Die Welt Kompakt - 08.08.2019

(Michael S) #1
Für Jungbluth zeichnet einen
Clan die totale Ablehnung unse-
rer Rechtsordnung und das ag-
gressive Vorgehen gegen Staat
und verfeindete Gruppierungen
aus. Gerade an letzterem Punkt
scheint sich wenig verändert zu
haben. So zurückhaltend manche
Clans neuerdings im Kontakt mit
der Polizei agieren, so hart schla-
gen sie an anderer Stelle zu.
Mitte Juli kam es in einem
Dortmunder Friseursalon mitten
am Tag zu Schüssen. Das Opfer:
ein 38-Jähriger aus Dortmund,
der wohl Mitglied der Rocker-
gruppe Bandidos ist. Der mut-
maßliche Schütze: Mitglied des
Miri-Clans. Hintergrund soll ein
Streit zwischen beiden Gruppie-
rungen sein. Der Täter könnte
Rache für eine Messerattacke auf
seinen Bruder im September
2018 genommen haben. Die Er-
mittlungen dauern an. Die Poli-
zei schließt einen gezielten An-
schlag nicht aus.
Auch auf anderen Gebieten ha-
ben Clans nicht an Einfluss und
Macht verloren. Sie betreiben
Shisha-Bars – oft zum Zweck der
Geldwäsche –, in denen Beamte
immer wieder kiloweise unver-
steuert eingeführten Tabak be-
schlagnahmen. Sie führen Wett-
büros und Spielhallen, in denen
manipulierte Geräte in einigen
Fällen erheblichen Schaden an-
richteten. Und nicht zuletzt sind

Clans nach wie vor großflächig
im Drogenhandel aktiv. Dabei be-
obachten Ermittler, dass Clans
zunehmend auch Flüchtlinge in-
strumentalisieren.
„Sie heuern sie an, damit sie in
ihrem Auftrag die Drecksarbeit
erledigen“, sagt Jungbluth. Es er-
wecke den Anschein, als betrach-

teten Clans Flüchtlinge als
„nützliche Opfer.“ Die Polizei Es-
sen bestätigte auf Nachfrage von
WELT Anwerbeversuche von
Clans bei Flüchtlingen. Es sei je-
doch aktuell nicht möglich, eine
genau Dimension des Phäno-
mens zu nennen. Auch in Berlin
sollen Flüchtlinge im Auftrag von

Clans aktiv sein, ebenfalls beim
Verkauf von Drogen.
Die Bundesregierung teilt mit,
dass deutsche Ermittlungsbehör-
den „bereits seit 2015 die Aktivi-
täten bereits etablierter Clan-
strukturen in Bezug auf eventu-
elle Rekrutierungsbemühungen“
aufmerksam verfolgen würden.
Das geht aus der Antwort auf
eine Kleine Anfrage der FDP-
Bundestagsfraktion hervor.
Konstantin Kuhle, innenpoliti-
scher Sprecher der FDP, kriti-
siert, dass die Bundesregierung
im Kampf gegen Clankriminali-
tät zu wenig unternehme. Länder
wie Nordrhein-Westfalen mach-
ten mit einer Null-Toleranz-Stra-
tegie vor, wie es laufen müsste.
Die Bundesregierung aber lasse
sich immer noch Zeit, ein erstes
Lagebild zu erarbeiten. „Hier
muss der Bund dringend aufwa-
chen“, sagte Kuhle. Konkret müs-
se der Bund die Länder bei der
Weitergabe von Informationen
und Erfahrungen unterstützen.
Derweil beobachten Ermittler
in Nordrhein-Westfalen mit Sor-
ge, dass sich deutsche Clans mit
Gruppierungen aus anderen Län-
dern vernetzen. „Wir sehen etwa
Kontakte von Clans aus NRW zu
Clans in Schweden“, erklärte
Jungbluth. Gut möglich also,
dass ein Lagebild bald nicht nur
national, sondern auch interna-
tional nötig wird.

