Neue Zürcher Zeitung - 05.08.2019

(Dana P.) #1
Montag, 5. August 2019 GELD & FINANZEN 21

Wie man beim Haushaltsbudget spart


Auch fixe Posten wie Wohnen, Essen, Krankenkasse, Steuern und Mobilität lassen sich reduzieren


MICHAEL FERBER


«Man hätte einfach nur die schwäbi-
sche Hausfrau fragen sollen. Sie hätte
uns eine Lebensweisheit gesagt: Man
kannnicht aufDauer überseineVer-
hältnisse leben.» Mit diesenWorten äus-
serte sich die deutsche Bundeskanzlerin
Angela Merkel 2008 zumAusbruch der
Finanzkrise und zur Schuldenpolitik von
Regierungen. Ihr Bonmot giltauch für
jeden privaten Haushalt. In jedem Bud-
get gibt es fixeKosten, die stark zu Bu-
che schlagen, sich aber möglicherweise
reduzieren lassen.Dazu zählen dieAus-
gaben fürWohnen, Essen, die Kranken-
kasse, Steuern und weiterePosten.
Laut Andrea Schmid-Fischer vom
Dachverband Budgetberatung Schweiz
sindFamilien mit den höchstenFix-
kosten konfrontiert.«Wichtig ist, dass
sie um Geburten-, Kinder- undAusbil-
dungszulagen wissen und diese auch
beantragen»,sagt sie.Desgleichen emp-
fehle es sich, abzuklären, ob ein An-
spruch auf die Prämienverbilligung be-
stehe und ob alle möglichen Steuer-
abzüge gemacht würden. «In derFami-
lie Geld sparen hat manchmalmehr mit
Sozial- undFinanzkompetenzen zu tun
als mit Spartipps.»Dabei gehe es um
eine realistische Budgetierung und die
Einhaltung des Budgets – damit Geld
nicht in den Händen zerrinne,sondern
dahin fliesse, wo dieFamilie es haben
wolle. Dies sei anspruchsvoll,wenn meh-
rere Personen involviert seien.
Paare profitieren laut Schmid-Fischer
von einem grossen Synergieeffekt.Wenn
sie diesen nach dem Motto «zwei Ein-
kommen,(noch)keineKinder» nutzten,
hätten sie gute Chancen, angenehm zu
leben, dabeiVermögen zu bilden und –
sollte dieFamilienphase noch vor ihnen
liegen – sich in eine guteAusgangslage
zu bringen. «Der ganze Nutzen verpufft
jedoch, wenn beide Einkommen an die
Grenzen genutzt werden: eine teure
Wohnung undFerien, zweiAutos, häu-
figes Auswärtsessen usw.», sagt sie.
Einzelpersonen haben laut Schmid-
Fischer grundsätzlich die gleichen Spar-
möglichkeiten.«Wollen sie jedoch sozial
teilhaben, so geben sie dafür verständ-
licherweise oft mehr Geld aus als an-
dere.» Dazu zählt sieAusgaben fürAus-
wärtsessen, Kino oderFitness. Bei den
oben genanntenKostenblöcken gibt es
für alleArten von Haushalten Sparmög-
lichkeiten.


Wohnen


„Sparpotenzial durch Umzüge oft
begrenzt: Das grosse Sparen durch
den Umzug in eine günstigere Immobi-
lie ist für viele Haushalte unrealistisch.
Laut Schmid-Fischer hängt es von der
Lebenssituation, der AnzahlFamilien-
mitglieder und natürlich auch von den
persönlichenAnsprüchen ab, ob und
wie viel beimWohnen gespart werden
kann. Es brauche meistens viel Geduld
bei der Suche und eineRückkehr zu tie-
ferenWohnansprüchen.


