Frankfurter Allgemeine Zeitung - 08.08.2019

(Joyce) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Medien DONNERSTAG, 8. AUGUST 2019·NR. 182·SEITE 13


H


ierzulandegäbe es dafür den
Bambi Integration: Ein schwar-
zer junger Mann entkommt
dank seines musikalisch-poeti-
schen Talents dem Getto-Kreislauf aus
Perspektivlosigkeit und Kriminalität, ver-
hält sich während einer frappierend lan-
gen Bewährungsstrafe mustergültig, ermu-
tigt Jugendliche aus armen Verhältnissen,
an sich zu glauben, und entwickelt sich zu
einem höchst reflektiert auftretenden Rap-
per, was auch bedeutet, sich in der lustvoll
materialistischen Goldketten-Branche
nicht nur als Dicke-Hose-Liebhaber luxu-
riöser Autos und klobiger Uhren, sondern
auch als liebevoller Vater und Vorkämpfer
für Gleichheit vor dem Gesetz zu inszenie-
ren. Mehr Vorbild geht kaum.
In Philadelphia, Pennsylvania, aber ist ei-
niges anders. Meek Mill, mit bürgerlichem
Namen Robert Rihmeek Williams, Rapper
und Superstar, entkommt ein Jahrzehnt
lang dem amerikanischen Überwachungs-
und Strafsystem nicht mehr, nachdem er
im Jahre 2008 aufgrund eher dürftiger Be-
weise wegen Drogenhandels und unerlaub-
ten Waffenbesitzes verurteilt worden war.
Mit geradezu böswilliger Energie lädt die
für Williams zuständige Richterin Genece
Brinkley den Rapper immer wieder vor.
Aufgrund von Lappalien, die sie als Verstö-
ße gegen Bewährungsauflagen wertet
(etwa der spontane Wechsel der Location
eines Videodrehs innerhalb Philadelphias,
ohne vorher eine Genehmigung einzuho-
len), brummt sie ihm Hausarreste, Tour-
und Arbeitsverbote auf: Dreißig Millionen

Dollar sollen Meek Mill so entgangen sein.
Seine Alben werden trotz der Probleme im-
mer erfolgreicher. Mehrfach verlängert
Brinkley die Bewährungszeit. Schließlich
bringt sie Meek Mill Ende 2017 wegen ge-
fährlichen Motorradfahrens (ein Wheelie)
sowie einer Rauferei – beide Vorfälle führ-
ten nicht einmal zu einer Anklage – für bis
zu vier Jahre hinter Gitter.
Diese dritte Haftstrafe war auch die Initi-
alzündung für die #Freemeek-Bewegung,
mit der öffentlicher Druck aufgebaut wur-
de. Meek Mill avancierte zur Ikone im
Kampf gegen ein vorurteilsanfälliges Justiz-
system, das er zum Battle herausforderte:
„Seen my dreams unfold, nightmares come
true / It was time to marry the game and I
said ‚Yeah, I do‘.“ Wenn selbst jemand wie
er, der Millionen Dollar in Anwälte inves-
tieren kann und zuletzt gar die Staatsan-
waltschaft auf seiner Seite hatte, der Will-
kür einer Richterin ausgesetzt bleibe, dann
lasse sich erahnen, wie viele vor allem
schwarze Menschen in den Vereinigten
Staaten ungerechtfertigterweise gegängelt
würden oder im Gefängnis landeten, argu-
mentierten die führenden Aktivisten der
Bewegung über Eck, aber nachvollziehbar.
Im Januar 2019 schließlich gründeten
der auf Kaution freie Meek Mill, der Rap-
per Jay-Z und der Unternehmer Michael
Rubin, Milliardär und Miteigentümer des
Basketballclubs „Philadelphia 76ers“, eine
„Reform-Allianz“, die sich der Durchset-
zung einer tiefgreifenden Justizreform ver-
schrieben hat. Die von Jay-Z (und seinem
Label Roc Nation) gemeinsam mit der Pro-
duktionsfirma The Intellectual Property
Corporation für Amazon Prime produzier-
te, fünfteilige Dokumentation „Free
Meek“ gehört in diesen Kontext. Dass sie
programmatisch Partei ergreift, so ehren-
wert das Ziel auch sein mag, macht diese
Real-Life-Drama-Serie eigenwillig, aber
auch interessant.
Gleich vier Regisseure hat man an Bord
geholt (Greg Purpura, Gregg de Domeni-
co, Chris Stevens und Luke McCoubrey),
und die machen ihre Sache passabel, auch
wenn das Material bis zur Mitte eine Ver-
dichtung vertragen hätte. Neben Inter-
views mit Meek, Angehörigen und Freun-
den werden Archivausschnitte und leicht
haarig nachgestellte Szenen etwa aus dem

