Süddeutsche Zeitung - 08.08.2019

(Darren Dugan) #1

Warschau– Wenn Alexandra Măceșanu
im Süden Rumäniens aus ihrem Dorf
Dobrosloveni in die sieben Kilometer ent-
fernte Kleinstadt Caracal wollte, hatte die
15 Jahre alte Schülerin nur eine Möglich-
keit: per Anhalterin zu reisen. Öffentlichen
Nahverkehr gibt es in jener Gegend seit Jah-
ren nicht mehr. Und so trampte Alexandra
auch am 24. Juli, als sie nach Caracal zu
einem Treffen mit Freundinnen wollte.
Dort aber kam sie nie an.
Vater Ioan Măceșanu meldet seine
Tochter am gleichen Abend als vermisst.
Und am 25. Juli meldete sich Alexandra
selbst um 11.05 Uhr vormittags telefonisch
beim Notruf 112: Sie sei entführt und ver-
gewaltigt worden, teilte die 15-Jährige mit.
Noch zwei weitere Male rief das Mädchen
den Notruf an. Sie sagte, sie rufe an vom
Mobiltelefon ihres Entführers, sie gab der
Notrufzentrale sogar noch Informationen
über das Auto des Entführers, den Weg,
den er gefahren war, und ihren möglichen
Aufenthaltsort in Caracal. Ihr dritter Anruf
endete mit dem Schrei „Er kommt! Er
kommt!“
Erst Stunden später durchsuchte die
Polizei drei Orte, an denen sich Alexandra
aufhalten sollte – es waren die falschen.
Als die Polizei schließlich den wirklichen
Aufenthaltsort des Mädchens herausfand



  • das Haus des 66 Jahre alten Mechanikers
    und Gelegenheitstaxifahrers Gheorghe D.

  • wartete sie nochmals weitere Stunden
    auf einen Durchsuchungsbefehl, obwohl
    das Gesetz bei Gefahr im Verzug Durchsu-
    chungen unverzüglich erlaubt. Erst am
    Morgen des 26. Juli – das waren 19 Stun-
    den nach den Notrufen der Entführten –
    stürmte die Polizei D.s Haus.
    Da hatte Gheroghe D. Alexandra
    Măceșanu bereits ermordet, zerstückelt
    und verbrannt, er hatte auch ihre Überres-
    te im Wald entsorgt, wie er dem Staatsan-
    walt später gestand. Seitdem die Details
    dieses Mordes und weitere Umstände be-
    kannt werden, erschüttert Rumänien ein
    sich ausweitendes politisches Erdbeben.
    Was dabei an die Oberfläche tritt, sind Vet-
    ternwirtschaft und Inkompetenz von Poli-
    zei und Ministern, Kontakte zur Mafia und
    möglicher Betrug der EU durch Bukarest.
    Schon der mörderische Teil dieser Ge-
    schichte ist erschütternd: Gheorghe D. gab
    zu, bereits Mitte April eine weitere junge
    Frau entführt und ermordet zu haben, die


18 Jahre alte Luiza Melencu. Der Anwalt
der Familie Melencu, Tonel Pop, sagte ru-
mänischen Medien nach der Besichtigung
von D.s Haus und Hof, es gebe dort „Tun-
nel, alle Arten von Bohrungen, Kellern und
überall sinnlose, mit Zement gefüllte Stel-
len“. Es handle sich womöglich um einen
Friedhof, auf dem D. noch weitere Opfer be-
seitigt haben könnte. Und die Sonderstaats-
anwaltschaft DIICOT meldete den Fund
weiterer menschlicher Knochenreste.

Die Rumänen sind nicht nur entsetzt,
sondern auch empört. Unter anderem, weil
sie erfuhren, warum die Polizei stunden-
lang falsche angebliche Aufenthaltsorte
der entführten Alexandra durchsucht hat-
te: Anrufen und Whatsapp-Nachrichten
zufolge, die der TageszeitungLibertateazu-
gespielt wurden, wandte sich ein Vize-Poli-
zeichef in Caracal nach Alexandras Hilferu-
fen an den Chef eines Mafiaclans, um das

