne und Stundentafeln könnten dann ge-
gebenenfalls schrittweise folgen.
Die deutschlandweit einheitlichen Prü-
fungsbestandteile würden einen transpa-
renten Vergleichsmaßstab zur Anglei-
chung der Anforderungen in ganz Deutsch-
land liefern. So könnten sie dazu beitra-
gen, dass die zwischen den Bundesländern
längst vereinbarten nationalen Bildungs-
standards endlich auch umgesetzt wer-
den, damit wirklich alle Kinder und Ju-
gendlichen in Deutschland die notwendi-
gen Kompetenzen erwerben. Nur wenn
einheitliche Prüfungen das Erlernte
deutschlandweit überprüfen, wird aus der
Unverbindlichkeit von Standards ein un-
ausweichliches Ziel, auf das sich Lehrkräf-
te und Schülerschaft in allen Bundeslän-
dern vorbereiten müssen. Es gibt zahlrei-
che Belege in der Forschung etwa anhand
der Pisa-Tests, dass zentrale Abschlussprü-
fungen insgesamt zu deutlich besseren
Schülerleistungen führen.
Zugleich könnte ein „Gemeinsames
Kernabitur“ bundesweit hinreichende Stu-
dierfähigkeit sichern. Das Abitur hat in
Deutschland eine lange Tradition als Reife-
prüfung, die die Studierfähigkeit attestie-
ren und damit den Zugang zum Hochschul-
system eröffnen soll. Aber wenn die Prüfun-
gen zwischen den Bundesländern wie der-
zeit gar nicht vergleichbar sind, ist der
Hochschulzugang über die Abschlussnote
unfair geregelt. Seit Jahrzehnten werden
zwischen den Ländern beträchtliche quali-
tative Unterschiede hinsichtlich der Aufga-
benstellungen und Bewertungsniveaus
nachgewiesen. Aus diesem Grund hat nun
sogar das Bundesverfassungsgericht das
derzeitige Zulassungsverfahren zum Medi-
zinstudium als verfassungswidrig einge-
stuft. Nur mit einer besseren Vergleichbar-
keit der Abiturnoten über Landesgrenzen
hinweg wäre die grundgesetzlich verbriefte
Chance auf gleiche Teilhabe und damit ein
fairer Hochschulzugang für Absolventen
aus verschiedenen Bundesländern sicher-
gestellt.Noch vor wenigen Jahren haben
Bildungspolitiker die Idee von deutsch-
landweiten Abiturprüfungen lächerlich ge-
macht, weil es unmöglich sei, gemeinsame
Termine für alle Bundesländer zu finden.
Dass dies ein offensichtlich vorgeschobe-
nes Argument war, hat mittlerweile die
Realität bewiesen: Die Mathematik-Abitur-
prüfungen werden deutschlandweit am
selben Tag geschrieben, mit Aufgaben aus
einem „gemeinsamen Aufgabenpool“.
Statt solcher unbefriedigenden Halblösun-
gen sollte die Bildungspolitik endlich
Ernst machen.
Der bayerische Ministerpräsident sollte
wie in der Umweltpolitik auch in der Bil-
dungspolitik den Hebel umlegen und für
eine moderne christsoziale Bildungspoli-
tik stehen, die den Schritt in die Zukunft
macht. Dabei muss er sich nur darauf be-
sinnen, dass es Bayern war, das die Speer-
spitze der wenigen willigen Bundesländer
geformt hat, die als erste gemeinsame Prü-
fungsaufgaben eingeführt haben. Auf der
Basis der gewonnenen Erfahrungen soll-
ten die Bundesländer einen Staatsvertrag
schließen, damit in den Kernfächern in
ganz Deutschland an einem Tag dieselben
Abiturprüfungen auf dem Niveau der füh-
renden Länder geschrieben werden. Das
wäre auch im Interesse der Bayern.
„Bargeld kann ein
Element derFreiheit sein,
aber auch ihr Gegenteil.“
Ludger Wößmannist
Professor für Volkswirt-
schaftslehre an der
Ludwig-Maximilians-
Universität München und
leitet das Ifo-Zentrum
für Bildungsökonomik.
