Reader\'s Digest Germany - 08.2019

(Elliott) #1
ERSCHRECKEND IST, WIE SICH DIE VERLUSTE
AUF DAS GESAMTE ÖKOSYSTEM AUSWIRKEN

68 reader's digest 08.2019


Menschen genutzten Raum. Manche
Insektenarten werden in einer neuen
Umgebung zurechtkommen. Über alle
Arten hinweg betrachtet sinkt die Zahl.

Nachdem die Krefelder Studie ver-
öffentlicht worden war, begannen
Forscher nach weiteren Informations-
quellen zu suchen, die einen Blick in
die Vergangenheit ermöglichen. Roel
van Klink vom Deutschen Zentrum
für integrative Biodiversitäts forschung
in Leipzig berichtet beispielsweise,
dass er nach Langzeit-Beobachtungs-
studien gesucht hat, mit deren Hilfe er
sich ein besseres Bild davon machen
kann, was geschieht.

Viele dieser Studien hatten ur-
sprünglich landwirtschaftliche
Schädlinge wie etwa Heuschrecken
im US-Bundesstaat Kansas unter-
sucht. Van Klink trug Daten von mehr
als 1600 Orten zusammen und wer-
tet sie nun aus. Dave Goulson, Ento-
mologe an der University of Sussex,
Großbritannien, erklärt, dass viele
Hinweise zum Insektensterben wohl
nur eingegangen sind, weil es in Eu-
ropa traditionell viele Hobby-Natur-
forscher gibt.
Thomas glaubt, dass diese Tradi-
tion auch der Grund dafür ist, dass
das Thema Insektensterben in Euro pa
schnell angegangen wird. Nachdem

2010er-Jahren kehrte der Tropenöko-
loge Brad Lister nach Puerto Rico in
den Luquillo-Regenwald zurück, wo
er 40 Jahre zuvor Eidechsen und ihre
Beute untersucht hatte.
Lister sammelte an den gleichen
Stellen wie in den 1970er-Jahren
Insekten, aber dieses Mal fingen
er und sein Kollege Andres Garcia
zehn- bis 60-mal weniger Biomasse
aus Arthropoden (Gliederfüßern) als
zuvor. Wo er einst 473 Milligramm
Insekten gefangen hatte, fing Lister
nun lediglich acht Milligramm.
Erschreckend ist, wie sich diese
Verluste auf das gesamte Ökosystem
auswirken, mit einem gravierenden


Rückgang der Anzahl der Eidechsen,
Frösche und möglicherweise Vögel.
Nachdem die Studie veröffentlicht
wurde, erhielt Lister zahlreiche Nach-
richten von anderen Wissenschaft-
lern. Die meisten von ihnen erforsch-
ten Invertebraten (wirbellose Tiere)
und teilten ihm mit, dass sie einen
ähnlich erschreckenden Rückgang
festgestellt hatten.
Chris Thomas, Insekten-Ökologe
an der University of York, sagt, Insek-
ten reagieren wie andere Lebewesen
auch auf „die Veränderung der Um-
welt“. Damit ist nicht nur der Klima-
wandel gemeint, sondern auch die
Umwandlung von natürlichem in vom

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