Gerichtssaal verwendet. Die vielen Wie-
derholungen stören kaum, weil meist weite-
re Informationen eine bereits gezeigte Aus-
sage in ein neues Licht rücken. Als neutral
scheinende, am Film allerdings beteiligte
Beurteilungsinstanz kommt immer wieder
der bestens informierte, aber zu patheti-
schen Sätzen neigende „Rolling Stone“-
Journalist Paul Solotaroff zu Wort. Über-
haupt ist die Emotionalisierung zu stark ge-
raten. In ihrer Bildsprache ruft die Serie
Meek Mill geradezu zum neuen Martin Lu-
ther King aus. Die David-gegen-Goliath-
Pose wirkt jedoch etwas übertrieben, wenn
derart viel Geld im Spiel ist.
Erzählt wird nach kurzem Intro chrono-
logisch. In das klassische Aufstiegsnarra-
tiv – von Straßen-Battles über die Zusam-
menarbeit mit dem Rapper und Produzen-
ten Rick Ross zum neuen Star der Szene an
der Seite von Jay-Z – sind dabei detaillier-
te Informationen über den seit 2008 stets
prekären juristischen Status Meek Mills
eingefügt. Es zeigt sich, dass der Fall sehr
individuell gelagert ist. Zwar wird angedeu-

tet, die Richterin, selbst Afroamerikane-
rin, könne zum Überkompensieren neigen
und stehe durchaus für die diskriminieren-
de Haltung der amerikanischen Justiz,
aber zugleich scheint es, als habe sie, die in
einer Ad-personam-Wendung als regel-
recht klagegierig dargestellt wird, ein unge-
wöhnlich persönliches Interesse an ihrer
Macht über einen so prominenten Künst-
ler. Sie soll Meek Mill nahegelegt haben,
als Zeichen seines guten Willens ihren Na-
men in einem Remix unterzubringen. Das
ist unbewiesen – Brinkley dementiert –, do-
kumentiert jedoch sind mehrere Aussa-
gen, die zeigen, dass die Richterin davon
ausgeht, Meek Mill habe seine Karriere ei-
gentlich ihr zu verdanken. Dennoch ist
man unsicher: Jubelt uns der Film eine Stal-
king-Perspektive unter?
Wirklich interessant ist das letzte Drit-
tel, denn nun sehen wir, wie durch die Ar-
beit einer Privatdetektei die ursprüngli-
che Anklage, die alles Weitere nach sich
zog, in sich zusammenfällt. Zeugen sagen
vor der Kamera aus, die Polizeieinheit,
die Williams festnahm, sei höchst korrupt
gewesen; der „Arresting Officer“ (ein
Schwarzer wie fast alle Beteiligten) habe
Beweise nach Gutdünken gefälscht. Wil-
liams’ Aussage, nie mit der Waffe auf ei-
nen Polizisten gezielt und nie gedealt zu
haben, sei glaubhaft. Tatsächlich über-
zeugten diese Argumente auch die Justiz,
denn über die sich immer noch gegen je-
des neue Aufrollen des Falles sträubende
Richterin Brinkley hinweg hat der Supe-
rior Court von Philadelphia vor zwei Wo-
chen entschieden, die Verurteilung von
2008 aufzuheben. Ob es zu einem neuen
Prozess kommt, muss die Staatsanwalt-
schaft noch entscheiden.
Wie ernst die Reform-Allianz es mit ih-
rem Anliegen meint, obwohl Meek Mill
nun endlich den Klauen der Justiz ent-
kommen scheint, wird man also sehen.
Ob es aber wirklich zu begrüßen ist, wenn
nun reiche Prominente das Genre des Do-
kumentarfilms fast ohne Einbezug von
Gegenmeinungen (nur zweimal kommt
kurz und unglücklich der Anwalt der so
massiv angegriffenen Richterin zu Wort)
für ihre womöglich berechtigten, aber
dennoch privaten Interessen nutzen – das
bleibt dahingestellt. OLIVER JUNGEN
Free Meek, von Freitag an auf Amazon Prime.