entführte Mädchen zu finden. Doch dieser
Clanboss, der offiziell eine Sicherheitsfir-
ma leitet, schickte die Polizei zu drei fal-
schen Adressen: Dort wohnten Mitglieder
eines konkurrierenden Clans. Die Clans sol-
len rumänischen Medien zufolge über en-
ge Kontakte zur Polizeiführung verfügen.
Eigentlich hätte die Polizei den genauen
Aufenthaltsort der entführten Alexandra
binnen Minuten orten müssen. Seit 1991
gibt es in der EU die zentrale Notrufnum-
mer 112. EU-Regeln verpflichten alle Tele-
fonnetzbetreiber, den Behörden sofort
Standortinformationen zur Verfügung zu
stellen. Der universellen Service-Direktive
der EU zufolge müssen zudem „Mitglieds-
staaten sicherstellen, dass Notdienste den
Standort der Person, die 112 anruft, feststel-
len können“ – gleich, ob der Notruf aus
dem Festnetz oder von einem Mobiltelefon
kommt.
Weil dies in Rumänien nicht der Fall
war, verklagte die EU-Kommission Buka-
rest im September 2008 vor dem Europäi-
schen Gerichtshof. Sie zog die Klage indes
Anfang 2009 zurück, als Bukarest er-
klärte, es könne nun alle Notrufe auch von

Mobiltelefonen orten. Doch das stimmte
nicht. Im rumänischen Parlament sagte
Sorin Balan, Vize-Chef des Speziellen
Telekommunikationsdienstes (STS), am


  1. Juli, die Ortung von Notrufen sei bis
    heute nicht lückenlos. Der Tageszeitung
    Adevărulzufolge kaufte der Staat mangel-
    hafte Software seinerzeit bei einem Mann
    namens Sebastian Ghita. Ghita war im
    Parlament für die regierenden Postkom-
    munisten (PSD) jahrelang Vorsitzender des
    Ausschusses zur Aufsicht über den
    Geheimdienst SRI und Chef von Firmen,
    die Staatsaufträge in dreistelliger Millio-
    nenhöhe bekamen. Nachdem Rumäniens
    damals unabhängige Anti-Korruptionsbe-
    hörde DNA Ghita unter anderem wegen
    des Verdachts auf Bestechung und Geld-
    wäsche ins Visier nahm, floh dieser Ende
    2016 nach Serbien. Dort entzieht er sich bis
    heute dem Zugriff der Justiz.
    Weitere Details heizten die Empörung
    an: Zwar wurden Innenminister und
    Erziehungsministerin ebenso gefeuert wie
    hochrangige Polizisten, Staatsanwälte und
    weitere Amtsträger. Doch der entlassene
    Polizeichef von Caracal erklärte, die Polizei
    habe „perfekt“ gehandelt. Sein Nachfolger
    fiel vor zwei Jahren bei einer Eignungsprü-
    fung durch. Und Rumäniens Polizeichef
    Ioan Buda wurde zwar entlassen, doch tags
    darauf klammheimlich zum Chef der Grenz-
    polizei ernannt. Und in der Stadt Galaţi
    weigerten sich zwei Polizisten, aus ihrem
    Streifenwagen auszusteigen, um einem
    blutüberströmten, mutmaßlich vergewal-
    tigten 14 Jahre alten Mädchen zu helfen.
    Rumäniens konservativer Präsident
    Klaus Johannis erklärte, die von der PSD
    geführte Regierung müsse sich fragen, ob
    sie nicht „der moralische Täter der Tragö-
    die“ von Caracal sei: Schließlich habe die
    Regierung in den letzten Jahren „Justizge-
    setze und Strafrecht massakriert, das Straf-
    maß“ für Dutzende Straftaten gesenkt,
    „kompetente Beamte entlassen und an
    ihrer Stelle die Parteiklientel angeheuert“.
    Am Samstag wollen nun in der Haupt-
    stadt Bukarest viele Rumänen demonstrie-
    ren gegen Inkompetenz und Korruption
    der Regierung. Die Organisatoren rechnen
    mit bis zu einer Viertelmillion Teilnehmer.
    Die Regierung liegt Umfragen zufolge nun
    hinter den Oppositionsparteien – die
    nächste Parlamentswahl steht jedoch erst
    im Herbst 2020 an. florian hassel


