Süddeutsche Zeitung - 31.07.2019

(Darren Dugan) #1
Schön blöd: Da hat man es als Astronaut
endlichauf den Mond geschafft – und
plötzlich fällt man wegen Weltraumkoller
in Ohnmacht und muss gerettet werden.
Für dieses Szenario hat kürzlich eine Mann-
schaft aus Astronautinnen und Wissen-
schaftlerinnen vor der Küste Floridas trai-
niert. Das rein weiblich besetzte Team er-
probte, ob sich mit einer neuartigen Trage
versehrte Raumfahrer von fremden Him-
melskörpern abtransportieren lassen. Für
solche Übungen mit simulierter geringer
Schwerkraft nutzen Nasa und Esa das Un-
terwasserlabor „Aquarius Reef Base“, das
zehn Kilometer vor der US-Küste am Bo-
den des Atlantiks verankert ist. Sechs Men-
schen können in dem 13 Meter langen zylin-
derförmigen Modul schlafen, essen und zu
Außeneinsätzen aufbrechen. Es gibt eine
Küche, Dusche und sogar Wlan. Neun Tage
verbrachten die Teilnehmerinnen bei der
letzten Mission unter Wasser, vor allem
um Technik und Abläufe für dieISSund
mögliche Reisen zum Mond und zum Mars
zu testen – wie hier das Einsammeln von
Bodenproben. Etwa die Hälfte der Crew
brach täglich ins Meer auf, die anderen diri-
gierten die Einsätze und kommunizierten
mit dem Mission Control Center – ähnlich
wie bei Außeneinsätzen im All. Nebenbei
üben die Missionsteilnehmerinnen so das
Zusammenleben auf engstem Raum. cvei

Trainieren


für den Mond


Am Dienstag präsentierte der Deutsche
Wetterdienst (DWD) die vorläufige Bilanz
für den Monat Juli. Der Temperatur-
Höchstwert von 42,6 Grad in Lingen im
Emsland lag mehr als zwei Grad über dem
bisherigen deutschen Rekord. „Von 1881
bis 2018 wurden in Deutschland insge-
samt zehnmal 40 Grad erreicht oder über-
schritten, jetzt im Juli 2019 waren es 25
Mal in nur drei Tagen“, sagte Sprecher An-
dreas Friedrich. Im Durchschnitt war der
Monat mit 18,9 Grad mehr als zwei Grad
wärmer als die international übliche Refe-
renzperiode von 1961 bis 1990. Gegenüber
der Vergleichsperiode 1981 bis 2010 betrug
die Abweichung 0,9 Grad. Der Juli des Jah-
res 2019 werde in die „meteorologischen
Geschichtsbücher“ eingehen, sagt Fried-
rich.
Am Anfang des Monats konnte es in den
Nächten noch frisch werden. Am tiefsten
sank die Temperatur in Deutschneudorf-
Brüderwiese im Erzgebirge: Am 4. Juli wur-
den dort 1,5 Grad gemessen. Die Trocken-
heit erreichte im Juli laut DWD „katastro-
phale Ausmaße“. Mit rund 55 Litern pro
Quadratmeter fehlte dem Monat knapp
ein Drittel der normalen Regenmenge. „In
zahlreichen Orten fiel lediglich ein Viertel
oder gar Fünftel des Solls“, so Friedrich.
Und wenn es regnete, dann oft in bedrohli-
chen Mengen. Kreuth-Glashütte meldete
am 28. Juli mit 138,9 Litern pro Quadratme-
ter die bundesweit größte Tagessumme
des Monats.
Rund 235 Sonnenstunden hatte der Juli


  • das waren 13 Prozent mehr als im lang jäh-
    rigen Mittel. Am häufigsten zeigte sich die
    Sonne im Saarland mit örtlich mehr als 310
    Stunden, am seltensten an der Nordsee
    mit teils unter 170 Stunden. Am Übergang
    zum August sind keine Extreme zu erwar-
    ten. „Die Temperaturen liegen mit 22 Grad
    an den Küsten und bis 28 Grad bei länge-
    rem Sonnenschein für die meisten Bundes-
    bürger im Wohlfühlbereich“, sagt Markus
    Übel von der Wettervorhersagezentrale.
    Nach der extremen Hitzewelle habe sich
    das Wetter „normalisiert“. dpa


