Die Welt Kompakt - 01.08.2019

(Brent) #1
auch selten nach frisch gebacke-
nem Brot oder Ledersitzen. Auch
mein Rad muss ich abends nicht
mehr mitnehmen und dann an-
derntags irgendwo suchen, weil
ich zu faul war, um von Neukölln
damit nach Hause zu fahren.
What a time to be alive!
Abends, wenn die Sonne unter-
gegangen ist, sehe ich die Juicer,
die E-Roller mit süßen Miniatur-
Nummernschildchen in ihre
Kastenwagen laden wie er-
schöpfte Schlittenhunde. Sie
kommen zeitgleich mit den
Schwalben und den Fledermäu-
sen heraus. Diese jungen Leute
sind freie Unternehmer, denn
die Sharing Economy ist eine Gig
Economy. Jeder ist sein eigener
Herr. Ob die fleißigen Akkutau-
scher auch hier im Viertel woh-
nen? Möglicherweise fahren sie
mit der S-Bahn oder dem Diesel
rein, um den Millennials in den
Szenekiezen morgens ein emis-
sionsfreies Gleiten in die Agen-
tur zu ermöglichen.
Wie viele Dieselkilometer
muss man wohl in so einem
Transporter zurücklegen, um die
AAAkkus von 4800 E-Rollern einen
Sommer lang geladen zu halten?
Darüber denkt man lieber nicht

nach. Man denkt am besten über-
haupt nicht mehr so viel nach,
dazu ist es auch viel zu warm und
der Sommer zu schön. Es ist
eben der Sommer der großen
Mobilmachung. Sharing, heißt
es, wird uns alle verändern. Frü-
her redete man gern vom Kampf
der Radler gegen die Autofahrer
und dem ewig unterlegenen Fuß-
gänger. Heute kann jeder alles
sein, je nach Lust und Laune. Wir
können für jeden Weg neu ent-
scheiden, was wir brauchen oder
wollen. Seltsamerweise war es
auf den Straßen auch noch nie so
voll. Berlin war 2018 die Haupt-
stadt der Verkehrsstaus, die Zahl
der angemeldeten Autos erreicht
ein Rekordlevel. Und wenn wir
noch mehr sharen? In der Studie
des Öko-Institutszu Carsharing
in Stuttgart, Frankfurt und Köln
stellte sich heraus, dass der Fahr-
zeugbesitz im zweijährigen Un-
tersuchungszeitraum signifikant
gestiegen ist. Der Lieferverkehr
boomt derweil. Eine rasant
wachsende Zahl von Menschen
eilt mit Transportern durch die
Stadt, um Rollerakkus zu tau-
schen, Leihfahrräder umzuset-
zen, Scooter aus Bäumen zu an-
geln oder im Internet bestellte

Dinge auszuliefern. Sie fahren
herum, um knittrige Hemden
abzuholen und gebügelt zurück-
zubringen. Alles geht per App,
nur der Sprinter muss weiterhin
fffahren.ahren.

Da die Berliner Luft mittler-
weile derart schlecht ist, werden
2020 acht Straßen zu Diesel-
sperrzonen erklärt, die Autos mit
Euro 5 oder schlechter umfahren
müssen, was natürlich für mehr
Verkehr sorgt. Ganz schön ver-
rückt, aber Vernunft spielt in die-
sem Sommer so gut wie keine
Rolle, erst recht nicht für mich.
Es gibt kaum einen Weg in Ber-
lin, bei dem mein altes Fahrrad
mehr als zehn Minuten langsa-
mer ist, trotzdem nehme ich im-
mer wieder gern den Roller oder
das Leihauto oder den E-Scooter.
Weil es so schön surrt, weil es
neu ist, wegen der guten Hi-Fi-
Anlage. Und bis zum Auto brin-
gen mich die E-Roller, die stehen
oft direkt vor der Haustür. Es ist
schon lustig: Die Glühbirne ist
verboten, aber wenn kuriose
Start-ups mit in China unter Ver-
wendung von viel Kohlestrom ge-
fertigten Rollern, deren Lebens-
zeit auf wenige Monate begrenzt
ist, unsere Städte fluten, dann
werden sie von der Politik
freundlich hereingewinkt. Das
muss diese neue Leichtigkeit
sein, die mit dem wärmeren Kli-
ma kommt.
Man gewöhnt sich an alles. In
der Stadt Auto fahren fand ich
früher Horror, jetzt mache ich es
ab und zu, wenn mir ein Auto ge-
fällt. Die Minutentarife bei
Car2Go sinken übrigens um drei
Cent, wenn es gerade ein Über-
angebot an Autos in einem Vier-
tel gibt. Mieten Leute sich wirk-
lich ein Auto, nur weil es gerade
drei Cent billiger ist? Offensicht-
lich. Wie gesagt, Vernunft wird
überbewertet. 20 Stunden am
Tag steht so ein Sharing-Auto im
Durchschnitt herum. Die neuen
E-Roller, so eine aktuelle Studio
von Civity, werden im Schnitt
nur vier- bis sechsmal am Tag be-
wegt. Sonst stehen sie da und
warten.
Das Stadtbild hat sich durch
die 16.000 Leihfahrräder und die
E-Roller im Zentrum verändert.
Oft versperren sie Wege und
Ausgänge, aber das wird erstaun-

