Die Zeit - 08.08.2019

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  1. August 2019 DIE ZEIT No 33


E


ile war geboten. Die schweizeri-
sche Bundesanwaltschaft wusste,
dass bereits im April 2020 die
Vorwürfe verjähren würden. Also
erhob sie am vergangenen Diens-
tag in Bern Anklage gegen drei
Funktionäre des Deutschen Fuß-
ball-Bundes, theo Zwanziger, Wolfgang Niers-
bach und Horst R. schmidt, sowie den früheren
Fifa-generalsekretär urs Linsi. Ihnen wird vor-
geworfen, die Mitglieder eines Aufsichtsorgans
des Organisationskomitees für die Fußball-Welt-
meisterschaft 2006 in Deutschland »arglistig ge-
täuscht« zu haben. Die Beschuldigten weisen die
Vorwürfe zurück.
Es geht dabei um die Frage, ob die Fußball-WM
2006 gekauft war. Von besonderem Interesse ist
dabei eine seltsame Zahlung von zehn Millionen
schweizer Franken.
Alles begann im sommer 2002. Damals habe
sich Franz Beckenbauer, der die WM nach Deutsch-
land holen sollte, vom französischen unternehmer
Robert Louis-Dreyfus einen Kredit erbeten, so
schildert es die schweizerische Bundesanwaltschaft
in einer Pressemitteilung. Er brauchte zehn Mil-
lionen Franken, damals umgerechnet rund 6,7
Millionen Euro. Louis-Dreyfus, der frühere Vor-
standsvorsitzende von Adidas und damalige Besitzer
des Fußballklubs Olympique Marseille, sagte zu und
überwies das geld.
Doch die Millionen blieben nicht bei Becken-
bauer. Über eine schweizer Anwaltskanzlei flossen
sie, jedenfalls laut Bundesanwaltschaft, auf Konten
des damaligen Fifa-Funktionärs Mohamed bin
Hammam, eines unternehmers aus Katar. Franz
Beckenbauer schilderte den Ermittlern laut Presse-
mitteilung der Bundesanwaltschaft die sache fol-
gendermaßen: Er habe eine Forderung von bin
Hammam mithilfe des Darlehens persönlich be-
gleichen wollen.
Eine Forderung wofür? Beckenbauer sagte, bin
Hammam beziehungsweise die Fifa-Finanzkommis-
sion habe den Betrag als gegenleistung für einen
Zuschuss von 250 Millionen Franken an das WM-


Organisationskomitee gefordert. Weil der DFB
nicht willens gewesen sei, den Betrag zu überweisen,
habe Beckenbauer die Millionen selbst aufgetrieben.
Der Süddeutschen Zeitung sagte Beckenbauer im
November 2015, der Vorwurf, er habe die WM
gekauft, sei falsch.
Die Aufklärung der sommermärchen-Affäre ist
schwierig. Louis-Dreyfus ist seit zehn Jahren tot.
Beckenbauer ist gesundheitlich derart angeschlagen,
dass er, so sagen es seine Ärzte, nicht dazu in der Lage
sei, eine Aussage zu machen, geschweige denn an
einer gerichtsverhandlung teilzunehmen. Deshalb
wurde das Verfahren gegen ihn abgetrennt. und die
Behörden in Katar reagieren seit drei Jahren nicht
auf ein Rechtshilfeersuchen der schweizer Justiz.
Dazu kommt, dass der oberste schweizer Er-
mittler Michael Lauber selbst in der Bredouille
steckt. 2016 eröffnete er ein Ermittlungsverfah-
ren gegen den damals frisch gewählten Fifa-Prä-
sidenten gianni Infantino. Dafür traf er sich
zweimal mit ihm – ohne diese treffen zu proto-
kollieren, wie es vorgeschrieben ist. Lauber be-
stätigte später diese treffen. An eine mögliche
dritte Zusammenkunft, auf die ein schweizer
sonderermittler gestoßen sein will, der in einem
anderen Fall recherchierte, konnte sich Lauber
zunächst nicht erinnern. Er gehe aber, sagte Lau-
ber, aufgrund von terminkalender-Einträgen
und sMs davon aus, dass es das dritte treffen
gegeben habe.
seit Monaten steht Lauber wegen der sache in
der schweiz unter Druck. Zwischen dem Bundes-
anwalt und dem Chef der Aufsichtsbehörde der
Bundesanwaltschaft, die seine Fehltritte unter-
sucht, ist ein offener streit entbrannt. seine Wie-
derwahl durch das Parlament wurde vom Früh-
ling in den Herbst verschoben; Ende des Jahres
endet Laubers Amtszeit. gleichzeitig liegen beim
Bundesstrafgericht mehrere sogenannte Aus-
standsgesuche vor, in denen dem Bundesanwalt
vorgeworfen wird, er sei in den Fußball-unter-
suchungen befangen. Auch im Fall der drei an-
geklagten DFB-Funktionäre. grund dafür sind
die geheimtreffen mit Fifa-Chef Infantino.

