Süddeutsche Zeitung - 22.07.2019

(Darren Dugan) #1
DieaustralischeBehörde,diedasGreat
BarrierReefverwaltet,stelltsichmitei-
nemAppellzurRettungdesKorallenriffs
gegendieeigeneRegierung.„Nurdie
stärkstenundschnellstenmöglichenMaß-
nahmen“zurVerringerungderglobalen
Treibhausgas-Emissionenkönntendie
AuswirkungenderErderwärmungaufdas
Riffbegrenzen,heißtesineinemPapier
der„GreatBarrierReefMarineParkAutho-
rity“,diedasWeltnaturerbeverwaltet.
EinweitererVerlustvonKorallensei
„unvermeidlich“,könneaberdurchwirksa-
menKlimaschutzminimiertwerden,
schreibtdieBehörde.Dazuseieine„inter-
nationaleundnationale“Antwortnötig–
eindeutlichesSignalandieaustralischeRe-
gierung.Unterdemkürzlichwiedergewähl-
tenkonservativenMinisterpräsidenten
ScottMorrisonundseinemVorgängerMal-
colmTurnbullsinddieEmissionenAustra-
liensindenvergangenenvierJahrenstets
gestiegen.DerKonservativeMorrisongilt
alsUnterstützerderKohleindustrie.Die
imRahmendesPariserAbkommenszuge-
sagtenZielezurEmissionsminderunghat
dieRegierungbislangnichtgesetzlichver-
ankert,daherdürfteAustralienseineeige-
nenKlimazieledeutlichverfehlen.

DieErderwärmungsetztdem2300Kilo-
meterlangenRiffanderNordostküsteAus-
traliensbereitsheutestarkzu.2016und
2017kameszweiJahreinFolgezuschwe-
renKorallenbleichen.DabeiwerdenAlgen
abgestoßen,mitdenendieKorallensymbi-
otischzusammenleben,dieKorallenver-
blassenundsterbenanschließendhäufig
ab.2016gingensoetwa30ProzentallerKo-
rallenimflachenWasserdesRiffsverlo-
ren.DieBleichevon2017hatdieKorallen
weiterdezimiert.LauteinerStudieim
FachmagazinSciencetretenKorallenblei-
chenheuterundfünfMalhäufigeraufals
nochvoreinigenJahrzehnten.In25Jahren
könntensielauteinerPrognosejährlich
wiederkehren.Hinzukommtdiezuneh-
mendeVersauerungderMeere.Rundein
DritteldesweltweitausgestoßenenKoh-
lendioxidsnehmendieMeereauf,wo-
durchsieallmählichsaurerwerden.Das
setztdenkalkhaltigenSkelettenderKoral-
lenzu.SteigendeWassertemperaturener-
schwerenesdenOrganismenzusätzlich,
sichandieseVeränderungenanzupassen.
WiestarkdieTemperaturennochstei-
genwerden,beeinflussedieÜberlebens-
chancendesGreatBarrierReefsmassiv,be-
tontdasPositionspapierderaustralischen
Parkverwaltung.Gelingtes,dieErderwär-
mungauf1,5GradimVergleichzurvorin-
dustriellenZeitzubegrenzen,könntewohl
zumindesteinDrittelderKorallengerettet
werden.BeieinerErwärmungumzwei
GradwürdenvermutlichpraktischalleKo-
rallenvernichtet.Daswärekaumim
InteressederAustralier:DasRifflocktje-
desJahrmehralszweiMillionenTouristen
an. 



E


sistderSommer2017,alsderGeo-
wissenschaftlerThomasOpelvorei-
ner55Meterhohen,fastsenkrecht
indenHimmelragendenSteilwandsteht.
Esknistert,rieselt,poltert,TagundNacht.
PlötzlicheinlautesKnallen:AusdemTor
zurUnterwelt,wiederriesigeKratervon
BatagaikainSibirienoftgenanntwird,ist
einweiterermächtigerBlockvereisterEr-
deherausgebrochen.MitderKettensäge
schneidetOpelhandbreiteQuaderausder
Wandheraus.EsisteingefährlicherAr-
beitsort,jederzeitkönntesicheinweiterer
Erdblocklösenundaufihnherabstürzen.
AberdieProben,dieerausdemEisholt,
sindkostbar:SieenthaltenJahrtausende
alteSedimente,eineinzigartigesKlimaar-
chiv.MitdessenHilfehoffenForscher,die
DynamikdesWeltklimasbesserbeurtei-
lenzukönnen–umgenauereVorhersagen
überdiekünftigeEntwicklungzumachen.
ImAprildiesesJahresistThomasOpel
miteinerExpeditionsgruppederPotsda-
merAußenstelledesAlfred-Wegener-Insti-
tutsfürPolar-undMeeresforschungzu
demmysteriösenEinbruchskraterzurück-
gekehrt.InSibirienistdanochSpätwinter,
nachtssinkendieTemperaturenaufmi-
nus30GradCelsius.IndieserJahreszeit
kanneinigermaßensicherandersteinhart
gefrorenenWandgearbeitetwerden.
Derungewöhnlichtiefe,etwaeinenKilo-
meterbreiteKesselhatsicherstinden
letztenzweibisdreiJahrzehntenmittenin
derTaigagebildet,inderNähederkleinen
StadtBatagaiinJakutien.SeitfünfJahren
erregterinderWissenschaftAufsehen.
DasEntstehendieserFormationwar
zunächsträtselhaft.Dannstelltesich
heraus,dassderEinsturzvonMenschen