lich gleichmütig hingenommen.
Wenn ein Berliner Café einen
Tisch auf den Gehweg stellen
will, braucht es dafür eine kos-
tenpflichtige Genehmigung des
Bezirksamtes.
In derselben Stadt stehen Zig-
tausende Fahrräder und Roller
privater Firmen kostenlos he-
rum, blockieren 5000 Autos 20
Stunden pro Tag öffentlichen
Grund (immerhin gegen Ge-
bühr). Städte wie München oder
Düsseldorf unterstützen die
Carsharing-Anbieter noch mit
extrem niedrigen Parkpauscha-
len, sie tun überhaupt alles, da-
mit die Großstädter auch noch
den letzten Meter zum Bioladen
oder zur Kita in einem BMW
oder Mercedes zurücklegen kön-
nen. Dafür hat die Bundesregie-
rung sogar 2017 ein Gesetz erlas-
sen, das „Gesetz zur Bevorrechti-
gung des Carsharing“.
Wie heißt es bei Rilke: Wer in
der Klimakrise immer noch kein
Auto hat, der shared sich viel-
leicht eins. Die Solidargemein-
schaft erhält die Möglichkeit, die
darbende Autoindustrie zu stüt-
zen, und subventioniert einen lü-
ckenlosen Nahverkehr, damit das
Geschäftsmodell der Start-ups
und Großkonzern-Joint-Ventures
überhaupt funktionieren kann.
Das nennt sich dann Verkehrs-
wende, und alle finden es toll:
die Millennials, die jetzt ab und
zu BMW-Cabrio fahren statt S-
Bahn, die Manager in den Auto-
konzernen, die weiterhin ihre
Autos loswerden, und die Stu-
denten, die dann eben nicht kell-
nern gehen, sondern juicen.
„Fahr den Spaß!“ lautet der Slo-
gan, unter dem jetzt noch einmal
1500 e-Golfs zum Berliner Sha-
ring-Wahnsinn hinzugekommen
sind, betrieben von einer Volks-
wagen-Tochterfirma namens
WeShare. Auch sie stehen nicht
in Marzahn oder in Zehlendorf,
sondern bei mir in Mitte, wo ei-
gentlich kein Mensch ein Auto
braucht. Alle freuen sich darü-
ber, vor allem ich. Was für ein
Sommer!

Es ist Sommer in Ber-
lin, es ist heiß, und die
beste Abkühlung ver-
schafft sich, wer mit

DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT DONNERSTAG,1.AUGUST2019 KULTUR 21


IM KINO


EIN FILM VON
PEDRO ALMODÓVAR

ANTONIO
BANDERAS
UNTER BESONDERER MITWIRKUNG VON
PENÉLOPE
CRUZ

JETZT IM KINO


Aachen Apollo-Filmtheater
Berlin Capitol Dahlem,
CinemaxX Potsdamer
Platz, Delphi Film-
palast, Delphi Lux,
Blauer Stern, Film-
theater am Friedrichs-
hain, Hackesche Höfe,
International, Kino
in der Kulturbrauerei,
Neues Off, Passage,
Rollberg, Union
Filmtheater, Wolf Kino,
Yorck Kino
Bielefeld Lichtwerk
Bochum Casablanca
Bonn Neue Filmbühne,
Rex Lichtspieltheater
Bremen Cinema Ostertor
Dortmund Camera Filmtheater
Dresden Kino in der Fabrik,
Programmkino Ost,
Schauburg, Thalia
Duisburg Filmforum
Düsseldorf Cinema
Essen Astra - Filmtheater
Frankfurt/M.Cinema, Eldorado,
Orfeo‘s Erben
Gera Metropol Kino
Halle/SaaleLuchs Kino

Hamburg ASTOR Film Lounge,
HafenCity, Abaton,
Holi, Zeise
Hannover Hochhaus Lichtspiele,
Kino am Raschplatz
Jena Kino im Schillerhof
Kassel Bali Filmtheater
Kiel Studio Filmtheater
am Dreiecksplatz
Köln Cinenova, Lichtspiele
Kalk, Odeon Kino,
Off Broadway Kino,
Residenz
Leipzig Passage
Lübeck Filmhaus Lübeck
München ASTOR Filmlounge im
ARRI, City,
Leopold Kinos, Neues
Arena, Rio Palast,
Studio Isabella,
Theatiner Filmkunst
Münster Cinema
OberhausenLichtburg
Oldenburg Casablanca
Osnabrück Cinema - Arthouse
Potsdam Thalia
Stuttgart Atelier am Bollwerk
Wiesbaden Apollo-Center
und in vielen weiteren Kinos

Leid und Herrlichkeit | Jetzt in diesen Kinos

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