Der_Stern_-_29_September_2022

(EriveltonMoraes) #1

Als der stern im Hotel „Bayerischer Hof“ in


München eintrifft, sind die beiden schon


da, an einem kleinen Tisch auf der Empo-


re des Foyers. Diane Messner, 42, schaut auf,


ein offenes Lächeln. Reinhold Messner, 78,


wirkt kleiner und schmaler, als er auf vie-


len Fotos aussieht, der wilde Strudel sei-


nes Haars ist grau, fast weiß. Je länger das


Interview dauert, desto größer scheint


Messner zu werden. Bei manchen Fragen


sucht seine Hand Halt in der Sofaritze, als


wäre sie eine Felsspalte.


Frau Messner, wie verlief Ihre erste


Begegnung?


DIANE MESSNER: Das war im August 2018


in Südtirol. Ich saß abends vor Schloss


Bruneck auf dem Holzgeländer der Zug-


brücke, ich wollte ein georgisches Berg-


völkerfest besuchen. Da ging das Tor auf,


und Reinhold kam heraus...


REINHOLD MESSNER: Ich sah sie dort


sitzen, nahm ihre Ausstrahlung wahr, viel-


leicht war es auch ihr Kleid.


DIANE: Es war ein schöner Abend. Rein-


hold ging herum und sprach mit den Gäs-


ten. Ich bat ihn um ein Foto. Er musterte


mich, wir plauderten, und er fragte mich


nach meiner Telefonnummer. Ich verriet


sie ihm, aber er wusste nicht, wie man sie


ins Handy speichert, und bat mich, das für


ihn zu machen.


REINHOLD: Ich habe mir eine Blöße gege-


ben, aber es war eine Möglichkeit, Diane


kennenzulernen.


DIANE: Er kam mir sehr nahe, das hat mich


etwas irritiert.


REINHOLD: Aber ich bin dir nicht auf die


Pelle gerückt!


DIANE: Er hat seinen Arm um meine Hüf--


te gelegt, was wohl auch ein bisschen am


A


georgischen Wein lag.
REINHOLD: Also, die Georgier haben eine
großartige...
DIANE: ...Ess- und Trinkkultur, ja.
REINHOLD: Ganz groß!
DIANE: Am nächsten Tag rief er an. Ich
dachte zunächst, dass er mir einen Job an-
bieten wolle. Doch als er sagte, dass er nicht
mehr in einer Beziehung sei, dachte ich:
Ah! Okay! Hier geht’s um was anderes.
REINHOLD: Ich war nicht auf Brautschau!
Frau Messner, Sie waren damals mit
einem anderen Mann verheiratet.
DIANE: Ja. Reinhold fragte nach meinem
Beziehungsstatus. Ich habe ihm von mei-
nem Leben erzählt, auch von meinem Sohn
Reto, der damals knapp zwölf war. Tut mir
leid, sagte Reinhold, dann beenden wir das
Gespräch, ich möchte mich nicht in eine
Beziehung drängen. Das fand ich sehr fair.
Aber dann war ich es, die sagte: Moment!
Ich schilderte ihm meine private Situation.
Und sagte ihm, dass ich mir unter Zusam-
menleben etwas anderes vorstellte als das,
was ich damals mit meinem Mann lebte.
Suchten Sie ein Abenteuer?
DIANE: Nein, ich war nicht auf der Suche
nach einer neuen Liebe. Aber manchmal
spürt man instinktiv: Das könnte ein neu-
er Lebensabschnitt sein. Ich schlug Rein-
hold ein Abendessen vor. Ein paar Wochen
später saßen wir in einem Restaurant in
Bruneck. Wir stießen auf einen netten
Abend an. Ich lächelte, setzte mein Glas ab
und sah ihn erwartungsvoll an. Da fragte
er: Kannst du kochen?
Im Ernst?
DIANE: Ich brachte ein Ja hervor. Das Ver-
hör war noch nicht zu Ende. Er fragte nach
meinen praktischen Fähigkeiten, sagte,
dass es nicht reichen würde, mit meinen
schönen Augen blink-blink zu machen.
Warum sind Sie nicht aufgestanden und
gegangen?
DIANE: Weil ich neugierig war. Man hört
viel über ihn. Dass er schwierig sei, ein Ego-
mane.
Und wie ist er wirklich?
DIANE: Ein verantwortungsbewusster, be-
scheidener und ehrlicher Mensch.
REINHOLD: Ich habe ihr gesagt: Ein Leben
mit mir ist hart. Es geht meistens um mich.
Gehe ich in einen Saal, schauen die Leute
auf mich, auf niemanden sonst. Die aller-
meisten Menschen an meiner Seite hatten
Probleme damit.
DIANE: Ich hatte Bedenken, dass ich an sei-
ner Seite nicht die Liebe und Aufmerksam-
keit erfahre, die ich brauche.
Sie verließen Ihren Sohn und Ihren Mann
für Reinhold Messner, warum?
DIANE: Ich war 38, es war eine Möglichkeit,
noch einmal ein neues Leben anzufangen.

Wir wachsen aus Rollen heraus. Ich hatte
mit 20 geheiratet. Mein Ex-Mann und ich
arbeiteten viel, wir lebten ein Klischee: Fa-
milie, Haus, Hund, später blieben wir aus
Bequemlichkeit zusammen. Mein Ex-Mann
gab mir aber immer die Möglichkeit, mich
zu entfalten. Ich konnte meinen Leiden-
schaften und Träumen nachgehen, die nicht
seine waren, und so haben wir uns ausei-
nandergelebt. Als mein Sohn Reto älter
wurde, fragte ich mich: Wo sehe ich mich
eigentlich in naher Zukunft? Es zog mich
immer wieder in die Natur. So kam ich in die
Berge.
Herr Messner, Ihre zweite Ehe war gera-
de zerbrochen.
REINHOLD: Ich war acht Monate zuvor aus
meiner Ehe katapultiert worden. Meine
Frau bat mich eines Morgens, aus der Fa-
milienwohnung auszuziehen. Ich hatte
immer gedacht, dass ich dort alt werde.
Nun war ich mit fast 74 Jahren allein. Ich
hatte keine Ahnung, was ein Kilo Bananen
kostet. Zuerst dachte ich, das überlebe ich
nicht, weil ich ohne Nest nicht kann. Häus-
lichen Alltag hatte ich nie gelebt.
Wie haben Sie überlebt?
REINHOLD: Auf Schloss Juval, das ich spä-
ter meiner Tochter überschrieben habe,
baute ich mir eine kleine Wohnung aus.
Ich sah: Mein Leben war nicht vorbei, es

Diane Schumacher,
die damals noch in
Rheinland-Pfalz lebte,
traf Reinhold Messner
im Sommer 2018 vor
seinem Museum in
Bruneck. Sie bat
um ein gemeinsames
Foto, er um ihre
Telefonnummer

ER SAGTE,


DASS ES


NICHT REICHT,


MIT MEINEN


SCHÖNEN


AUGEN


BLINK-BLINK


ZU MACHEN“


Interview: Ingrid Eißele und


Tobias Scharnagl;


Fotos: Ronny Kiaulehn


46 29.9.2022

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