trotzdem erheben Lauber und die Bundes-
anwaltschaft nun Anklage. Man habe sich »nach
erfolgter Risikoanalyse und Interessenabwägung«
dafür entschieden, schreiben sie in einer Mitteilung.
Fragt sich nur, ob diese Rechnung aufgeht. Die
schweizerische Bundesanwaltschaft ist nicht dafür
bekannt, große Verfahren erfolgreich zu Ende zu
führen. schon in der Vergangenheit gab es zahlreiche
Pannen. Etwa als die spätere uN-Chefanklägerin
Carla Del Ponte als Bundesanwältin mit viel Auf-
sehen die Mafia bekämpfen wollte. Am Ende hatte
sie kaum Erfolge vorzuweisen. Ihr Nachfolger ging
medienwirksam gegen die Rockergruppe Hells
Angels vor, erreichte aber nicht viel und trat schließ-
lich zurück. Einen Monat zuvor war bekannt gewor-
den, dass er einen ehemaligen Drogenboss als
V-Mann gegen einen Bankier eingesetzt hatte.
unter Michael Lauber sollte alles anders werden.
tatsächlich hat er die Behörde erfolgreich reorga-
nisiert. Von großen skandalen blieb die Bundes-
anwaltschaft seither verschont. Aber nicht von hand-
werklichen Fehlern. Dazu gehören nicht nur die
ominösen treffen mit Infantino, sondern immer
wieder auch mangelhafte Anklageschriften.
Darauf setzen auch die beschuldigten Fußball-
funktionäre. Niersbach schreibt in einem statement:
»Es ist bezeichnend für dieses unsägliche Verfahren,
dass man als Betroffener nach über drei Jahren er-
fahren muss, dass Anklage erhoben wird.« Zwanzi-
ger sagt: »Das ganze ist lächerlich und unter der
Würde einer seriösen strafverfolgungsbehörde.«
Nicht umsonst hoffen sie darauf, dass bis April kein
urteilsspruch gefallen sein wird, dann wäre nach
schweizer Recht die sache verjährt. Zwanziger sagt,
er habe sich »überhaupt nichts vorzuwerfen«. Niers-
bach schreibt: »Materiell kann ich nur wiederholen,
dass die erhobenen Vorwürfe völlig haltlos sind.«
Der Kreditgeber Louis-Dreyfus erhielt seine
Millionen übrigens 2005 zurück. Von einem Konto
des DFB floss das geld auf dem umweg über die
Fifa zurück zum unternehmer.
War das sommermärchen also nun gekauft oder
nicht? Das wird wohl auch dieses Verfahren nicht
klären. M AT T H I A S DAU M

WIRTSCHAFT 21


WM 2006:


Kommt jetzt raus, ob


das Sommermärchen


gekauft war?


2 FRAGEN ZUR WOCHE


Ve r ke h r : Gibt es bald


noch mehr Elektroroller?