PPolizistenolizisten
sichern
während
einer Razzia
von Zoll und
Polizei in
Bochum eine
Shisha-Bar

PICTURE ALLIANCE/ DPA

/ BERND THISSEN

DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT DONNERSTAG,8.AUGUST2019 PANORAMA 31


E


s begann damit, dass die
Journalistin Nadia
Brügger sich über einen
Artikel im Schweizer „Tages-
anzeiger“ ärgerte. Darin
schrieb ein älterer Rezensent
über die junge Bestseller-
autorin Sally Rooney, sie sehe
auf einem Foto aus „wie ein
aufgeschrecktes Reh mit sinn-
lichen Lippen“. Brügger poste-
te den Textausschnitt auf
Twitter. Daraufhin hatten sie
und die Autorinnen Güzin Kar
und Simone Meier die ziemlich
lustige Idee, kleine Textchen
über männliche Schriftsteller
zu erfinden, die sich mit deren
AAAussehen und Kleidung be-ussehen und Kleidung be-
schäftigen oder darüber be-
richten, wie es ihnen nicht ge-
lungen sei, sich aus dem Schat-
ten genialer Frauen zu lösen.
Der Hashtag #dichterdran ging
viral. Wir dokumentieren eini-
ge Tweets.

Houellebecq schielte kritisch
auf seinen abgeblätterten Nagel-
lack, als er sich mit graziöser Be-
wegung eine Zigarette anzünde-
te, ließ sein frisch unonduliertes

Haar im Wind flattern und do-
zierte mit heiterem Sopran über
die sexuelle Selbstverwirkli-
chung seiner Mutter. @Ilzchen-
Rumpelst

Eisblaue Augen erinnern an die
weiten Fjordlandschaften seiner
Heimat, doch Knausgård wid-
met sich nicht der erhabenen
Natur, sondern ergeht sich statt-
dessen in wehleidiger Selbstbe-
spiegelung, als könne er seiner
Gefühle nicht Herr werden.
@beritmiriam

Der junge Benn, noch sexy mit
vollem Haupthaar, learned the
ropes bei der arrivierten Dichte-
rin Lasker-Schüler. Spuren ihres
Schaffens finden sich bei Benn
überall, hin und wieder gelang
ihm auch ein eigenständiges
Werk. @mai17lad

Sie sehen blendend aus für Ihr
Alter, Chapeau! Verraten Sie uns
Ihre drei Must-have-Körperpfle-
ge-Produkte, Frank Schätzing?
@Guzinkar

Wie stets im eleganten Dress,
sich seiner sinnlichen Ausstrah-
lung bewusst, sitzt er mir gegen-
über: Durs Grünbein, der Robert
Redford der deutschen Gegen-
wartsliteratur, seit Jahrzehnten
Verlegerinnen und Kritikerin-
nen den Kopf verdrehend. @Al-
sergrundler

Jedoch kann Manns Marotte,
Sätze über mehrere Seiten zu
ziehen, den Eindruck von Ge-
schwätzigkeit erwecken – die
Klarheit einer Stimme, die sich
auf das konzentriert, worauf es
wirklich ankommt, geht so – lei-
der – im dichten Geplapper un-
ter. @NitzkeSolvejg

walser, der heute als erfinder der
statement-braue bekannt ist, ver-
fffasste nach der geburt seiner fünfasste nach der geburt seiner fünf
Kinder erotische Werke, in denen
er vornehmlich den Verlust sei-
ner jugendlichen libido betrauer-

te und mit denen er dem einfa-
chen mann seiner generation ei-
ne stimme gab. @SibylleBerg

Spaziergänge durch die Kasta-
nienwälder am Lago Maggiore,
Gespräche mit Elfen und lau-
warme Heilbäder – Hermann
Hesse schrieb, wie er lebte: feen-
haft und versponnen, ein Hom-
me fragile, sehnsüchtig eine Rit-
terin auf ihrem weißen Pferd er-
wartend. @SimoneMeier3

Den zögerlichen Schreibversu-
chen merkt man auch an, dass
Elias erst durch seine Frau Veza
Canetti den Mut gefasst hat, mit
dem Schreiben zu beginnen. Sie
hat sich schließlich sogar dazu
hinreißen lassen, einige seiner
Manuskripte aus dem Nachlass
zur Publikation freizugeben.
@NadiaBruegger DW

„Der junge Benn, noch


sexy mit vollem Haar“


Was wäre, wenn über männliche Schriftsteller
so geschrieben würde wie über weibliche?
Auf Twitter wird das gerade ausprobiert

,,


Unsere


intensiven


Maßnahmen


zeigen erste


Wirkung


Thomas Jungbluth,
Chefermittler des
Landeskriminalamtes
in Nordrhein-Westfalen

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