Eine Polizei zum Fürchten


In Rumänien wurde eine 15-Jährige ermordet, weil Beamte unfassbar agierten. Was der Fall offenbart, führt nun zu Protest


von bernd dörries

Kapstadt– „Wenn wir in diesem Tempo
weitermachen, dauert die Epidemie noch
zwei oder drei Jahre“, sagt Jean-Jacques
Muyembe. Es ist Anfang August in Goma,
der Millionenstadt im Osten der Demokra-
tischen Republik Kongo, als Muyembe ei-
nen neuen Ebolafall in der Stadt vermel-
den muss – etwa 300 Kilometer entfernt
vom ursprünglichen Epizentrum der Seu-
che. Ein Jahr nach ihrem ersten Ausbruch
dort breitet sie sich immer noch weiter
aus, trotz aller internationalen Hilfe. Nur et-
wa die Hälfte aller Fälle würden identifi-
ziert, sagt Muyembe, der Beauftragte der
kongolesischen Regierung zur Bekämp-
fung von Ebola. Die restlichen Infizierten
können weiter unbemerkt Verwandte an-
stecken, Freunde oder einfach Fremde auf
der Straße – eine Berührung genügt.
Zehn Ebola-Epidemien sind seit der Ent-
deckung des Virus im Kongo 1976 aufgetre-
ten, meist blieb das Gebiet lokal begrenzt,
konnte die Krankheit nach einem über-
schaubaren Zeitraum wieder besiegt wer-
den. Diesmal ist es anders, diesmal droht
die Infektion auch auf die Nachbarländer
Ruanda und Uganda überzugreifen, wo be-
reits zwei Fälle registriert wurden.


Die Weltgesundheitsorganisation hat
Mitte Juli den internationalen Notstand
ausgerufen, erst zum fünften Mal in ihrer
Geschichte. Etwa 2700 Ebola-Fälle wur-
den bisher offiziell registriert, mehr als
1800 Menschen starben. Hilfsorganisa-
tionen haben Tausende Helfer, ganze Kran-
kenstationen, Geländewagen und Impf-
stoffe ins Land gebracht, dennoch steigt
die Zahl der Neuerkrankungen eher an.
Der Mai war bisher der schlimmste Monat.
Es mangele nicht an internationaler Auf-
merksamkeit oder der Ausstattung, berich-
ten Helfer. Ein großes Problem sei die Be-
völkerung, die sich oft nicht helfen lasse.
„Das Misstrauen und die gewalttätigen An-
griffe gegenüber den Ebolahelfern neh-
men nicht ab, erst am 13. Juli wurden zwei
Pfleger getötet“, berichtet etwa die Organi-
sation Ärzte ohne Grenzen.
Die Epidemie wütet in einem Teil des
Kongo, in dem die Menschen seit Jahrzehn-
ten nur schlechte Erfahrungen mit allem
gemacht haben, was von außen kam. Die
Belgier wüteten hier so brutal wie kaum ei-
ne andere Kolonialmacht in Afrika. Jahr-
zehnte später bekämpften sich zwischen
1998 und 2003 Truppen aus neun Natio-
nen und Dutzende Milizen in einem Krieg,
der so viele Opfer forderte wie kein ande-
rer nach dem Zweiten Weltkrieg. Seitdem
ist es kaum besser geworden, marodieren-
de Gruppen kämpfen um Rohstoffe und
terrorisieren die Bevölkerung, mehr als
drei Millionen Menschen befinden sich auf
der Flucht. Es ist ein Umfeld voller Miss-
trauen und Gerüchten, lange allein gelas-
sen von der Welt und der eigenen Regie-
rung, in dem die Helfer nun mit teuren Ge-
ländewagen auftauchen und plötzlich neu-
este Gerätschaften mitbringen. „Ihr macht
mit uns Geschäfte“, lautet ein Vorwurf, den
die Ärzte häufig hören.
Mehr als 200 Angriffe gab es bisher auf
Helfer und Kliniken, was dazu führte, dass


Ärzte nur noch schwer bewaffnet in die Kri-
senregionen kommen, was wiederum bei
der Bevölkerung Misstrauen und Angst
schürt. Kongolesische Regierungssoldaten
haben in einigen Fällen Kranke mit vorge-
haltener Waffe zusammengetrieben. Nach
Befragungen von Hilfsorganisationen
glaubt bis zur Hälfte der Betroffenen gar
nicht an Ebola, sondern an eine Intrige der
Regierung.
Ganz unbegründet sind solche Ängste
nicht, das Regime in der Hauptstadt Kin-
shasa hatte Ende 2018 die Wahlen in zwei
Provinzen im Ostkongo abgesagt – mit der
Begründung, die Ebola-Epidemie mache
die Abstimmung unmöglich. In Wahrheit
war die Krise eine willkommene Ausrede,
der Opposition die Stimmen aus zwei ihrer
Hochburgen zu verwehren.
Aus der gefälschten Wahl ging Félix
Tshisekedi als Sieger hervor, dessen Regie-
rung hat nun einen Haushalt von sechs Mil-
liarden Euro, was in etwas dem Jahresbud-
get der Stadt Köln entspricht – für ein Land
mit 80 Millionen Einwohnern, das so groß

