Geo Epoche - 08.2019

(lu) #1
MITHILFE dieser Kurbel

reist er nach Berlin. Umgarnt die Kurfürstin mit
seinem Scharfsinn, bis die schließlich bekennt,
seine "Schülerin" zu sein. Und 1700 bewilligt
Friedrich Ill. tatsächlich die Akademie: mit
Leibniz als Präsidenten, allerdings ohne Budget.


kann man bestimmte
Teile der Maschine vor- erschütternden Kriege zum Trotz), dass der
Gang der Dinge so vernünftig ist wie Algebra.
"Indem Gott rechnet und seinen Gedanken
ausführt", so schreibt er, "entsteht die We lt:'

undzurGckbewegen.
Dadurch vergrößern
sich die eingegebenen
Zahlen - und Rech- Nichts in ihr geschehe ohne zureichenden
Der Gelehrte sucht die Mitglieder zusam­ Grund. Und so sei sie vielleicht nicht unein­
men, lädt sie zu Sitzungen. Doch die Männer,
die er findet, sind eher Dilettanten als Genies



  • ein Archivar und Hobby-Mathematiker etwa,
    ein Kalendermacher mit Faible für Astronomie,


nungen bis in den
16-stelligen Bereich
werden möglich

geschränkt gut - aber doch die beste aller mög­
lichen We lten: die einzige logische Option, die
dem rechnenden Gott zur Auswahl stand.

ein Prediger, der nebenbei zur Geschichte der Branden­
burger Bischöfe fo rscht, ein Arzt, der mit Brenngläsern
experimentiert. Und es ist nicht die Schuld von Leibniz,
dass die Kollegen ihm bald das Heft aus der Hand nehmen
und das Projekt lange in der Bedeutungslosigkeit verebbt.


n Gesprächen mit der Kurfürstin und deren Gäs­
ten stellt er seine philosophischen Gedanken auf
den Prüfstand. Immer deutlicher entwickelt er
jetzt eine Philosophie, die seiner Sehnsucht nach
Harmonie das theoretische Rüstzeug verschafft.
Und natürlich ist sie, wie es sich für einen Universalge­
lehrten gehört, nicht einfach Metaphysik- sondern, wie
er bekennt, "sozusagen gänzlich Mathematik".
In seiner "Theodizee", dem umfangreichsten We rk,
das er je publiziert, unternimmt er nicht weniger als
die Ve rteidigung Gottes mit den Mitteln der Logik: Er
besteht darauf (dem Irrsinn der Europa immer wieder


Auch die Dyadik, sein Zahlensystem aus
Einsen und Nullen, dient Leibniz weniger als Mittel zur
Lösung mathematischer Probleme, sondern vor allem als
Metapher fü r die Allmacht Gottes (symbolisiert durch
die 1), der die Welt aus dem Nichts (0) geschaffen hat.
Und seine Infinitesimalrechnung ist ihm nicht nur
ein We rkzeug, das ihm hilft, die Steigungen an beliebigen
Punkten von Kurven zu bestimmen und durch die Kurven
begrenzte Flächen zu berechnen - sondern ein weiterer
Beleg dafür, dass "alles mathematisch" und "unfehlbar
zugehe in der ganzen weiten We lt".
Doch während sich der Gelehrte noch im Glanz
seines wachsenden Ruhms sonnt, pocht der hannoversche
Fürst Georg Ludwig (der 1698 seinem Vater Ernst August
nachgefolgt ist) immer wieder auf die Erfüllung der
Dienstpflichten. Allmählich, so kolportiert es jedenfalls
ein hannoverscher Gesandter am Kaiserhof in Wien, habe
Georg Ludwig genug von den "unendlichen Korrespon­
denzen" seines Untertans, dessen "Hin-und Wiederrei-

124 I GEO EPOCHE Deutschland um 1700

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