Reader\'s Digest Germany - 08.2019

(Elliott) #1
ENDE SEPTEMBER VERSAMMELN SICH NEUN
JUNGBÄREN AUF UNSEREM GELÄNDE

08.2019 reader's digest 141

er sich mißtrauisch. Das galt auch für
mich.
Als ich einmal auf der Veranda beim
Aufstehen eine ungeschickte Bewe-
gung machte, schoss mir seine Pranke
entgegen, die Krallen verfingen sich
in meinem Hemd, um Haares breite
verfehlte er meine Hüfte. Gewiss eine
Verteidigungsreaktion. Aber künftig
verhielt ich mich vorsichtiger.
Im Juni fühlte sich wohl auch Pur-
zel nicht mehr so eng ans Haus ge-
bunden und ging ebenfalls öfter auf
To u r.


Eines Tages rief Patti: „Jack, komm
schnell, schau mal!“
Purzelchen saß neben meiner Frau
auf dem Boden der Veranda, ließ die
Beine durch die Geländerstangen
baumeln und knabberte wieder mal
Sonnenblumenkerne. Aber als ich
dann über sie hinweg in den Garten
hinunterschaute – da sah ich ihn,
den großen Bärenmann. Er stand da,
den Kopf im Nacken, blinzelte in die
Sonne und blickte voller Sehnsucht
nach seinem Weibchen.
Purzelchen jedoch ließ sich nicht
beim Knabbern stören. Erst als die
Schüssel leer war, stapfte sie zur
Treppe. Der Bärenkerl kam ihr zwei
Stufen entgegen. Als sie bei ihm war,
beschnüffelte er ihr den Hals und die


Schnauze. Purzel leckte ihm die Nase.
Ein ergreifendes Bild junger Liebe.
Dann drängte sie sich an ihm vorbei
und lief den Pfad zum Bach hinunter,
er brav hinterdrein.
Wir sahen ihnen nach, bis sie un-
seren Blicken entschwanden. „Nun“,
seufzte Patti, „fühle ich mich wie eine
Schwiegermutter.“
Ich lachte. „Da magst du schon
recht haben. Soeben hat sie uns ihren
Verlobten vorgeführt.“
Während der Sommer ins Land ging,
reiften unsere Bären allmählich zu

Erwachsenen heran. Skinny ver-
schwand eines Tages so plötzlich, wie
er einst aufgetaucht war. Vielleicht
war ihm ein hübsches Bärenmädel
begegnet, dem er nun den Hof
machte. Vielleicht war ihm aber auch
ein Unglück zugestoßen. Jedenfalls
sahen wir ihn nie wieder.
Aber in diesem September be-
merkten wir Veränderungen auch bei
Purzelchen. Bei uns schien sie sich
wohler zu fühlen als in Gesellschaft
ihrer Artgenossen. Während die
Männchen auf dem Rasen tollten und
rangen, saß sie brav bei uns und fraß
meiner Frau Sonnenblumenkerne
und Nüsse aus der Hand. Manchmal
legte Patti ihr Nüsse auf die Veranda
oder auf die Bank, aber die ignorierte
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