8 POLITIK DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT MITTWOCH,31.JULI
E
twa drei Dutzend De-
monstranten haben
sich am Montag ver-
sammelt, nur ein paar
Meter entfernt vom Wahldis-
triktbüro des demokratischen
Abgeordneten Elijah Cummings.
In der sengenden Mittagssonne
halten sie Plakate hoch. Einer
trommelt im Takt auf einen oran-
genen Plastikeimer, einer ruft ei-
nen Schlachtruf ins Mikrofon.
VON DANIEL FRIEDRICH STURM
AUS BALTIMORE
Doch die hier protestierenden
jungen Frauen und Männer tun
das weder für noch gegen Elijah
Cummings, 68, der seit einigen
Tagen von Donald Trump verbal
attackiert wird. Nein, die De-
monstranten beklagen, dass den
Musikern des Symphonieorches-
ters von Baltimore schon seit 43
Tagen kein Lohn mehr gezahlt
wird. „Schätzt den Wert großar-
tiger Musik nicht gering“, warnt
eine junge Frau per Transparent.
Das Gebäude des Symphonieor-
chesters liegt an der Park Ave-
nue, direkt gegenüber von Cum-
mings’ Büro.
Wer am Montag durch Balti-
more streift, mit Bürgern über
die Tiraden spricht, die der ame-
rikanische Präsident gegen die
Stadt losgelassen hat, erlebt mit-
nichten die Aufregung, die sich in
der amerikanischen Politik oder
den sozialen Medien breit ge-
macht hat. Ja, Trump hat Cum-
mings’ Wahldistrikt, also den
Großraum Baltimore, als „wider-
lich, von Ratten und Nagetieren
verseucht“ genannt. Ja, das
Staatsoberhaupt twitterte: „Kein
Mensch würde dort leben wol-
len.“ Ja, Cummings wehrte sich,
das demokratische Spitzenperso-
nal solidarisierte sich verbal. Ja,
die „Baltimore Sun“ kommen-
tierte, es sei besser eine Ratte in
der Nachbarschaft zu haben, als
eine zu sein. Doch es gibt keine
Demo. Es lädt kein demokrati-
scher Präsidentschaftsbewerber
zu einer Solidaritätskundgebung,
nicht einmal Kamala Harris, die
doch ihre Kampagne hier in der
Stadt organisieren lässt. Und das
in einer Stadt, die durch und
durch „blau“ ist, demokratisch
also. In einer Stadt, die seit 1967
keinen republikanischen Bürger-
meister mehr gesehen hat. In ei-
ner Stadt, an deren Spitze einst
Vater, dann Bruder von Nancy
Pelosi, der demokratischen Spre-
cherin des Repräsentantenhau-
ses, standen. Immerhin: Der Bür-
gerrechtler und baptistische
Pfarrer Al Sharpton war am Mon-
tag in Baltimore, warf Trump ei-
ne rassistische Kampagne vor.
Ähnlich äußerte sich Michael
Steele, einst Vorsitzender der Re-
publikanischen Partei.
In Cummings’ Büro herrscht
eine sommerlich schläfrige Stim-
mung. An der Wand hängen ge-
rahmte Fotos des Abgeordneten,
der seit bald einem Vierteljahr-
hundert im Repräsentantenhaus
sitzt. Sie zeigen ihn mit Bill Clin-
ton, mit George W. Bush, mit
Nancy Pelosi, und natürlich mit
Barack Obama. Das Bild erinnert
an bessere Zeiten für Cummings,
Obama hat es signiert, „für Eli-
jah“, mit Dank für die Freund-
schaft. Der Abgeordnete aber ist
nicht da, sein Mitarbeiter will
über die Angriffe Trumps nicht
reden. Das Thema sei so poli-
tisch, das müsse der Chef schon
selber tun. Eine „von Ratten ver-
seuchte“ Stadt, auch dazu wollen
Sie nicht sagen? Na ja, so viel
lässt sich der Mitarbeiter dann
doch entlocken, Cummings regie-
re ja gar nicht die Stadt, vertrete
sie nur in Washington. „Fragen
Sie doch mal im Rathaus.“
Im Rathaus, untergebracht in
einem prächtig-protzigen Gebäu-
de aus dem 19. Jahrhundert,
herrscht geschäftige Normalität.
