Handelsblatt - 31.07.2019

(Steven Felgate) #1

Schaeffler


Erneute Gewinnwarnung


S


chaeffler-Chef Klaus Rosenfeld rief am
Dienstagnachmittag seine Führungskräfte
zu einer Telefonkonferenz zusammen. Es
gab Erklärungsbedarf. Zum wiederholten Mal seit
dem Börsengang vor knapp vier Jahren hatte der
Autozulieferer seine Prognosen nach unten ge-
setzt. „Die Entscheidung zur Korrektur ist uns
sehr schwer gefallen“, sagte Rosenfeld dem Han-
delsblatt. „Aber wir können nicht darauf setzen,
dass im zweiten Halbjahr noch ein Aufschwung
im globalen Automobilgeschäft kommt.“
Die Botschaft Rosenfelds auch an seine Top -
manager: „Das ist kein spezielles Schaeffler-Pro-
blem.“ Schließlich hatten auch Autobauer wie
BMW und Daimler sowie Zulieferer wie Continen-
tal und Leoni bereits Gewinnwarnungen abgege-
ben. Rosenfeld rechnet für 2019 nun mit einem
Rückgang der globalen Automobilproduktion um
vier Prozent. Im Februar, als er die ursprüngliche
Prognose bekanntgab, war er von einem Minus
von nur einem Prozent ausgegangen.
Und der Schaeffler-Chef hob auch die positiven
Ergebnisse heraus: Die Cashflow-Entwicklung im
zweiten Quartal zeige, dass die Sparmaßnahmen
zu greifen beginnen. Und das lange kriselnde In-
dustriegeschäft erreichte zuletzt Margen von an-
nähernd zwölf Prozent, wuchs um fünf Prozent
und stabilisierte so den Gesamtkonzern.
Doch klar ist auch: Schaeffler ist weit von frü-
herer Ertragsstärke entfernt. Zwar kann sich die
operative Umsatzrendite von nun erwarteten sie-
ben bis acht Prozent im Branchenvergleich mehr
als sehen lassen. Im zweiten Quartal waren es
vor Sondereffekten 7,9 Prozent bei einem leicht
rückläufigen Umsatz von 3,6 Milliarden Euro.
Schaeffler ist damit kein akuter Krisenfall. Doch
hatte der Herzogenauracher Konzern lange zwei-
stellige Margen vorweisen können. Im Zuge der
zahlreichen Gewinnwarnungen flog das Unter-
nehmen sogar aus dem MDax.
Ob die guten alten Zeiten in vollem Glanz zu-
rückkommen, ist ungewiss. Als Spezialist für Prä-
zisionsmechanik tut sich das Unternehmen mit
dem Wandel ins Elektrozeitalter noch schwerer
als andere Zulieferer. Noch hängt mehr als die
Hälfte der Umsätze vom Verbrennungsmotor ab.
Natürlich versucht Rosenfeld, in Richtung E-Mo-
bilität gegenzusteuern. Erste Erfolge gibt es: Im
zweiten Quartal gewann der Unternehmensbe-
reich E-Mobilität laut Rosenfeld einen Auftrag ei-
nes globalen Premiumherstellers in der E-Moto-
ren-Fertigung in Höhe von 1,1 Milliarden Euro.
Dennoch würde bei manch anderem Unterneh-
men in so einer Situation der Vorstandschef wohl
infrage gestellt. Rosenfeld sitzt nach Angaben aus
dem Umfeld der Familie aber fest im Sattel. „Sie
sind felsenfest davon überzeugt, dass er die Pro-
bleme am besten analysieren und die richtigen
Maßnahmen umsetzen kann“, heißt es im Umfeld
der Familie. „Die Schaefflers stehen voll hinter
Rosenfeld.“ Maria-Elisabeth Schaeffler-Thumann

und ihr Sohn Georg Schaeffler hätten genau re-
gistriert, dass der Umbau des Industriegeschäfts
Früchte trage. Nun hofften sie auf eine ähnliche
Entwicklung im Automotive-Bereich.
Das gilt wohl auch für Continental – bei dem
Hannoveraner Zulieferer haben die Schaefflers
ebenfalls das Sagen. Doch gibt es nur wenige
Verbindungen zwischen der Continental AG und
der Schaeffler AG. Die beiden Beteiligungen hän-
gen nebeneinander bei der Familienholding.

