stockt die Expansion in Europa. Das
Reich rutscht in eine Krise.
Sinkende Einnahmen und Löhne
befeuern die Korruption, auch bei den
Janitscharen: Mit Schmiergeldern hie
ven Familien ihre Söhne in die Truppe.
Längst hat sich herumgesprochen, dass
denjenigen, die es in den Palastdienst
schaffen, die höchsten Ämter offen
stehen. Wie Sokollu Mehmed Pascha,
einem Slawen, der es zum Großwesir
bringt. Oder Sinan, der zum wichtigs
ten osmanischen Baumeister aufsteigt.
J
etzt aber gelangen nicht mehr
die vielversprechendsten Jungen
in die Garde. Während die Kna
benlese immer seltener wird und Ende
des 17. Jahrhunderts komplett wegfällt,
büßt die Truppe an Kampfkraft ein. Zu
dieser Zeit dürfen die Kämpfer sogar
heiraten - und müssen nicht mehr in
Baracken hausen. Von ihrer einstigen
Disziplin bleibt wenig übrig.
Umso stärker klammern sich die
Janitscharen an ihre Macht und Privi
legien. Sie entscheiden mit, wer Sultan
wird. Und sie rebellieren. 1589 kann
Sultan Murad III. seine Herrschaft nur
dadurch retten, dass er den Soldaten
seine beiden engsten Berater auslie
fert- die sofort geköpft werden.
Osman li. hätte 1622 also gewarnt
sein können. Mit 14 kommt der eigen
willige Heißsporn auf den Thron. Er
läuft etwa undercover durch Istanbul
und schaut, ob sich seine Soldaten in
Tavernen herumtreiben. Das macht ihn
bei der Truppe unbeliebt. Um seine Au
torität zu stärken, bricht er überhastet
zu einem Feldzug gegen Polen-Litauen
auf, scheitert kläglich -und macht aus
gerechnet die stolzen Janitscharen für
die Niederlage verantwortlich.
Nach seiner Rückkehr plant Os
man li. eine Pilgerreise nach Mekka
und sorgt damit für Misstrauen. Ein sol
ches Unternehmen hat kein Sultan vor
ihm gestartet. Will der Herrscher etwa
in den Provinzen ein Ersatzheer für die
Janitscharen aufstellen?
Als Osman abreisen will, meutern
die Truppen, brechen in den Harem
ein und setzen einen schwachsinnigen
Ex-Sultan, der dort gefangen gehalten
DAS ENDE Im Jahr 1826 löschte
Sultan Mahmud II. die Truppe in
einem gewaltigen Blutbad aus
wird, auf den Thron. Osman dagegen
verhaften sie. Bevor die Rebellen ihn tö
ten, zerquetschen sie seine Hoden.
Zum ersten Mal kostet eine Meu
terei der Janitscharen ihren Sultan das
Leben. Damit stellt die Elitetruppe klar,
wer das Sagen im Reich hat. Und zwar
für die nächsten 200 Jahre. Nach Gut
dünken setzen sie Herrscher ab. Schon
1648 fegt ein Aufstand Sultan Ibrahim
vom Thron. Vor allem die Großwesire
leben gefährlich: 1688 stürmen Janit
scharen -sie fordern mal wieder Sold -
das Anwesen des Ministers. Sie töten
ihn, schneiden seiner Schwester und
der Gemahlin Hände und Nasen ab und
schleifen sie nackt durch das Basarvier
teL Niemand kann die Truppe stoppen.
Bis 1826. Sultan Mahmud II., ein
eiskalter Stratege, will die Macht der
Janitscharen brechen. Während er das
Korps 1821 nach Griechenland schickt,
um einen Aufstand niederzuschlagen,
baut er in Istanbul eine Privatarmee
auf: Europäische Offiziere trainieren
eine neue Truppe- und rüsten die Män
ner mit modernen Waffen aus.
Dann bricht der Tag der Abrechnung
an: Mahmud verkündet die Auflösung
der Janitscharen, die genauso regieren,
wie der Sultan es erwartet. Mit einer
Revolte. Am 14. Juni werfen die Kämp
fer die Kochkessel um und greifen zu
den Waffen. Genau daraufhat Mahmud
gewartet. Er lässt das ganze Areal mit
Kanonen beschießen und richtet ein
Gemetzel an. Mehr als 10 000 "Söhne"
des Sultans sterben. Für Mahmud aber
ist das brutale Ende der Janitscharen
nur das "wohltätige Ereignis". •
Manuel Opitz wurde bei der
Recherche klar, dass die Sul
tane- trotz ihrer Macht und
ihres luxuriösen Lebensstils -
mitunter nur Spielbälle waren.
P.M. HISTORY -AUGUST 2019 45