Die „New York Times“ hat eine Über-
schrift geändert. Nicht irgendeine, son-
dern diejenige, die auf der Titelseite
der Ausgabe vom vergangenen Diens-
tag stand. „Trump urges unity vs. ra-
cism“ lautete die Zeile. Sie war auf die
Rede des amerikanischen Präsidenten
Donald Trump zu dem von einem ras-
sistischen Täter verübten Massenmord
in El Paso gemünzt. Die Zeile stand
über einem vierspaltigen Bild, das
einen Mann zeigte, der in El Paso an
einer Gedenkstätte für die zweiund-
zwanzig Menschen Blumen niederlegt,
denen ein rassistisch motivierter Atten-
täter am 3. August in einem Walmart-
Kaufhaus das Leben genommen hatte.
„Trump fordert Einigkeit gegen Ras-
sismus“ – so hätte er die Geschichte
nicht formuliert beziehungsweise
nicht in einen Rahmen gesetzt
(„framed“), twitterte daraufhin der als
Statistikexperte berühmt gewordene
Journalist Nate Silver und bekam für
seine Einschätzung im Nu Zustim-
mung zuhauf. Dass er sich tatsächlich
gegen Rassismus einsetzt, dass er es da-
mit ernst meint, das wollen Donald
Trump viele nicht abnehmen. Vor al-
lem Politiker der Demokraten wollen
das verständlicherweise nicht.
Mit der Wahrheit habe die Über-
schrift nichts zu tun, schrieb der New
Yorker Bürgermeister Bill de Blasio.
Der demokratische Präsidentschafts-
kandidat Beto O’Rourke, der aus El
Paso stammt, fand sie einfach nur „un-
fasslich“. Die demokratische Kongress-
abgeordnete Alexandria Ocasio-Cor-
tez, die von Donald Trump schon wie-
derholt mit rassistischen Bemerkun-
gen angegriffen wurde, erkannte in der
Überschrift „die Feigheit der Institutio-
nen des Mainstreams“, auf welcher
„weiße Vorherrschaft“ beruhe. Einige
Follower von Nate Silver fühlten sich
derweil gleich an Hitler erinnert, des-
sen Selbstdarstellung bei der Machter-
greifung – also der Ernennung zum
Reichskanzler am 30. Januar 1933 – da-
mals auch von der „New York Times“
unkritisch übernommen worden sei.
Der moralische Maßstab, an dem
die Titelzeile der „New York Times“
vom vergangenen Dienstag gemessen
wurde, kann offenbar gar nicht hoch
genug sein. Dabei geht es einmal mehr
um den „Frame“, also das Deutungs-
muster, dem die journalistische Dar-
stellung der Wirklichkeit von Beginn
an und Wort für Wort folgen soll. Die-
ses „Framing“ verschiebt die Koordina-
ten derart, dass neutrale Berichterstat-
tung, Beschreibung und Wiedergabe
von Sachverhalten und Äußerungen
unmöglich werden. Folgen Medien
einem „Frame“, wie er von der „New
York Times“ bei dieser Gelegenheit ge-
fordert wurde, erfüllen sie eine ihrer
Hauptaufgaben nicht mehr und gestal-
ten am Ende, was Donald Trump
einem Großteil der amerikanischen
Presse bescheinigt – „Fake News“.
Dabei fehlt ihm, aber auch denjeni-
gen, die nun gegen die „New York
Times“ wettern, das Grundverständnis
dafür, was unabhängiger Journalismus
für die Demokratie leisten kann und
soll und muss. Sie verwechseln Journa-
lismus mit Aktivismus. Und sie lesen –
ähnlich wie zuletzt die Berliner Staats-
sekretärin Sawsan Chebli (SPD), der
FDP-Europaabgeordnete Alexander
Lambsdorff und der CDU-Politiker Ru-
precht Polenz bei einer Überschrift die-
ser Zeitung zur AfD (F.A.Z. vom