Autosparte braucht mehr Marge


Womöglich auch ein Grund für die Treue zu
Rosenfeld: Die Familie hat ihm zweifelsohne viel
zu verdanken. Als die Übernahme von Continen-
tal in den Wirren der Finanzkrise zu teuer geriet
und zu viele Anteile angeboten wurden, war die
Existenz des Familienkonzerns bedroht. Es war
Rosenfeld, der vom Gläubiger Dresdner Bank zu
Schaeffler wechselte, geschickt die Finanzen re-
strukturierte und die Verschuldung schrittweise
auf ein erträgliches Maß abbaute. Unter den Kurs-
rückgängen bei der Schaeffler AG und der Conti-
nental AG schmolz zwar das Vermögen in den
vergangenen Monaten wieder etwas zusammen,
doch auch dank Rosenfeld gehören Maria-Elisa-
beth Schaeffler-Thumann und Georg Schaeffler
heute wieder zu den Wohlhabendsten im Lande.
Der Lohn: Rosenfeld stieg vom Finanzvorstand
zum Interims-CEO auf, setzte sich in einem
Machtkampf gegen Klaus Deller durch und wur-
de zum dauerhaften Vorstandsvorsitzenden der
Schaeffler AG. Seither gilt es zu beweisen, dass
der gelernte Finanzer auch das operative Ge-
schäft der Autoindustrie versteht.
Seit sich der konjunkturelle Wind gedreht hat,
legt Rosenfeld ein Programm nach dem nächsten
auf. „Race“ heißt das jüngste, die Abkürzung
steht für „Regroup Automotive for higher Margin
and Capital Efficiency“. Die Autosparte soll also
für höhere Margen und eine bessere Kapitaleffi-
zienz umgebaut werden.
Manche kritisieren das als Aktionismus, er
selbst glaubt, dass in diesen Zeiten Geschwindig-
keit und Disziplin entscheidend sind. „Jetzt
kommt es darauf an: Wer hat sein Autogeschäft
am besten im Griff ?“, sagte Rosenfeld im Ge-
spräch mit dem Handelsblatt. Die Effizienz -
programme müssten konsequent umgesetzt wer-
den.
Laut Industriekreisen stimmt sich Rosenfeld
eng mit Georg Schaeffler ab. Die Mehrheit der
Anteile liegt seit Jahren beim Junior, und er führt
von Anbeginn den Aufsichtsrat. Georg Schaeffler
sei in die Rolle hineingewachsen, heißt es in In-
dustriekreisen. In der Öffentlichkeit gilt immer
noch seine Mutter Maria-Elisabeth Schaeffler-
Thumann als wichtigste Eigentümerin. Doch hat
sie sich stark aus der Öffentlichkeit und auch aus
der Firma zurückgezogen. In Kürze feiert sie in
Kitzbühel ihren 78. Geburtstag. Axel Höpner

Klaus
Rosenfeld:
Der Schaeffler-
Chef baut
kräftig um.

Bloomberg

Schaeffler
Aktienkurs in Euro (Vorzüge)

6,76 €


HANDELSBLATT

1.7.2018 30.7.


