AUGUST 2019 3
EDITORIAL
Liebe Leserin, lieber Leser!
FOTOS: JAVIER TRUEBA/MSF/SCIENCE PHOTO
LIBRARY; DAVID MAUPILÉ (PORTRÄT)
Danke, dass Sie
NATIONAL GEOGRAPHIC lesen.
JENS SCHRÖDER, CHEFREDAKTEUR
NATIONAL GEOGRAPHIC DEUTSCHLAND
D
ie Ursprünge des Men
schen, seine frühe
Geschichte und seine
Wanderungen über die
Kontinente, all das ist
notorisch schwer zu
erforschen. Das Pro
blem: Es gibt viel zu
wenige Fundstücke. Hier ein Zahn aus
einer afrikanischen Höhle, dort ein
paar Knochen aus Sibirien oder einige
steinzeitliche Grabbeigaben aus dem
heutigen Spanien – und solche win
zigen und weit verstreuten Indizien
müssen dann für weitreichende Theo
rien herhalten, die die Menschheits
geschichte über Hunderttausende von
Jahren plausibel erklären sollen. Der
Urmenschenforscher Friedemann
Schrenk hat dieses Dilemma seiner
Zunft einmal auf den Punkt gebracht:
„Das ist etwa so schwierig, als wollte
man die Geschichte Mitteleuropas
schreiben und hätte als Grundlage nur
eine halbe römische Münze, das
Taschentuch einer wilhelminischen
Dienstmagd und ein paar zerbrochene
Teile eines Mikrofons.“ Doch in jün
gerer Zeit haben die Forscher ein
mächtiges neues Werkzeug erschlos
sen, das ihnen bei der Rekonstruktion
der frühen Menschenwelten hilft: die
Genanalyse. Heute ist es möglich,
selbst aus winzigen und uralten Kno
chenproben lesbare Erbsubstanz zu
extrahieren. Und dabei treten enorme
Überraschungen zutage. So verraten
die Gene aus Knochenfunden Details
über ein dramatisches Ereignis, das
Europa vor 4 500 Jahren ereilt haben
muss – und in dessen Folge fast die
komplette Bevölkerung des Kontinents
ausgetauscht wurde. Was war da los?
Das erfahren Sie ab Seite 44.
Ein Knochen
von Homo
heidelbergen-
sis, 400 000
Jahre alt,
enthält das
bisher älteste
ausgelesene
menschliche
Erbgut.