„Nebenkostenreduzieren undVer-
träge prüfen:Gerade bei den Neben-
kosten gibt es aber oftmals Sparpoten-
zial. Dazu gehört beispielsweise, regel-
mässig zuprüfen, ob beispielsweise elek-
tronische Geräte eingeschaltet sind,
obwohl sie nicht genutzt werden – oder
ob Räume beleuchtet werden, auch
wenn das gar nicht nötig ist. Zudem ist
die Nutzung von Energiesparlampen
zu empfehlen. DesWeiteren sollte der
Wasserverbrauch imAuge behalten wer-
den, und imWinter schlägt übertriebe-
nes Heizen finanziell zu Buche. Immobi-
lieneigentümer sollten zudemVersiche-
rungspolicen und Wartungsverträge
regelmässig überprüfen. Mieter sollten
derweilkontrollieren, ob in der Neben-


kostenabrechnung unzulässigePosten
enthalten sind.

„Referenzzinssatz im Auge behal-
ten:Für Mieter ist der hypothekarische
Referenzzinssatz des Bundesamts für
Wohnungswesen (BWO) wichtig. Die-
ser Satz gilt für die Mietzinsgestaltung.
Er ist in den vergangenenJahren ge-
fallen, seit 2017 liegt er bei 1,5%. Sinkt
der Satz,können vieleMieter einen
Anspruch auf eine Senkung des Miet-
zins es geltend machen.Wie dasBWO
in einem Communiqué mitteilt, besteht
auch ein Senkungsanspruch, wenn der
Mietzins im einzelnen Mietverhältnis
nicht auf dem derzeitigenReferenzzins-
satz von 1,5% basiert.Laut demVer-
gleichsdienst Comparis ist aber zu be-
ac hten, dass dies nicht für Mietverträge
mit Staffel-, Index- oder subventionier-
ten Mieten gilt, bei denen imVornher-
ein einekontinuierliche Mietzinserhö-
hung vereinbart wurde.

Essen


„Mehr selberkochen: DerPosten
Einkäufe und Essen berge viel Spar-
potenzial, sagt Schmid-Fischer.Dies
dürfe jedoch nicht zulasten der Gesund-
hei t gehen. «Es lässt sich auf jedenFall
vielfältig,günstig und gesundkochen.
Teuer sindFertiggerichte und all die
feinen Dinge to go», sagt sie. Es sei ein
grosser Unterschied, obVerpflegung zu
Hause vorbereitet und zurArbeit mitge-
nommen werde oder nicht.

„Guter Umgang mitVorräten:Auch
im Budget spürbar werde der Umgang
mit Vorräten, fährt die Budgetberate-
rin fort.«Werden dieseregelmässig um-
gesetzt?Wie viele Lebensmittel landen
im Abfalleimer? Ein einfacherTrick ist:
Verwerten Sie am Anfang des Monats
Ihre Vorräte.» Aktionen seien kritisch
zu bewerten:Konsumenten sollten zwei-
mal überlegen, bevor sie drei Produkte
für zwei kauften, wenn man doch nur
eines brauche.

Krankenkasse


„Sparen bei der Krankenvers iche-
rung:In der Schweiz müssen Kranken-

kassen in der Grundversicherung die-
selbenLeistungen anbieten. Obwohl
dies so ist, gibt es bei den Prämien der
Kassen erhebliche Unterschiede. Es
empfiehlt sich also, zu vergleichen. Ist
man dazu bereit, sich perTelefon medi-
zinisch beraten zu lassen oder auf die
freie Arztwahl zu verzichten, tun sich
zudem Sparmöglichkeiten auf. Laut
MichaelKuhn, Finanzexperte bei Com-
paris, kann einevier köpfigeFamilie bei
der Krankenversicherung bis zu 2500Fr.
im Jahr sparen, eine Einzelperson bis zu
1020 Fr. Allerdings solltenVersicherte
nicht vergessen, dass auch der Service
einer Kasse einenWert hat – vor allem
für Menschen mit grösseren gesundheit-
lichen Problemenkanndies sehrrele-
vant sein.

„Entweder niedrigste oder höchste
Franchise:Bei der Krankenversiche-
rung istes im Allgemeinenratsam, ent-
weder die niedrigste oder die höchste
Franchise auszuwählen: also 300 oder
25 00 Fr. Personen, die in einemJahr
Gesundheitskosten von mehr als 20 00
Fr.verursachen, ist im Allgemeinen die
niedrigsteFranchise zu empfehlen.