Quelle: Bloomberg

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Die Gespräche sollen im Herbst 2017 abgebrochen
worden sein, weil die Vorstellungen über den Kauf-
preis weit auseinandergingen. Die Familie Eisen-
mann habe damals einen Preis von über einer Milli-
arde Euro gefordert. In Finanzkreisen wurde das Un-
ternehmen vor zwei Jahren allenfalls auf 500 bis 700
Millionen Euro taxiert. Dieser Wert dürfte aber jetzt
in weite Ferne gerückt sein. „Die Familie hätte da-
mals nicht so stolz sein sollen und besser das Unter-
nehmen verkauft“, sagt Autoprofessor Bratzel.
Als Interessenten kommen jetzt vor allem wieder
chinesische Wettbewerber infrage. Zu ihnen zählt
die chinesische Scivic, die schon heute hinter Dürr
eine starke Nummer zwei in China ist und bei-
spielsweise die Lackieranlage für das Tesla-Werk in
China liefert. Konkurrent Dürr kommt zumindest
in der Sparte Lackieranlagen für die Autoindustrie
aus kartellrechtlichen Gründen nicht als strategi-
scher Partner infrage. Auch würden die Autoher-
steller als Kunden eine solche Verbindung nicht
goutieren. Anders könnte es in der Sparte Indus-
trielackieranlagen aussehen. Aber bislang ist noch
nicht bekannt, ob Eisenmann ein Insolvenzverfah-
ren in Eigenregie oder mit bestelltem Insolvenzver-
walter bekommt. Auch ist unklar, ob das Unterneh-
men als Ganzes erhalten bleiben kann oder filetiert
wird. „Wir gehen von einer Fortführung des Unter-
nehmens aus“, sagt der zuständige Stuttgarter Ge-
werkschaftssekretär Udo Abelmann.

Verschwiegenheit könnte sich rächen


Inhaber des 1952 gegründeten Unternehmens ist
der in der Schweiz lebende Unternehmer Peter Ei-
senmann. Sein Schwiegersohn Matthias von Krau-
land führte das Unternehmen bis Anfang Juli. Dann
wechselte der glücklose Unternehmenschef vom
operativen Geschäft in den Verwaltungsrat. Unter-
nehmenszahlen veröffentlicht Eisenmann nicht
oder nur mit erheblicher zeitlicher Verzögerung.
Die Verschwiegenheit könnte sich jetzt rächen.
Konkurrent Dürr hat bereits Anzeigen geschaltet,
um Ingenieure vor allem von Eisenmann abzuwer-
ben. „Wir hoffen, unsere offenen Stellen jetzt bes-
ser besetzen zu können“, sagte ein Sprecher von
Dürr. Zwar hat auch Dürr kürzlich eine Gewinn-
warnung herausgegeben, aber das Bietigheimer
Unternehmen erwartet immer noch eine Rendite
zwischen 5,5 und sechs Prozent. „Wenn ein Auto-
hersteller bei laufenden Projekten wegen der Ei-
senmann-Insolvenz Hilfe braucht, stehen wir be-
reit“, so der Dürr-Sprecher. Der Kampf um die bes-
ten Köpfe nimmt in der Krise sogar noch zu.
Die Probleme bei Eisenmann werfen ein Schlag-
licht auf die Automobilbranche. Die Produktion
geht weltweit um fünf Prozent zurück. Wie in Ab-
schwüngen zuvor gilt in solchen Situationen „cash
is king“. In der Finanzkrise vor zehn Jahren kamen
vor allem Unternehmen durch Liquiditätsproble-
me in Schwierigkeiten. „Wir werden sicherlich
noch mehr Konsolidierungen sehen“, sagt Thibault
Pucken, Director der Unternehmensberatung In-
verto. Das Thema Liquiditätssicherung komme
zwangsläufig auf die Agenda. „Schwierig wird es
für Unternehmen, die zu schnell gewachsen sind
oder vorher schon strukturell schwach aufgestellt
waren“, betont der Berater.

Wir sehen


die


Entwicklung


bei


Eisenmann


mit großer


Sorge und


hoffen auf eine


Lösung.


Nicole
Hoffmeister-Kraut
Wirtschaftsministerin
Baden-Württemberg

Fließband in der
Autoproduktion:
Die Investitionen
werden gekappt.

Eisenmann


Zulieferer in der Krise
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MITTWOCH, 31. JULI 2019, NR. 145


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