ist wie ganz Westeuropa. Viele westliche
Regierungen akzeptierten die gefälschte
Wahl, dementsprechend skeptisch sind
nun die Bewohner gegenüber den Helfern
aus dem Ausland.
Die hatten bei der Krise in Westafrika in
den Jahren 2014 und 2015 die Erfahrung
gemacht, dass Ebola auch deshalb lange
nicht unter Kontrolle zu bekommen war,
weil die Gesundheitssysteme von Ländern
wie Liberia und Sierra Leone schnell in sich
zusammenbrachen. Im chronisch korrup-
ten Kongo wurde deshalb eine Art Parallel-
system etabliert, die Zentren zur Ebola-Be-
handlung befinden sich meist außerhalb
des bisherigen Gesundheitssystems.
Von den Betroffenen werden sie aber oft
als Orte wahrgenommen, in denen Men-
schen sterben, nicht als solche, in denen ge-
holfen wird. Viele Erkrankte kommen erst
spät in die Kliniken, was die Heilungschan-
cen verschlechtert. Derzeit sterben etwa
zwei Drittel der Erkrankten, bei früher Be-
handlung könnten es viel weniger sein.
Wer Ebola überlebt, ist lebenslang immun.

„Wir hoffen darauf, hier bald die ersten
Menschen heilen zu können“, sagt Jean-
Jacques Muyembe zur Situation in der Mil-
lionenstadt Goma. In anderen Regionen ha-
be sich gezeigt: Die positiven Erlebnisse ei-
ner Heilung sprechen sich in Windeseile
herum, die Vorurteile gegen die Ebola-Kli-
niken sinken.

Gleichzeitig drängen Organisationen
wie Ärzte ohne Grenzen darauf, die Hilfsan-
gebote wieder stärker in das kongolesische
Gesundheitssystem zu integrieren. Aus
Sicht des Auslandes hat die Bekämpfung
von Ebola höchste Priorität, es soll eine
Ausweitung der Epidemie auf die Nachbar-
länder verhindert werden. Aus der Sicht
vieler Kongolesen ist Ebola aber nur eine
Gefahr unter vielen anderen. Die Versor-
gung im Ostkongo ist schlecht, weit mehr

Menschen sterben dort an den Folgen von
Malaria als an Ebola.
Impfungen sind hier weitgehend unbe-
kannt, die gegen das Ebola-Virus steht bei
manchen im Verdacht, die Seuche erst aus-
zulösen. Wer erkrankte Angehörige in ein
Ebola-Zentrum bringt, verliert zudem erst
einmal den Kontakt zu ihnen, kann sie
höchstens durch dicke Plastikfolien sehen.
Dennoch gibt es auch Fortschritte, ent-
lang der Straßen im Ostkongo sind an vie-
len Orten Stationen aufgebaut, an denen
sich die Durchreisenden die Hände desinfi-
zieren können. Viele Hinterbliebene beerdi-
gen ihre Verstorbenen rasch nach deren
Tod, was weitere Ansteckungen verhin-
dert. Die Bewohner der Regenwald-Regio-
nen halten vermehrt Abstand zu Flughun-
den und Affen, die die Krankheit übertra-
ge. Mehr als 170 000 Menschen wurden bis-
her mit einem effektiven Impfstoff behan-
delt. Bald soll ein zweites Präparat zum Ein-
satz kommen – Jean-Jacques Muyembe,
der Regierungsbeauftragte des Kongo im
Kampf gegen die Seuche, prüft es bereits.