verursachtwurde:AlsfürdieErkundung
einerZinnmineeineStraßentrassean-
gelegtwurde,walztenKettenfahrzeugedie
schützendeVegetationnieder.Dadurch
drangmehrSonnenstrahlungaufden
Permafrostbodenvor;dieKlimaerwär-
mungtateinÜbriges.Esentstandenkleine
Seen,derPermafrostbegannzutauen,Eis
undSchneeflossenalsSchmelzwasserab.
AmEndesacktedieausgelaugteErdein
sichzusammen.SolcheThermokarst-Sen-
kensindnichtsSeltenes,abersogroßwie
derBatagaika-Krateristsonstkeine.

DabeiliegtBatagaikanur60Kilometer
vonderkältestenGegendderNordhalb-
kugelentfernt.Dasssichsogardortder
Klimawandelsostarkauswirkt,istfür
Forscherbedenklich.Permafrosterstreckt
sichübereinViertelallerLandmassender
nördlichenHemisphäre;dessenAuftauen
bedrohtdieInfrastrukturunddiegesamte
LebensgrundlageinweitenRegionen.
Hinzukommt,dassbeimTauengroße
MengendesstarkenKlimagasesMethan
freigesetztwerdenkönnen,wasdieErd-
erwärmungzusätzlichbeschleunigt.Erst
kürzlichhattenForscherfestgestellt,dass
derPermafrostbodeninTeilenKanadasso
starkaufgeweichtist,wiemaneserstfür
dasJahr2090erwartethatte.
AlsThomasOpelindiesemFrühjahr
denKraterinSibirieninspizierte,saher
sofortdieenormenVeränderungenseit
seinemletztenBesuch.Satellitenbilder
bestätigtenseinenEindruck:Ineinigen
BereichenverliertdieSteilwandjährlich

etwa20MeterDicke.„Ichwarbeeindruckt
vonderGeschwindigkeitderErosion“,sagt
Opel,„aberauchvonderTatsache,dassich
miteinemMalJahrtausendealtesSedi-
mentundEisgreifbarvormirhatte.“Wie-
derkonnteereinigeDutzendProben-
blöckegewinnen;derzeitwerdensieim
PotsdamerLabordesAlfred-Wegener-In-
stitutsuntersucht.
ImWinter,beiTemperaturenbisunter
minus40GradCelsius,reißtdiegefrorene
Erdeauf,weilsichderPermafrostboden
beimAbkühlenzusammenzieht.Dabei
entstehenbiszufünfZentimeterbreite,
senkrechteFrostspalten.TautimFrühjahr
derSchneeanderOberfläche,dringtindie
ÖffnungenSchmelzwassereinundge-
friertsofortwieder.DieserVorgangwieder-
holtsichJahrfürJahr,wobeidieSpalten
meistinderMitteerneutaufreißen.So
wächstimBodenüberdieJahreeinV-för-
migerKeilheran,dermehrereMeterbreit
seinkannundbiszu30Metertiefinden
Bodenreicht.ImInnerendesKeilsliegen
diejüngstenEisadern,zudenRändernhin
dieimmerälteren.AufdieseWeiseent-
stehteinUmweltarchiv,dasHundert-
tausendeJahreindieVergangenheitrei-
chenkann.
MitdemWasserdringtorganischesMa-
terialindieSpalteneinundwirddortkon-
serviert:Pollen,Pflanzenteile,Fäkalienres-
tevonTieren.AnhandsolcherSpuren
kannmitKohlenstoff-DatierungdasAlter
derEisadernbestimmtwerden.InSibirien
gibteskaumGletscheroderEiskappen
wieinGrönland,diemananbohrenkönn-
te,umüberdiefrüheKlimaentwicklung
Auskunftzuerhalten.DarumsinddieEis-
keile,andiemanherankommt,sowichtig
fürdieForschung.Wissenschaftlerhaben
schonbiszu60000JahrealteEiskeile