Mitarbeiter tragen Aktenmappen
und Briefumschläge. Der Bürger-
meister sei auf einer Beerdigung,
heißt es, der Präsident der Rats-
versammlung ebenfalls nicht im
Hause. Immerhin hat er ein paar
Sätze für die Medien herausge-
ben: Konterkritik an Trump
(„unter der Würde eines ameri-
kanischen Präsidenten“) und
Lob für Cummings („ein Held“).
Nun ja. Dass in Baltimore einiges
im Argen liegt, können selbst ein-
gefleischte Demokraten kaum
bestreiten. Die vielen Jahre an
der Macht sind der Partei nicht
gut bekommen, zwei ihrer Bür-
germeister traten in den vergan-
genen zehn Jahren nach Korrup-
tionsfällen zurück. „Wenn schon
die Bürgermeister nicht als Vor-
bild taugen, stimmt hier etwas
nicht“, sagt ein Herr mittleren
Alters in Anzug, der im schatti-
gen Vorgarten der Zionskirche
seine Mittagspause verbringt.
Und es fallen ihm gleich noch ein
paar andere Defizite der Stadt
Wer das schmucke Zentrum von
Baltimore verlässt, sieht recht
rasch die andere Seite der Stadt:
Alte, verfallene Häuser,
in denen schon seit Jahren
niemand mehr lebt
„Trump hat
teilweise recht“
„Von Ratten verseucht“: Der US-Präsident hat mit seiner
Verbalattacke auf Baltimore bei Politikern eine Welle
der Empörung ausgelöst. Aber was sagen die Bewohner
der Stadt? Unser Korrespondent hat sie besucht
I
m Iran gehört eine Menge
Mut dazu, einen Minister der
Korruption anzuklagen und
dem Machthaber Hassan Ruha-
ni unbequeme Fragen zu stel-
len. Masoud Kazemi,Redak-
teur des monatlichen Politikma-
gazins „Seda-ye Parsi“, war so
mutig und bezahlt das nunmit
einem langen Gefängnisaufent-
halt. Kazemi wurde bereits im
Oktober 2018 verhaftet, aller-
dings auf Kaution freigelassen.
Dann folgte im Mai 2019 sein
Prozess – und eine Verurteilung
zu viereinhalb Jahren Gefängnis
und zwei weiteren Jahren Be-
rufsverbot.
Der Richter befand ihn fol-
gender Verbrechen für schuldig:
VVVerbreitung von Falschnach-erbreitung von Falschnach-
richten und Beleidigung des
Obersten Landesführers und
anderer Regierungsmitglieder
des Iran. Tatsache ist, dass Ka-
zemi 2018 via Twitter über Kor-
ruption beim Industrieministe-
rium geschrieben sowie Präsi-
dent Ruhani Fragen nach ver-
mutlich in den 90ern ermorde-
ten iranischen Intellektuellen
und Aktivisten gestellt hatte.
„Mit dieser hohen Haftstrafe
signalisiert die iranische Revo-
lutionsgarde eindeutig, dass je-
der Journalist, der über Korrup-
tion in der Regierung berichtet,
einem ähnlichen Schicksal aus-
gesetzt sein wird“, sagte Robert
Mahoney, stellvertretender Exe-
kutivdirektor vom Komitee zum
Schutz von Journalisten (CPJ).
HRANA
#Free
them
all
FFFreeree
them all
Masoud Kazemi
Nach seiner Rückkehr nach Ve-
nezuela ist der deutsche Bot-
schafter Daniel Kriener von
dem selbst ernannten Interims-
präsidenten Juan Guaidó emp-
fangen worden. „Das Regime ist
isoliert“, sagte der Oppositi-
onsführer nach dem Treffen
mit dem Diplomaten. „Dass wir
den Botschafter heute willkom-
men heißen konnten und die
Anerkennung unserer Über-
gangsregierung durch das deut-
sche Außenministerium zeigen,
dass wir auf dem internationa-
len Parkett vorankommen.“ Die
Regierung von Präsident Ni-
colás Maduro hatte Kriener An-
fang März zur unerwünschten
Person erklärt und des Landes
verwiesen.
Juan Guaidó
empfängt
Botschafter