München– Die Regierung von Mosambik
und die Oppositionspartei Renamo haben
Frieden geschlossen. Am Dienstag unter-
zeichneten Präsident Filipe Nyusi und der
Vorsitzende der Renamo, Ossufo Momade,
ein Friedensabkommen in der Hauptstadt
Maputo. Beide gaben damit eine Zusage
zum Ende der jahrelang andauernden
Gewalt. Das Abkommen soll zudem die
Präsidentschafts- und Parlamentswahlen
im Oktober erleichtern. Die Oppositions-
partei Renamo und die Regierungspartei
Frelimo, die seit der Unabhängigkeit von
Portugal die politische und wirtschaftliche
Elite stellt, einigten sich nun auf Stabilität
und permanente Waffenruhe.
Die Vereinbarung ist das Ergebnis lan-
ger Verhandlungen. Der Bürgerkrieg nach
der Unabhängigkeit von der Kolonialmacht
Portugal stürzte das Land bis in die Neunzi-
gerjahre in eine innenpolitische Krise. 1992
vermittelte die katholischen Laiengemein-
de Sant’Egidio aus Rom mit finanzieller
Unterstützung der italienischen Regierung
einen Frieden, der rund zwei Jahrzehnte
hielt. Bei allen Wahlen seit Kriegsende
gewannen die Kandidaten der ehemaligen
Befreiungsbewegung Frelimo. Immer wie-
der war deshalb in den vergangenen Jahren
die Gewalt erneut eskaliert, besonders im
Vorfeld von Wahlen, bis 2016 eine fragile
Waffenruhe ausgehandelt wurde.

Der Friedensschluss zwischen Frelimo
und der früheren Guerillagruppe und jetzi-
gen Oppositionspartei sieht nun vor, dass
die bewaffneten Kämpfer der Renamo –
die Rede ist von rund 5000 – in die Streit-
kräfte des Landes integriert werden sollen.
Bis im Oktober gewählt wird, ist dieser
Prozess wohl noch nicht abgeschlossen.
Trotzdem setzen sowohl Präsident
Nyusi als auch Oppositionsführer Momade
große Hoffnungen in das Abkommen: Ein
dauerhafter Frieden und die Entwaffnung
der Renamo-Rebellen wird als entschei-
dend für die Entwicklung der riesigen
Offshore-Gasfelder des Landes angese-
hen, die zu Beginn des Jahrzehnts entdeckt
wurden. Trotz des Ressourcenreichtums
ist Mosambik bis heute eines der ärmsten

Länder. Von Direktinvestitionen aus dem
Ausland kam bei der breiten Bevölkerung
in der Vergangenheit wenig an, weil sich
eine kleine Elite bereicherte. Zudem
stoppten 2016 eine Reihe von Staaten, dar-
unter Deutschland, ihre Hilfszahlungen an
Maputo. Damalige Regierungsbeamte
hatten rechtswidrige Garantien für gehei-
me Kredite an mosambikanische Firmen
genehmigt.
Präsident Nyusi versucht seit Jahren,
die Förderung der Gasvorkommen voran-
zutreiben. Die grassierende Korruption
lähmt das Land allerdings. Zudem stellen
aufständische Islamisten im Norden die
Regierung vor ein enormes Sicherheitspro-
blem, mit dem sie offenbar überfordert ist.
Terroristen verüben dort immer wieder
Anschläge. Hinzu kommen soziale Proble-
me wie eine hohe Jugendarbeitslosigkeit
und ein schlechtes Bildungssystem. Das
Land ist aufgrund seiner breiten Küste
zudem besonders von Naturkatastrophen
bedroht: Im April hatte der ZyklonIdaigro-
ße Regionen überschwemmt; 2018 machte
eine Dürre den Bauern zu schaffen.
Das Friedensabkommen zwischen den
ehemaligen Bürgerkriegsparteien wird
deshalb auch im Ausland begrüßt. Bundes-
außenminister Heiko Maas würdigte die
Unterzeichnung als wichtigen Schritt.
„Nun geht es darum, den Friedensvertrag
auch umzusetzen“, sagte er.
anna reuß  Seite 4

Wo Ärzte Waffen tragen müssen


Trotz Tausender Helfer und neuer Krankenstationen gibt es in Kongo viele Ebola-Neuinfektionen. Die Menschen
sind oft misstrauisch – Regierung und Ausländer brachten selten Gutes. Nun droht die Epidemie überzugreifen

Drei Mal rief das entführte Mädchen die Polizei an. Als die nach 19 Stunden kam,
war sie in diesem Haus bei Caracal ermordet worden. FOTO: DANIEL MIHAILESCU / AFP