Sie werden bis zu drei Meter lang und 70 Ki-
logramm schwer, können sogar Wasserbüf-
fel erlegen und dürften so manchen Fanta-
sy-Autoren als Inspiration für Drachen
oder andere Monsterechsen gedient ha-
ben: Komodowarane. Wissenschaftler um
Abigail Lind von den Gladstone Institutes
in San Francisco haben nun erstmals das
Erbgut der Echsen entschlüsselt. Wie sie
im FachblattNature Ecology & Evolution
berichten, haben sie dabei genetische Be-
sonderheiten festgestellt, die erklären,
warum die Reptilien in einigen Aspekten
den Säugetieren so sehr ähneln. So können
Komodowarane bis zu 20 Kilometer pro
Stunde zurücklegen und dieses Tempo lan-
ge halten. Eine erstaunliche Leistung,
wenn man bedenkt, dass wechselwarme
Tiere, zu denen neben Reptilien auch Am-
phibien, Fische oder Insekten zählen, für
gewöhnlich eine schwache Kondition ha-
ben. Tatsächlich kommt kein anderes kalt-
blütiges Tier auch nur annähernd an die
Ausdauer der Komodowarane heran.


Der Grund dafür liegt den Forschern zu-
folge im Erbgut der Riesenechsen. So fan-
den sie Erbanlagen, die den genetischen
Bauplan für Angiotensin enthalten. Dabei
handelt es sich um ein Hormon, das bei
Säugetieren den Blutdruck reguliert und
bei Bedarf deren Herzleistung steigern
kann. Eine weitere Erklärung für die Kondi-
tion der Komodowarane findet sich in ih-
ren Mitochondrien. Diese mikroskopi-
schen Strukturen versorgen die Zellen mit
Energie und beeinflussen beispielsweise,
wann ein Muskel erschöpft ist. Wie die For-
scher zeigten, sind die Mitochondrien der
Komodowarane besonders leistungsstark,
was wiederum auf genetische Ähnlichkei-
ten zu Säugetieren zurückzuführen ist.
Die Untersuchung liefert jetzt auch eine
Erklärung für den äußerst feinen und für
Echsen ebenfalls untypischen Geruchs-
sinn der Warane. Die Forscher identifizier-
ten knapp 150 Gene, die auch Säugetieren
erlauben, unterschiedliche Gerüche wahr-
zunehmen. Zwar finden sich manche die-
ser Gene auch im Erbgut anderer Reptili-
en, bei den Komodowaranen treten sie je-
doch in einer größeren Zahl auf.


Entwickelt haben sich die genetischen
Eigenheiten den Wissenschaftlern zufolge
im Laufe der Evolution. Vermutlich muss-
ten sich die Tiere, die ausschließlich auf
der Insel Komodo sowie einigen weiteren
Inseln Indonesiens vorkommen, an verän-
derte Lebensbedingungen anpassen. So
können sie dank ihres feinen Geruchs-
sinns bis zu zehn Kilometer entfernte Beu-
te orten. Da ihr Biss zwar tödlich ist, ihr Op-
fer aber manchmal erst Tage später daran
stirbt, erhöht ein starker Geruchssinn die
Chance für Nahrung. Ebenso haben schnel-
le oder konditionsstarke Echsen Vorteile
bei der Jagd. Je feiner die Nase und je leis-
tungsfähiger das Herz, desto höher ist die
Wahrscheinlichkeit, dass das Tier überlebt
und seine Gene an die Nachkommen wei-
tergibt – positive Selektion also. Warum
das allerdings nur bei den Waranen zu den
genetischen Änderungen geführt hat,
bleibt ein Rätsel. tobias herrmann