  1. Juli) – nicht einmal den nächsten,
    den erläuternden Satz, das ergänzende
    Zitat, von der Einordnung im Kom-
    mentar ganz zu schweigen. Sie wollen,
    wie es an dieser Stelle schon hieß, dass
    man ihre Sicht der Dinge, dass man
    ihre Meinung zur Grundlage von Be-
    richterstattung zu allem und jedem
    macht. Mit Journalismus hat das Ergeb-
    nis dann nichts mehr zu tun, das nennt
    man vielmehr Propaganda.
    Bei der „New York Times“ hat das
    Trommelfeuer auf Twitter, das einsetz-
    te, sobald ein Redakteur am Vorabend
    das Titelblatt des folgenden Tages on-
    line gestellt hatte, leider gleich Wir-
    kung gezeigt. Die Zeitung änderte die
    Überschrift. Im zweiten Andruck hieß
    es nun: „Assailing hate but not guns“,
    was man mit „Kritik am Hass, aber
    nicht an Waffen“ übersetzen könnte
    und was die „New York Times“ in dem
    Artikel, der sich auf der Titelseite un-
    ter der Überschrift und dem Bild be-
    fand, an Trumps Rede ohnehin schon
    kritisiert hatte. Aber so weit waren die
    Überschriften-Liebhaber ja augen-
    scheinlich nicht gekommen.
    Die erste Überschrift, sagte der „Ti-
    mes“-Chefredakteur Dean Baquet tags
    darauf, sei kurz vor Redaktionsschluss
    entstanden. Als man sie später gegenge-
    lesen habe, habe man festgestellt, dass
    es eine schlechte Titelzeile war, und sie
    schnell geändert. „Ich verstehe die Be-
    denken der Menschen“, sagte Baquet
    der Website „The Daily Beast“: „Über-
    schriften sind wichtig.“ Doch hoffe er,
    dass die gesamte Berichterstattung ge-
    lesen werde. Schauen wir uns das Twit-
    tergewitter an, haben wir daran unsere
    Zweifel – auch daran, dass die Ad-hoc-
    Kritiker überhaupt so weit lesen wol-
    len. MICHAEL HANFELD