München– Alsdas Ebola-Virus 1976 ent-
deckt wurde, war das Land noch ein ande-
res: Zaire hieß die heutige Demokratische
Republik Kongo damals. Zu dieser Zeit war
es eher ein Land im Aufbruch, die Unabhän-
gigkeit war noch im Gedächtnis, Muham-
mad Ali hatte einen der berühmtesten Box-
kämpfe in der Hauptstadt Kinshasa gewon-
nen. Die Ebola-Epidemie war nur eine Mel-
dung unter vielen.
Ein paar Wissenschaftler wurden ins ab-
gelegene Dorf Yambuku im Norden des
Landes geschickt, um den Vorfall zu unter-
suchen. Die Siedlung tief im Regenwald
war wie ein Geisterort, fast verlassen, be-
richtet einer von ihnen imBulletinder
Weltgesundheitsorganisation (WHO). Oh-
ne Schutzausrüstung, mit bloßen Händen
nahmen die Wissenschaftler Blut von den
wenigen Überlebenden und Gewebepro-
ben von den Toten. Sie wussten damals
noch nicht, dass die Proben ein fadenförmi-
ges Virus enthielten, dass später nach dem
nahegelegenen Fluss Ebola benannt wur-
de. Es tötet im Schnitt jeden zweiten Er-
krankten, bei manchen Ausbrüchen auch

90 Prozent. Wo sich der Erreger zwischen
den Ausbrüchen versteckt, ist bis heute
nicht sicher. Die am meisten verbreitete
Theorie besagt, dass Flughunde die Wirte
des Virus sind und es von ihnen auf Men-
schen überspringt. Im Kongo tauchte das
Virus erst 19 Jahre nach seiner Entdeckung
wieder auf.
Diesmal traf es eine größere Stadt. Aus-
brüche in dicht besiedelten Gebieten sind
gefürchtet, weil sie sich schnell ausdehnen
können. Die zweite Epidemie endete mit
250 Todesopfern vergleichsweise glimpf-
lich. Sie ging aber in die Medizingeschichte
ein, denn aus dem Blut von Überlebenden
gewannen die Wissenschaftler Antikörper,
auf deren Basis heute Medikamente herge-
stellt werden. Gerade werden sie getestet.
Während die Welt 2014 nach Westafrika
schaute, wo Ebola mehr als 11 000 Men-
schen das Leben kosten sollte, flackerte die
Krankheit im Kongo wieder auf. Abseits al-
ler Aufmerksamkeit griff sie innerhalb von
drei Monaten auf das ganze Land über.
Doch beim aktuellen Ausbruch ist nun
alles ziemlich anders: Anstelle der bisher
bekannten heftigen Strohfeuer lodert seit
einem Jahr ein Flächenbrand im Nordos-
ten des Landes. Obwohl der Staat so viel Er-
fahrung mit der Krankheit hat wie kein an-
deres Land, obwohl die WHO schnell re-
agierte und es nun einen wirksamen Impf-
stoff und Medikamente gibt, ist der Aus-
bruch nicht unter Kontrolle. Den Grund be-
schrieb ein Mitarbeiter von Ärzte ohne
Grenzen vor kurzem im FachblattNew Eng-
land Journal of Medicine: „Gewehre und
Gesundheitsfürsorge vertragen sich
nicht“. Es ist der erste Ausbruch in einem
Kriegsgebiet – und ein Ende ist nicht abzu-
sehen. berit uhlmann

Zäh verhandelter Friede


In Mosambik einigen sich Regierung und Opposition


DEFGH Nr. 182, Donnerstag, 8. August 2019 (^) POLITIK HF3 7
Der Polizeichef wendet sich an
die Mafia. Notrufe können nicht
nachverfolgt werden
Flächenbrand
statt Strohfeuer
Erstmals ist im Kongo kein Ende
der Ebola-Epidemie absehbar
2700 Infektionsfälle wurden
offiziell registriert –
1800 der Erkrankten starben
Wie vielerorts im Ostkongo wurden auch in der Stadt Beni im vergangenen Jahr Gräber für Opfer des Ebola-Virus ausgehoben. FOTO: JEROME DELAY/AP
Renamo-Führer Ossufo Momade (links)
und Präsident Filipe Nyusi. FOTO: AP
Beim aktuellen Ausbruch ist alles
anders. Im Nordosten lodert seit
einem Jahr ein Strohfeuer
Aus Sicht vieler Kongolesen ist
Ebola nur eine Gefahr unter vielen



  • die Malaria fordert mehr Opfer


Zu den Hoffnungen des armen
Landes gehört, nun ein riesiges
Gasfeld entwickeln zu können
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