Steuern


„Steuerabzüge nutzen:Es gibt ver-
schiedene Möglichkeiten, die steuer-
baren Einkünfte mittels Abzügen zu
reduzieren. So lässt sich die Steuerrech-
nung oft deutlich verringern. Beispiele
sind Berufsauslagen wieFahrtkosten
oderVerpflegungskosten,Kosten für
die beruflicheWeiterbildung,Versiche-
rungsprämien oderAusgaben für fremd-
betreuteKinder. Verringern lassen sich
die steuerbaren Einkünfte auch durch
Einkäufe in diePensionskasse oder
Einzahlungen in die Säule 3a. Abzugs-
möglichkeiten gibt es auch für Immobi-
lieneigentümer. Je nachKomplexität der
Steuererklärung kann es sich dabei loh-
nen, diese einem Steuerberater zu über-
geben.

„Schnelles Bezahlen lohnt sich –
ein bisschen: Wer seine provisori-
sche Rechnung für die Staats- und Ge-
meindesteuernrasch bezahlt, hat – je
nach Kanton – möglicherweise einen
finanziellenVorteil. In Zürich erhalten

die Steuerpflichtigenderzeit einen klei-
nen Vergütungszins von0,5%, der 2020
allerdings auf 0,25% sinkt.

„Bedeutung desWohnorts:Steuer-
pflichtige sollten ausserdem beachten,
dass derWohnort für die Steuerbelas-
tung eine wichtigeRolle spielt.Wer also
den Kauf einer Immobilie oder einen
Umzugerwägt,solltesichdessenbewusst
sein und sich vorab gut informieren.

Weitere Kosten


„Kosten für dasAuto überprüfen:
«Bei der Mobilitätlässt sich mit der
Kombination aus Zu-Fuss-Gehen und
der Nutzung des öffentlichenVerkehrs
sowie desFahrrads schnell sehr viel
Geld sparen», sagt Schmid-Fischer.Vor-
aussetzung sei, dass dasAuto nicht aus
beruflichen Gründen unentbehrlich
sei. Auch wenn der öffentlicheVerkehr
teuer erscheine, im Vergleich zu einer
Vollkostenrechnung beimAuto sei er
immer noch unschlagbar.Wer nicht auf
das Auto verzichten möchte, hat indes-
sen oft Sparpotenzial bei seinerAuto-
versicherung. Ein regelmässigerVer-
gleich von Angeboten zahltsich aus.

„Tarif- und Abostruktur fürTelekom
und Internet prüfen:Je nach Nutzungs-
verhalten ist das Sparpotenzial bei der
Telekommunikation unterschiedlich.
Comparisrät, zu prüfen, welcheTarif-
und Abostruktur am besten zur jewei-
ligenPerson passt. So sollte sich bei-
spielsweise jemand, der hoheRechnun-
gen bekommt,denAbschluss eines Flat-
rate-Abonnements überlegen.

„Kosten fürFreizeitaktivitäten:«Der
Freizeitmarkt boomt, hier wird sehr viel
Geld ausgegeben – sei es inRestaurants,
in Klubs, bei Sportveranstaltungen, bei
Konzerten und natürlich auch aufRei-
sen», sagt Schmid-Fischer. Hierkönne
mit etwas Einfallsreichtum schnell sehr
viel Geld eingespart werden.«Warum
nicht ab und zu mitFreunden zu Hause
kochen, einenFilmabend veranstalten
oder ein Picknick imPark organisie-
ren?» Eine hohe Lebensqualität habe
oft keinen direkten Zusammenhang
mit hohenAusgaben, sondern werde in
einer anderenWährung gehandelt.