FOTO: OH
Das Abitur soll vergleichbar sein
89 Prozent der bayerischen Bevölkerung befürworten
deutschlandweite Abschlussprüfungen.Von Ludger Wößmann
FOTO: DAVID PAUL MORRIS/BLOOMBERG
Die Unterschiede zwischen
den Aufgaben und
Bewertungen sind erheblich
Axel Sven Springerund Ariane Melanie
Springer, Enkel des Verlegers Axel Sprin-
ger, verkaufen Unternehmensanteile an
den US-Investor KKR. Beide hätten sich
entschieden, das Übernahmeangebot
für Aktien anzunehmen, die insgesamt
etwa 3,7 Prozent des Grundkapitals an
Axel Springer entsprechen, teilten KKR
und Springer mit. Mit ihren übrigen
Aktien blieben sie weiterhin als unabhän-
gige Aktionäre an dem Unternehmen
beteiligt. Ariane Melanie und Axel Sven
Springer halten bislang insgesamt 9,
Prozent an dem Konzern. „Meine
Schwester und ich sind von dem unter-
nehmerischen Konzept für die Weiterent-
wicklung von Axel Springer überzeugt“,
erklärte Axel Sven Springer(FOTO: DPA).
KKR hatte nach eigenen Angaben zum
Ende der am 2. August abgelaufenen
Annahmefrist 27,
Prozent der Anteile
des Medienkonzerns
erworben. Aktionäre
können noch bis
zum 21. August ihre
Anteile verkaufen.
Das Angebot sieht
einen Preis von 63
Euro je Aktie vor. sz
Uli Hoeneß,67, Präsident des FC Bayern
München, ist unzufrieden mit einem
anderen Präsidenten, dem von der Euro-
päischen Zentralbank: „Ich würde gern
Herrn Draghi sagen, dass es nicht sein
kann, dass er mit den niedrigen Zinsen
die hoch verschuldeten Italiener schützt
und dass die deutschen Banken und
Versicherungen deshalb Einlagenzinsen
bezahlen müssen“, sagte erEuro am
Sonntag. US-Banken würden für ihre
Milliardengewinne gelobt, deutsche
müssten dagegen Milliarden zahlen.
„Mich ärgert, dass es da keine Protest-
stürme gibt.“ Hoeneß(FOTO: GETTY)äußerte
sich auch über seine Anlagen: Er sei fast
zu 100 Prozent in Aktien investiert, mit
Anleihen könne man ja nichts verdienen.
Sein erfolgreichstes Investment war die
Südzucker-Aktie, gekauft für 11,50 Euro,
verkauft für 25 Euro.
Als Spekulant sieht
Hoeneß, der 2014
wegen Steuerhinter-
ziehung verurteilt
wurde, sich heute
nicht mehr: „Ich
habe Mist gebaut.
So ist es nun mal.
Fertig.“ hf
Jutta Merschen, 38, hat immer Spiel-
zeugautos dabei. „So lassen sich auch
unterwegs leicht Konflikte lösen“, sagt
die Mutter von drei Söhnen. Ihr Start-up
hat viel damit zu tun, dass sie Mutter ist.
Family Punk ist ein digitaler Coach für
Familien. Auf der Plattform sollen sich
Eltern schnell und günstig Rat holen
können. Fast 13 Jahre lang hat die promo-
vierte Betriebswirtin für McKinsey gear-
beitet, als Beraterin und im Technologie-
management. Dann wollte sie was Eige-
nes. Sie hat schon einmal gegründet, ein
Start-up, das die Pakete in einer Firma
managt. „Die Idee passte nicht zu mir.“
Family Punk passt zu ihr(FOTO: OH). Gut
zwei Wochen lang hat Merschen gerade
mit 19 anderen Gründerinnen am Som-
mer-Camp Grace der Beraterfirma Igno-
re Gravity teilgenommen und am Wo-
chenende den Pitch
gewonnen. Sie hatte
ein Video geschickt
und auch den Ap-
plaus nicht live er-
lebt. Die Fähre für
den Urlaub war lan-
ge gebucht. Familie
ist ihr wirklich wich-
tig. etd
(^16) WIRTSCHAFT Montag, 19. August 2019, Nr. 190 DEFGH
„Das Leben ist kurz, man kann
sich ruhig mal etwas gönnen“
Alfred Kelly, Chef des US-Kreditkartenanbieters Visa, über das Konsumieren
und Bezahlen – und darüber, wie viel Bargeld er noch in der Brieftasche hat
Verkaufsfreudige Enkel
„Ichhabe Mist gebaut“
Familienpunk
PERSONALIEN
MONTAGSINTERVIEWMIT AL KELLY