Ein türkisches Gericht hat die Sperrung
von mehr als 130 Internetseiten angeord-
net, darunter Twitter- und Instagram-
Konten sowie Facebook-Seiten von op-
positionellen Politikern, Künstlern und
Medien. Die Entscheidung sei auf An-
trag der Gendarmerie-Hauptdirektion
Mitte Juli gefallen. Die Gendarmerie ist
in der Türkei eine paramilitärische Orga-
nisation. Die große oppositionelle Nach-
richtenwebsite „Bianet“, die ebenfalls
gesperrt werden soll, hatte das Gerichts-
dokument am Dienstag veröffentlicht.
Die aufgelisteten Seiten waren zunächst
noch zugänglich. Bianet hat Einspruch
gegen die Entscheidung eingelegt.
„Reporter ohne Grenzen“ teilte mit,
die Entscheidung nehme „unabhängige
Berichterstattung“ ins Visier und sei
willkürlich und gefährlich. Die Organisa-
tion rief die türkische Telekommunika-
tionsbehörde dazu auf, die Entschei-
dung nicht umzusetzen. „Allen interna-
tionalen Protesten gegen die Abschaf-
fung der Pressefreiheit und die Inhaf-
tierung von Journalisten zum Trotz
macht das türkische AKP-Regime jetzt
die letzten Schlupflöcher der Meinungs-
freiheit dicht“, sagte der Bundesvorsit-
zende des Deutschen Journalisten-Ver-
bands, Frank Überall. Es sei skandalös,
„mit welcher Chuzpe der türkische Präsi-
dent und sein Machtapparat die Unter-
drückung demokratischer Grundrech-
te“ vollzögen. Die Bundesregierung und
die Europäische Kommission sollten, so
der DJV, verstärkt Einfluss auf die türki-
sche Regierung ausüben, damit diese
ihre autokratische Politik gegen Anders-
denkende und kritische Journalisten auf-
gebe. Die „Attacken gegen Onlineme-
dien“ zeigten zudem, wie notwendig der
Ausbau von Informationsangeboten aus
dem Ausland, etwa durch die Deutsche
Welle, sei.
Betroffen von der Sperrung sind ne-
ben der Seite Bianet unter anderen eine
Abgeordnete der prokurdischen Opposi-
tionspartei HDP, Oya Ersoy, die linke
Band Grup Yorum, die sich als „revolu-
tionär“ bezeichnet, und Websites im Zu-
sammenhang mit den regierungskriti-
schen Gezi-Protesten von 2013. Grund-
lage der Anordnung ist das umstrittene
Internetgesetz 5651. Das Gericht berief
sich in der Entscheidung unter anderem
auf den Schutz des öffentlichen Lebens,
der nationalen Sicherheit und des Präsi-
denten. Zusätzlich hat die Regierung in
der vergangenen Woche eine weitrei-
chende neue Regelung zur Kontrolle
von Internetplattformen eingeführt, die
Filme, Videos oder Radioinhalte verbrei-
ten. Dadurch können nationale und in-
ternationale digitale Medien, aber auch
Inhalte auf Plattformen wie Netflix bald
zensiert werden. dpa/F.A.Z.


Der Finanzinvestor KKR hat die nötige
Zahl von Aktien für sein Übernahme-
angebot von Axel Springer inzwischen
übertroffen. KKR habe 27,8 Prozent
der Anteile des Medienkonzerns zum
Ende der am 2. August abgelaufenen
Annahmefrist erworben, teilte Sprin-
ger am Mittwoch in Berlin mit. Voraus-
setzung für die Annahme des Ange-
bots war die Überschreitung einer
Schwelle von zwanzig Prozent der An-
teile. Aktionäre, die KKR ihre Aktien
bislang nicht angedient haben, können
dies noch bis 21. August tun. Das Ange-
bot sieht einen Preis von 63 Euro je Ak-
tie vor. Der Einstieg des Investors steht
nach wie vor unter dem Vorbehalt au-
ßenwirtschaftlicher Genehmigungen
und Kartellfreigaben. Mit dem Engage-
ment von KKR sinkt der Streubesitz
der Springer-Aktien deutlich. Die Wit-
we des Verlagsgründers, Friede Sprin-
ger, und der Vorstandsvorsitzende, Ma-
thias Döpfner, haben mit KKR verein-
bart, dass sie ihre Beteiligungen behal-
ten. Friede Springer kontrolliert 42,
Prozent der Anteile, Döpfner hält 2,
Prozent. Die Springer-Enkel Ariane
und Axel Sven Springer halten zusam-
men knapp zehn Prozent. Je nachdem,
wie viele Anleger in der Nachfrist ihre
Aktien KKR noch anbieten, könnte der
Streubesitz unter fünfzehn Prozent fal-
len. Bei einem Streubesitz unter zehn
Prozent würde Springer aus allen der
bedeutenden Indizes der Deutschen
Börse herausfallen. dpa/F.A.Z.