Es lohnt sich, dieKosten –von liebgewonnenen Gewohnheiten bis hin zurWahl desWohnorts–zuüberprüfen. ILLUSTRATION AUREL MÄRKI

Märkte und Meinungen


Zinssenkungen


garantieren


keine Hausse


MICHAEL SCHÄFER

Anleger lieben Zinssenkungen. Einer-
seits verbinden sie damit die Hoffnung
auf eine Stimulierung derWirtschaft.
Für Firmen wird es nämlich günstiger,
Gelder aufzunehmen,die sie in ihre Pro-
jekte investierenkönnen. Andererseits
werden dadurch Aktien imVergleich
zu Obligationen attraktiver, weil Letz-
tere dann niedrigereRenditen abwerfen.
Dass sich die Börseninden vergange-
nen Wochen von ihrer Sonnenseite ge-
zeigt haben, hängt vor allem mit der Er-
wartung der Marktteilnehmer zusam-
men, dass die US-NotenbankFed den
Leitzins erstmals seit mehr als zehnJah-
ren senken wird.
So weit, so klar. Doch nun,da das
Fed den erwarteten Schritt vollzogen
hat, wird die Sache deutlichkomplizier-
ter. Ein nicht unerheblicherTeil derAn-
leger war von einer Senkung um einen
halben Prozentpunkt ausgegangen, also
vom Doppelten des tatsächlichenWerts.
Kurzfristig hat das bei diesen Investo-
ren zu einer Enttäuschung geführt. Und
auch längerfristig ist es alles andere als
klar,ob die geldpolitische Lockerung
die Aktienkurse massgeblich beflügeln
wird. Und zwar selbst dann, wenn die
US-Notenbank den eingeschlagenen
Kurs fortsetzen wird, was sie jedoch be-
wusst offengelassen hat.

Das Fed hat die Leitzinssenkung zu
ein em ungewöhnlichen Zeitpunkt vor-
genommen, denn die Aktienmärkte in
den USA und an anderen Börsen ver-
zeichnenRekord niveaus, und die US-
Wirtschaft glänzt mitVollbeschäftigung.
Ausschlaggebend für denPolitikwechsel
waren eine hartnäckig tiefeTeuerungs-
rate in den USA sowie eine sich ab-
schwächendeWeltkonjunktur. Das Fed
will damit einer drohendenRezession
vorbeugen, auch wenn eine solche nicht
unmittelbar bevorstehen dürfte.
In vergleichbaren Episoden hat das
Fed die Zinsen durchschnittlich ge-
rade einmal um 75Basispunkte zurück-
genommen.Das wäre insofernrealis-
tisch, als die US-Notenbank nicht über
allzu viel Spielraum verfügt und vermut-
lich nicht all ihr Pulver verschiessen will.
Die Märkte gehen aber davon aus, dass
die Reduktion mindestens 100Basis-
punkte betragen wird, was ebenfalls
Potenzial für eine Enttäuschung birgt.
Grosse Unsicherheit geht aber auch
von derTatsache aus, dass sich Zins-
senkungen in derVergangenheit nicht
als zuverlässiges Mittel herausgestellt
haben, um Rezessionen zu vermei-
den. In 9 von19 Zinssenkungszyklen
seit 1950 ist das misslungen. Kam es zu
einerRezession, verlor der US-Aktien-
markt im Schnittgut einenViertel sei-
nes Werts und erreichte denTiefpunkt
fünfMonatenachdemerstenZinsschritt.
KonnteeineRezessionabgewendetwer-
den, legten die US-Börsen nochmals zu,
allerdingserstnacheinervolatilenPhase.
Angesichts der weit auseinander-
liegenden Ergebnisse der beiden Sze-
narien dürftees für Anleger in die-
ser Phase besondersratsam sein, keine
grossenWetten einzugehen. Zumal das
Chancen-Risiken-Verhältnis schon vor-
teilhafter war, als es derzeit derFall ist.

Die handelspolitischen Verwerfungen lassen die Anleger


Schutz in starken Währungen suchen SEITE 22


Die Zurich Schweiz bietet eine innovative Vorsorgelösung


mit Sockelrente an SEITE 22


Ein Teil der Anleger
ging von einer Senkung

um einen halben
Prozentpunkt aus,

also vom Doppelten.

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