Es ist leicht, sich auf den ersten Blick
täuschen zu lassen. Die Stadt zu unter
schätzen, wie sie sich da so präsentiert:
fast ein wenig zu klein für eine Metro
pole, halbversteckt, wie weggeduckt
hinter überbreiten Mauern. Ein Fleck
auf flachem Land am Fluss, keine Vor
städte, nichts von We ltstadtweite.
Aber dieser Ort lässt sich ohnehin
nicht allein an der Zahl seiner Häuser,
Straßen, Menschen messen. Hier ver
sammeln sich die Mächtigsten der deut
schen Lande, hier ballt sich viel Geld.
Und daher gehört Frankfurt am Main
zu den wichtigsten Städten im Heiligen
Römischen Reich deutscher Nation.
Eine Reichsstadt ist diese Metro
pole, frei und selbstbestimmt, von kei
nem Fürsten, keinem Bischof abhängig,
allein dem Kaiser untertan. Seit einem
halben Jahrtausend der Ort, an dem
ebendieser römisch-deutsche Kaiser ge
wählt wird von den höchsten weltlichen
und geistlichen Adeligen des Reichs.
Und zweimal im Jahr wird die Stadt
zum Kaufhaus des Reichs: im Frühling
zur Fastenmesse, die am dritten Sonntag
vor Ostern beginnt, und im Spätsommer
zur Herbstmesse zwischen den Feier
tagen Mariä Himmelfahrt und Mariä
Geburt. Diese Treffen ziehen Kaufleute
und Fürsten aus halb Europa an.
Auch jetzt, in den ersten Märztagen
des Jahres 1704, ist Frankfurt Mittel
punkt des Reichs. Die Messe am Main
ist berühmt für ihren Buchmarkt, auf
Viertel um den
Römerberg, dem
von prächtigen
Bürgerhäusern
gesäumten Rat
hausplatz, voller
Buden: Dann
werden in der
Stadt nicht nur
Waren, sondern
auch Nachrich-
ten und Ideen
ausgetauscht
dem Verleger ihre We rke dem Publikum
vorstellen. Und für ihre Luxuswaren wie
Gold, Diamanten, Seidenstoffe.
We it draußen vor den To ren emp
fangen Frankfurter Reiter an den Tagen
zuvor die Kaufmannszüge aus Nürnberg,
Augsburg oder Köln mit einem Will
kommenstrunk und geben den Messe
gästen das Geleit in die Stadt.
Frankfurt verschanzt sich hinter
einem meterdicken steinernen Wa ll mit
40 I GEO EPOCHE Deutschland um 1700
Bastionen, einem breiten Wassergraben
und 60 Türmen. Die To re, tagsüber
bewacht, werden bei Dunkelheit ge
schlossen. We r sie in den Nachtstunden
passieren will, muss Sperrgeld zahlen
und ist gehalten, das Öffnen rechtzeitig
schriftlich zu beantragen. Der To rwäch
ter holt den Schlüssel dann bei einem
der beiden Bürgermeister ab.
Ta gsüber strömen die Messebesu
cher aus allen Richtungen in den Ort-