Der Gegenschlag

Der frühere „TV-Pfarrer“ und Buchau-
tor Johannes Kuhn ist tot. Er starb in der
Nacht zum 5. August im Alter von 95
Jahren, wie die Evangelische Landeskir-
che in Württemberg mitteilte. Mit dem
therapeutischen Klang seiner Stimme
und lockerem Erzählton avancierte
Kuhn von den sechziger Jahren an zu ei-
nem bundesweit angesehenen evangeli-
schen Theologen. Bekannt wurde er
durch das ARD-Bibelquiz „Reise nach
Jerusalem“ und die ZDF-Reihe „Pfarrer
Johannes Kuhn antwortet“. Kuhn sei
ein einzigartiger „Medienseelsorger“ ge-
wesen, schrieb Württembergs Landesbi-
schof Frank Otfried July. epd/F.A.Z.


HONGKONG, 7. August
Wichtige Mitteilungen der chinesischen
Führung erkennt man immer daran, dass
sie nur aus einem einzigen Satz bestehen.
„Die Nationale Filmaufsichtsbehörde hat
Filmen und Filmemachern vom Festland
eine Teilnahme an den 56. Golden-Horse-
Filmfestspielen in Taipeh untersagt“, mel-
dete am Mittwoch die staatliche Nachrich-
tenagentur Xinhua. Mehr nicht. Keine Be-
gründung und keine Informationen dar-
über, welche Filme betroffen seien. Das
jährliche Filmfestival in Taiwan ist eines
der bedeutendsten in der chinesischspra-
chigen Welt. In diesem Jahr wird es wohl
zum Symbol für die wachsenden Spannun-
gen zwischen Peking und Taipeh werden.
Die offizielle Begründung für den Boy-
kott lieferte am Nachmittag das chinesi-
sche Staatsfernsehen. „Kunst gehört der
ganzen Menschheit, aber Künstler haben
eine Nationalität“, hieß es da. „Ein chine-
sischer Künstler muss natürlich als Aller-
erstes die territoriale Integrität und natio-
nale Einheit respektieren.“ Das bezog sich
wohl auf einen Eklat bei der Preisverlei-

hung im vergangenen Jahr. Als besten Do-
kumentarfilm hatte die Jury 2018 ein
Werk über die Sonnenblumen-Bewegung
von 2014 prämiert. Die Studentenbewe-
gung wandte sich gegen eine engere wirt-
schaftliche Bindung an China und schaff-
te die Grundlage für den Wahlsieg der am-
tierenden Peking-kritischen Präsidentin
Tsai Ing-wen. Das Besondere an dem Film
„Our Youth in Taiwan“ war, dass er eine
Studentin vom chinesischen Festland be-
gleitete, die sich den Protesten anschloss
und dabei ein politisches Erwachen erleb-
te. Zum Eklat kam es deshalb, weil die Re-
gisseurin Fu Yue ihre Dankrede für ein po-
litisches Statement nutzte. „Ich hoffe,
mein Land (Taiwan) kann irgendwann
wie ein tatsächlich unabhängiges Wesen
behandelt werden. Das ist mein größter
Wunsch als Taiwanerin.“ Und es ist das,
was die chinesische Führung unter Präsi-
dent Xi Jinping mit allen Mitteln verhin-
dern will. Notfalls mit militärischen.
Am Mittwoch griff sie zunächst zum
Mittel der Kulturverhinderungspolitik.
Das Staatsfernsehen warf der Regierung
in Taipeh vor, die Golden Horses für poli-