von angelika jung-hüttl

D


ie Region ist ein Pulverfass“, sagt
Luca De Siena. Damit meint der bei
Neapel geborene Geophysiker
nicht den berühmtesten Vulkan Italiens,
den Vesuv. Er spricht über das dicht besie-
delte Gebiet direkt westlich daneben – die
Campi Flegrei, übersetzt die „Brennenden
Felder“. Deren Fläche ist mit 150 Quadratki-
lometern etwa so groß wie Liechtenstein.
Im Untergrund steckt ein Vulkansystem,
das in der Erdgeschichte mehrmals explo-
diert ist – viel heftiger als der Vesuv.
Zusammen mit seinem Team von der
Universität Mainz und Kollegen vom Vul-
kanobservatorium in Neapel arbeitet er an
einer neuen Methode, um die Bewegungen
des Magmas, der glutflüssigen Schmelze
unter den Campi Flegrei, zu beobachten –
und möglichst einen bevorstehenden Aus-
bruch besser vorhersagen zu können. Die
Wissenschaftler nutzen dazu ein unge-
wöhnliches Instrument: die Schwingun-
gen der Meereswellen im Golf von Neapel.

Brandheiß ist derzeit in den Brennen-
den Feldern neben einigen punktuellen
Gasaustritten vor allem ein Fleck in der Sol-
fatara, einem flachen, öden Krater mit
knapp 800 Meter Durchmesser. Ätzende
Schwefeldämpfe zischen dort fauchend
aus gelb verkrusteten Löchern und steigen
in weißen Schleiern zum Himmel. Diese
Schwefelgase haben den steinigen Boden
zersetzt und in eine grau-gelbliche, fein-
körnige Masse verwandelt, auf der kein
Grashalm wächst. In heißen Tümpeln
kocht sprudelnd der Schlamm. Das hat
den Solfatara-Krater zur Touristenattrakti-

on gemacht, inmitten der idyllisch mediter-
ranen Metropol-Region am Golf von Nea-
pel. Doch erinnert der Krater die Millionen
Menschen, die dort leben, auch ständig dar-
an, dass neben dem benachbarten Vesuv di-
rekt unter ihren Füßen ein noch gewaltige-
rer Vulkan schlummert, ein sogenannter
Supervulkan, dessen Eruption zehn bis
hundert Mal so heftig verlaufen kann wie
normale Ausbrüche.
Deshalb werden die Campi Flegrei stän-
dig überwacht. Die Wissenschaftler vom
Observatorium in Neapel, die auch den Ve-
suv im Visier haben, registrieren alle Para-
meter, die auf Änderungen im Untergrund
hinweisen: Anomalien im Schwerefeld der
Erde zum Beispiel, Hebungen und Senkun-
gen des Erdbodens oder Änderungen der
Temperatur und der chemischen Zusam-
mensetzung der vulkanischen Gase, die
aus der Erde strömen.
„Trotzdem wissen wir nicht, was im In-
nern des Supervulkans vor sich geht“, sagt
De Siena. Denn um ein Bild von der inne-
ren Struktur des Vulkans zu erhalten,
braucht man Erdbebenwellen, die den Un-
tergrund durchlaufen, und deren Aufzeich-
nung, das sogenannte Seismogramm, ei-
nen Blick in die Tiefe der Erde erlaubt –
ähnlich wie eine Ultraschall-Tomografie ei-
nen Blick ins Innere eines menschlichen
Körpers ermöglicht.
Doch seit 1984 hat es unter den „Bren-
nenden Feldern“ keine verwertbaren Be-
ben, also auch keine aussagekräftigen Seis-
mogramme mehr gegeben.
Dabei deuten viele Zeichen darauf hin,
dass sich im Untergrund etwas tut. Der Erd-
boden hebt sich seit 2003 beständig an
und die Gastemperaturen steigen, sodass
der Zivilschutz schon 2012 die Warnstufe
auf der vierstufigen Skala der Vulkanaus-
bruchs-Frühwarnung von 1 auf 2 – von
„Ruhe“ auf „sanft gesteigerte Aktivität“ –
erhöht hat.

