Wie kam das >>Ü<< ins Türkische?
I I
berraschung: Es ist ein Import
aus Deutschland. Mustafa Ke
mal, der später als Atatürk be-
u kannt wurde und die moderne
Türkei begründete, veranlasste 1928
umfangreiche Sprachreformen. So er
setzte er das arabische Alphabet durch
das lateinische. Er wollte die Bevölke-
rung von den >>unverständlichen Zei
chen erlösen, die seit Jahrhunderten
unsere Gehirne in ihren eisernen Fes
seln gefangen halten<<.
Eine spezielle Schriftkommission
beriet monatelang über das >>neue türki
sehe Alphabet<< - dann soll Atatürk die
Sache selbst in die Hand genommen und
in einer Nacht Fakten geschaffen haben.
Für >>q«, >>w« und >>X<< gab es im Türki
schen keine Verwendung. Der Staatschef
erfand aber neue Zeichen- wie das >>i<<
ohne Punkt - und übernahm aus dem
8/2019
Französischen das Cedille (�). Aus dem
deutschen Alphabet fügte er die Umlau
te >>Ö<< und >>Ü<< hinzu.
T0RKiYE
B0Y0K MILLEl MECLisi
Mit dem osmanischen Türkisch, das
Atatürk als Sprache der Elite ablösen
wollte, hatte das neue Türkisch nur noch
70 Prozent des Wortschatzes gemeinsam.
Atatürk rief in den Medien dazu auf,
neue umgangssprachliche Begriffe zu
finden, die die bisherigen persischen
und arabischen ersetzen sollten. Etliche
entlehnte Wörter aus diesen Sprachen
seien aber nie durch neue ersetzt wor
den, kritisiert etwa der Sprachwissen
schaftler Geoffrey Lewis. Die türkische
Sprache sei unterm Strich verarmt. Was
vor der Reform geschrieben wurde, ist
für die meisten heutigen Türken nicht
mehr lesbar. (thr)
Mustafa Kemal Atatürk (Bildmitte,
vor der Großen Nationalversammlung
der Türkei) veränderte die Sprache
grundlegend
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