E


in unbekannter graffiti-sprayer hinterließ
neulich einen Aphorismus auf der Außen-
wand eines ICE: »Auf dem E-scooter zum
tin der- Date«. Eigentlich gibt es keinen satz, der
das Leben im Jahr 2019 besser zusammenfasst.
schon jetzt sind die Elektroroller das kulturelle
Phänomen dieses sommers.
seit Mitte Juni parken mehrere Zehntausend
von ihnen an straßenecken und auf gehwegen.
Wie eine Plage seien die elektrischen Fahrzeuge
über deutsche städte hereingebrochen, sagen
Kritiker. sie beklagen sich über das rowdyhafte
Verhalten mancher Nutzer und verweisen
auf zahllose unfälle, bei denen E-scooter-Fah-
rer und andere Verkehrsteilnehmer mitunter
schwer verletzt wurden. Der Hauptgeschäfts-
führer des Deutschen städtetags forderte zuletzt
strengere Regeln: Die Roller dürften nicht über-
all herumstehen und Bürgersteige blockieren.
Er sieht die Verleiher in der Verantwortung. Ih-
nen, so viel steht fest, bläst derzeit ordentlich
gegenwind entgegen.
schon jetzt wetteifert hierzulande etwa ein halbes
Dutzend Anbieter um die gunst der Kunden. Nun
kommt ein weiterer Wettbewerber hinzu. Das kali-
fornische unternehmen Bird will noch im August


in Deutschland starten, wie es auf ZEIT-Anfrage
bestätigte. Zunächst will Bird seine Elektroroller in
Berlin, Hamburg, München und Köln aufstellen.
Weitere städte sollen folgen.
Bird gibt sich vor seinem Deutschland-start auf-
fallend defensiv: Man wolle zunächst mit einer
»kleinen Flotte« loslegen und den Markt keinesfalls
überfluten, sagt Chris tian gessner, der das geschäft
von Bird in Deutschland, Österreich und der
schweiz verantwortet. »Wir sehen uns als Partner
der städte.« Von anderen Mobilitätsverkäufern wie
dem umstrittenen taxivermittler uber hatte man
in der Vergangenheit aggressivere töne vernommen.
Das konziliante Auftreten hat einen grund:
Bird und seine Konkurrenten fürchten, dass die
Politik ihr Wachstum bremsen könnte. Deshalb
suchen sie den Kontakt zu stadtverwaltungen.
sie hoffen, auf diese Weise ähnliche Vorschriften
wie in Paris zu verhindern. Dort plant Bürger-
meisterin Anne Hidalgo, die Zahl der scooter zu
begrenzen und nur noch drei unternehmen zu
erlauben, sie zu vermieten. Aktuell sind in der
französischen Hauptstadt rund ein Dutzend ver-
schiedene Verleiher aktiv.
so oder so gilt als sicher, dass nicht alle An-
bieter überleben werden. Einige dürften früher

oder später wieder verschwinden – entweder weil
sie von Wettbewerbern übernommen werden
oder weil sie kein geld mehr haben. Eine solche
Konsolidierung ließ sich schon im Fall eines an-
deren Fortbewegungsmittels der sharing-Econo-
my beobachten. Ende 2017 waren in vielen städ-
ten über Nacht plötzlich tausende Leihfahrräder
aufgetaucht. Manche der unternehmen, die sie
dort hingestellt hatten, hielten nicht lange durch.
sie zogen sich zurück oder gingen pleite.
Neben Lime aus san Francisco ist Bird der
zweite global Player unter den Roller-unter-
nehmen. Beide haben von Wagniskapitalgebern
jeweils mehrere Hundert Millionen Dollar ein-
geworben. Die europäischen Konkurrenten ste-
hen finanziell im Vergleich damit deutlich
schwächer da. Bird hat das geld zuletzt aber
auch in atemberaubendem tempo verbrannt.
Einem Bericht der amerikanischen Nachrichten-
seite The Information zufolge machte das start-
up allein im ersten Quartal dieses Jahres 100
Millionen Dollar Verlust.
Wie in solchen Fällen üblich, sind Markt-
anteile erst einmal wichtiger als schwarze Zahlen


  • sofern einem der unternehmen nicht vorher
    das Kapital ausgeht. ANN-KATHRIN NEZIK


Fußball vor Gericht – und niemand war’s

Foto (Ausschnitt): ullstein bild
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