Hier setzt die neue Technik von De Siena
und seinen Kollegen an. Anstelle der Erd-
bebenwellen verwenden sie seismische
Schwingungen, die die Brandung des Mee-
res erzeugt, um ein Bild vom Untergrund
zu erhalten. „Wenn das Meer an die Küste
rollt“, so erklärt De Siena, „produziert es ei-
ne Form von Schallwellen, und diese brei-
ten sich in den Boden hinein aus.“ Wie bei
dem traditionellen Verfahren mit Erdbe-
benwellen durchlaufen diese Schwingun-
gen den Untergrund des Supervulkans. Sie
bewegen sich in festem Gestein schneller
als in flüssigem – also in glühendem Mag-
ma oder in Bereichen, in denen heiße vulka-
nische Lösungen und Gase zirkulieren. „Da-
mit können wir den Vulkan quasi durch-
leuchten“, erklärt De Siena.
Der Blick der Forscher reicht damit bis
in eine Tiefe von etwa zwei Kilometern un-
ter den Supervulkan. Sie konnten dort eine
Art Kanal lokalisieren, durch den heiße
Flüssigkeiten aus einer tiefer gelegenen
Magmakammer aufsteigen und der auch
den Solfatara-Krater speist.

Lange haben Geowissenschaftler solche
natürlichen Vibrationen, wie sie Meeres-
wellen im Untergrund auslösen und die so
schwach sind, dass der Mensch sie nicht
fühlen kann, bei ihren traditionellen Erdbe-
benmessungen als „störende Bodenunru-
he“ empfunden, erläutert Heiner Igel, Geo-
physiker an der Universität München
(LMU). Auch Wind kann solche Vibratio-
nen erzeugen oder der Mensch, etwa mit
dem Straßenverkehr oder mit Maschinen
einer Fabrik. „Erst seit etwa zehn Jahren
wird man sich allmählich bewusst, dass
sich dieser ‚ambient‘ oder ‚seismic noise‘
wie wir sagen, durchaus nutzen lässt.“

Eine große Rolle spielt dabei auch, dass
man heute mit neu entwickelten Rechen-
methoden enorme Datenmengen filtern,
korrelieren und schließlich zu einem drei-
dimensionalen Bild verarbeiten kann.
Die Methode hat noch einen Vorteil: Die
Geowissenschaftler sind auch nicht mehr


  • wie bei der traditionellen Seismik – auf
    einzelne Erdbeben-Ereignisse angewie-
    sen, um Signale aus dem Untergrund zu er-
    halten. „Man kann mit Hilfe diesesam-
    bient noisekontinuierlich messen“, erläu-
    tert Igel, „und dabei laufende Prozesse stu-
    dieren und verfolgen.“ Das sei lange igno-
    riert worden, so der Wissenschaftler.
    Drei Jahre lang haben De Siena und sein
    Team daran gearbeitet, diese neue Tech-
    nik in einer so dicht besiedelten Region
    mit so viel „ambient noise“ wie unter den
    Campi Flegrei zu erproben. Nun wollen sie
    ihr Messnetz ausbauen, „um die Überwa-
    chung zu verbessern“, so der Geophysiker,
    „und im Notfall die Bevölkerung frühzeitig
    zu warnen“.


Rekordmonat


DWDzieht Juli-Bilanz


Die Kondition


des Warans


Genetische Ausstattung erlaubt
den Echsen Höchstleistungen

Ein flacher, öder Krater mit knapp
800 Metern Durchmesser steht
unter besonderer Beobachtung

Mit heutigen Computern
lassen sich die enormen Daten
zu einem 3-D-Bild kombinieren

Komodowaran FOTO: AFP


Je feiner die Nase


und je leistungsfähiger das Herz,


desto höher die Überlebenschance


(^14) WISSEN Mittwoch, 31. Juli 2019, Nr. 175 DEFGH
FOTO: H.STEVENIN/ESA/NASA
Sorrent
Pompeji
Neapel
Supervulkan
Phlegräische
Felder
Pozzuoli
Golf von
Neapel
Ischia
Capri
Vesuv
(1281 m)
10 km
SZ-Karte/Maps4News
ITALIEN
Tyrrhenisches
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Ein Ohr am Vulkan
Mit einer überraschenden Methode blicken Seismologen neuerdings in den Untergrund
westlich von Neapel: Die Brandung des Meeres soll verraten, wie gefährlich die Phlegräischen Felder sind
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