tische Zwecke und ein Streben nach Unab-
hängigkeit zu missbrauchen. Der Kom-
mentator deutete noch einen weiteren
Grund für die Absage an: die gegenwärti-
gen Beziehungen zur Regierung in Tai-
peh. Mit der gleichen Begründung hatte
Peking vor wenigen Tagen Individualrei-
sen chinesischer Bürger nach Taiwan ver-
boten, die seit 2011 erlaubt waren. Die Be-
ziehungen sind schon seit dem Amtsan-
tritt Tsai Ing-wens vor drei Jahren frostig,
doch zuletzt hatte Taiwan mit dem Kauf
amerikanischer Panzer den Zorn Pekings
auf sich gezogen. Die chinesische Füh-
rung setzt offenbar außerdem darauf, mit
den Strafmaßnahmen den Wählerwillen
in Taiwan beeinflussen zu können. Im Ja-
nuar sind Präsidentenwahlen.
Die taiwanische Regierung kommen-
tierte den Boykott des Filmfestivals mit
den Worten „Politik ist Politik, und
Kunst ist Kunst“. China habe sich damit
ins eigene Fleisch geschnitten. Das Festi-
valkomitee bezeichnete den Schritt als
„bedauerlich“, gab aber nicht bekannt,
wie viele Filme vom Festland eingereicht
worden seien und ob diese trotz der Ent-

scheidung aus Peking gezeigt würden.
Nach Angaben der amtlichen taiwani-
schen Nachrichtenagentur CNA soll dazu
auch „So long, my son“ von Wang Xiao-
shuai gehören, der bei der diesjährigen
Berlinale uraufgeführt wurde und zwei
Silberne Bären erhielt.
Der Festivalboykott könnte zugleich
ein weiterer Beleg dafür sein, dass die
Filmaufsichtsbehörde zwei Monate vor
dem 70. Gründungsjubiläum der Volksre-
publik unter großem Druck steht. Sie un-
tersteht seit einigen Monaten direkt der
Kontrolle der Propagandaabteilung der
Partei. Zuletzt waren zahlreiche Kino-
starts abgesagt worden, obwohl die Filme
das dafür nötige Drachensiegel der Zensur
bereits erhalten hatten. Und auch dem chi-
nesischen Fernsehen ist Saure-Gurken-
Zeit verordnet worden. Wegen des Repu-
blikgeburtstags dürfen keine Unterhal-
tungsfilme und keine Kostümdramen
mehr gezeigt werden. Stattdessen hat die
Fernsehaufsicht eine Liste mit Dutzenden
patriotischen Filmempfehlungen zusam-
mengestellt. Taiwanische Filme werden
darunter nicht sein. FRIEDERIKE BÖGE

Trump


vs. Hitler


Aufruhr um eine Titelzeile


der „New York Times“


27,8 Prozent


Bei KKR laufen Springer-Aktien ein Meek Mills Widersacherin: Richterin Ge-


nece Brinkley Foto CCPTV53 Youtube / Screenshot FAZ


Künstler müssen die „territoriale Integrität“ respektieren


Chinas Filmaufsicht verbietet Teilnahme an den bedeutenden Golden-Horse-Festspielen in Taiwan


Johannes Kuhn


„Fernseh-Pfarrer“ gestorben


Antrag der


Gendarmerie


Türkisches Gericht sperrt


130 Seiten im Internet


Die amerikanische


Justiz hat den Rapper


Meek Mill übel behan-


delt. Der wehrt sich mit


Songs, Anwälten und


nun einer Real-Life-


Serie. Ist das aber schon


politischer Aktivismus?


Er konnte tun, was er wollte, er landete immer wieder vor Gericht, jetzt präsentiert der Rapper Meek Mill seine Abrechnung mit der amerikanischen Justiz. Foto dpa

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