gefunden,zumBeispielaufderBykowski-
HalbinselimOstenSibiriens.DieEiskeil-
probenausdemBatagaika-Kraterkönn-
tendeutlichältersein:„Siereichenmindes-
tens200000Jahrezurück“,meintOpel.
Dasbedeutet,dassdasEisbereitsdieEem-
Warmzeitvorrund125000Jahrenüber-
standenhat,dieletzteWarmzeitvorderak-
tuellen,demHolozän.ImSüdenKanadas
wurdeeindurchvulkanischeAblagerun-
gengeschützterEiskeilsogarauf
JahrevorunsererZeitrechnungdatiert.
ThomasOpelliebtdieLandschaftinSi-
birien.WenndieSonnedortimSpätsom-
merüberdieTundrascheint,fühltersich
indemunwirklichklarenLichtwieamEn-
dederWelt.Aberauchwissenschaftlich
lohntsichdieReise:„Ichkanndortetwas
ganzNeuesergründen,dassehrkomplex
istunddaswirnochnichtganzverstehen“,
sagter.

BisherigeModellrechnungenvonPalä-
ontologenergeben,dassdieglobalenTem-
peraturenindenvergangenen8000Jah-
renbisins19.Jahrhunderthineinkontinu-
ierlichabgenommenhaben.Dasstimmt
mitderabnehmendenSonneneinstrah-
lungüberein,derenUrsacheastronomi-
scheParameterwieeinestärkereNeigung
derErdachsesind.
DaraufberuhtdieHypothese,dassdie
ErdeeigentlicheinerneuenEiszeitentge-
genging–bisimvergangenenJahrhun-
dertdieheutige,menschengemachteEr-
wärmungeinsetzte.Aberdiebekannten
MessdatenzeigenimWesentlichennur

dassommerlicheBild.Eiskeilehingegen
speichernInformationenüberdenWinter.
UmaufdieUmweltbedingungenschließen
zukönnen,untersuchtThomasOpelmit
seinenKollegen,wiesichdasVerhältnis
desschwerenSauerstoffisotopsO-18zum
etwasleichterenO-16überdieJahrtausen-
deindenEiskeilenveränderthat.
DabeigiltimAllgemeinen:Jeweniger
O-18imEis,destokälterwares.Zumers-
tenMalkonnteneindeutigdatierteWinter-
temperaturenausdemsibirischenPerma-
frostermitteltwerden.„Indenzurück-
liegenden7000JahrensinddieWinterim
Lenadeltakontinuierlichwärmergewor-
den–eineEntwicklung,diewirbisheraus
kaumeinemanderenarktischenKlima-
archivkennen“,sagtOpelsKollegeHanno
Meyer.DieGegenläufigkeitdesTrends–
kälterimSommer,aberwärmerimWinter
–warbisherschwernachzuweisen.
UmwievielGradCelsiusgenaudie
Temperaturenvariieren,könnendie
Wissenschaftlernochnichtsagen,weiles
nochkeinezuverlässigeEichungder
IsotopenverhältnisseinEiskeilenamTem-
peraturverlaufgibt.„Wirbrauchenein
besseresProzessverständnis.Unterwel-
chenEinflüssengelangtdasWintersignal
indieEiskeileundwirddortfixiert?“fragt
Meyer.„Deshalbhabenwirunsinden
letztenJahrenverstärktdiejüngsten
VariationendesSchneesundderSchnee-
schmelzeangesehen.“AufdieseWeise
hoffendieForscher,dieDatenausder
Vergangenheitbesserinterpretierenzu
können–undsoTemperaturdatenzu
erhalten,diedanninaktuelleKlimamodel-
leeinfließenkönnen.DieGegenwartist
alsoderSchlüsselzurVergangenheit,die
wiederumeinePrognosefürdieZukunft
erlaubt.

DieSommerwurdenüber
Jahrtausendeimmerkühler.
AberwasistmitdenWintern?

KorallenbleichensetzenRiffen
heutefünfMalhäufigerzu
alsnochvoreinigenJahrzehnten

Kampfums


Korallenriff


AustralischeBehördewendetsich
gegendieeigeneRegierung

Zeitreise im Permafrost


Arktis-ForscherlesenausdemEisimsibirischenBatagaika-Krater200000JahreKlimageschichteab.


DaseinzigartigeArchivsollzeigen,wieesumdieZukunftdesPlanetenbestelltist


AlsThomasOpelimFrühjahr
wiedernachSibirienkam,
sahersofortdieVeränderungen

(^14) WISSEN Montag,22.Juli2019,Nr.167 DEFGH
DerBatagaika-KraterinJakutienaufeinerLuftaufnahmeausdemJahr2014.SeithersinddieRänderdeutlichweiterabgebröckelt. FOTO: NEFU / PICTURE ALLIANCE / AP PHOTO
Sobuntsiehtesnichtmehrüberallam
GreatBarrierReefaus. FOTO: M. CURNOCK / AFP
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