Studie
Bargeld
schützt die
Privatsphäre
Frank Wiebe Frankfurt
D
eutsche legen besonderen
Wert auf ihre Privatsphäre.
Dabei mag auch die histori-
sche Erfahrung mit Diktaturen, in de-
nen Daten zur Waffe werden können,
eine Rolle spielen. Die Researchabtei-
lung der Deutschen Bank bringt in ei-
ner neuen Studie nun starke Argu-
mente für Bargeld und fordert dabei
„den Schutz der eigenen Position im
Umgang mit Organisationen, die
mächtiger sind als ein Individuum“.
Sie zeigt Skepsis gegenüber Angebo-
ten und Informationen, die gezielt
„auf die jeweiligen (vermuteten) Be-
dürfnisse abgestimmt sind“.
Das gilt nicht nur für den Einkauf
im Netz, sondern auch auf politischer
Ebene. „Politische Parteien können
Botschaften an ihre Wähler senden,
denen diese wahrscheinlich zustim-
men. Wer auch immer auf persönli-
che Datenprofile zugreifen und sie
analysieren kann, vermag weitrei-
chende Erkenntnisse über eine Per-
son zu gewinnen.“ Dabei folgt sogar
der Hinweise auf möglichen Miss-
brauch durch Geheimdienste.
Mit Bargeld treten diese Probleme
weniger auf. Für Anbieter ist es hin-
reichend schwieriger, einen mögli-
chen Informationsvorteil zu ihrem
Vorteil zu nutzen. Klar ist aber auch,
dass Bargeld für manche Zwecke, et-
wa Käufe im Internet, schlicht nicht
verwendet werden kann.
Die Studie spricht damit ein The-
ma an, das Ökonomen schon lange
umtreibt. In einer perfekten kapitalis-
tischen Modellwelt gäbe es umfassen-
de Transparenz. Tatsächlich aber
wissen Verkäufer fast immer mehr
über ihr Produkt als die Käufer. Und
in der modernen Datenwelt wissen
sie auch noch mehr über den Käufer,
als dem bewusst ist.
Ein Problem dabei ist, dass Anbie-
ter mehr und mehr Kunden verschie-
dene Preise zeigen. Während das In-
ternet zunächst in vielen Bereichen
die Transparenz stärkte, droht es
jetzt zum Mittel der Vernebelung zu
werden. Weiß der Anbieter, dass der
Kunde viel Geld und starke Vorlieben
hat, kann er bestimmte Waren zum
Beispiel teurer machen.
Prämiensparverträge
Eine Kündigungswelle droht
Die Sparkasse Nürnberg will 21 000 Verträge loswerden. Der Grund sind die Niedrigzinsen.
Elisabeth Atzler Frankfurt
D
ie Sparkasse Nürnberg
möchte in großem Maßstab
unrentable Verträge loswer-
den. Sie hat 21 000 Prämiensparver-
träge per Ende September gekün-
digt, wie eine Sprecherin der Spar-
kasse auf Handelsblatt-Anfrage mit-
teilte. Dabei geht es um Verträge des
Typs „Prämiensparen flexibel“.
Die Sparkasse begründet ihr Vorge-
hen mit der „aktuellen Niedrigzins-
phase“, so die Sprecherin. Darin se-
he man einen sachgerechten Grund
für die Kündigung. Zudem verwies
sie auf ein Urteil des Bundesgerichts-
hofs (BGH) vom Mai, nach dem die
Kündigung langjähriger Sparverträge
unter bestimmten Umständen zuläs-
sig ist (XI ZR 345/18).
Zwar ist bereits von rund einem
Dutzend Sparkassen vor allem aus
Ostdeutschland bekannt, dass sie
Prämiensparverträge gekündigt ha-
ben. Doch bis auf die Sparkasse Leip-
zig waren es kleinere Häuser. Die
Zahl von 21 000 ist daher eine neue
Dimension. Die Nürnberger Sparkas-
se zählt mit einer Bilanzsumme von
gut elf Milliarden Euro zu den 20
größten Sparkassen in Deutschland.
Vor allem aber ist ihr Schritt ein
Signal dafür, dass Kunden bundes-
weit eine Kündigungswelle bei den
lange massenhaft vertriebenen Prä-
miensparverträgen droht. Sie sind
angesichts der niedrigen Zinsen aus
Kundensicht derzeit besonders at-
traktiv: Bei diesen Sparverträgen er-
halten Kunden neben dem Grund-
zins auf die insgesamt angesparte
Summe eine Prämie auf die jeweils in
einem Jahr eingezahlte Summe – und
diese Prämie steigt im Zeitverlauf. Ei-
ne feste Laufzeit gibt es nicht.
Bei den Verträgen der Nürnberger
Sparkasse – wie bei vielen anderen
Sparkassen – erhalten Kunden ab
dem 15. Sparjahr die höchste Prämi-
enstufe und damit 50 Prozent der in
dem Jahr eingezahlten Sparbeträge
als Bonus. Das Geldhaus hat nun Ver-
träge gekündigt, bei denen Kunden
mindestens einmal die höchste Prä-
mie erhalten haben.
Der BGH entschied im Mai, dass
bei den strittigen Sparverträgen – in
dem Fall von der Kreissparkasse
Stendal – ein ordentliches Kündi-
gungsrecht bis zum Erreichen der
höchsten Prämienstufe ausgeschlos-
sen ist. Danach können Geldhäuser
die Verträge per Kündigung loswer-
den. Die Kreissparkasse Stendal hatte
diese Frist bereits berücksichtigt.
Die Sparkasse Nürnberg hatte Prä-
miensparverträge in dieser Form von
1993 bis Mitte 2007 verkauft. Betrof-
fen von der Kündigung sind 16 000
Kunden und somit vier Prozent aller
Kunden. Die Sparkasse hat nach eige-
nen Angaben rund 390 000 private
Kunden. Allerdings will sie weitere
4 000 Verträge kündigen.
Die deutschen Sparkassen haben,
ähnlich wie die Volks- und Raiffeisen-
banken, in den vergangenen Jahren
den Niedrigzinsen in der Euro-Zone
getrotzt und hohe Gewinne eingefah-
ren. Der Druck dürfte aber zuneh-
men, besonders wenn die Europäi-
sche Zentralbank wie erwartet den
Einlagenzins für Banken auf minus
0,5 Prozent absenkt. Diesen Zins
müssen Geschäftsbanken zahlen,
wenn sie kurzfristig Geld bei Noten-
banken parken.
Verbraucherschützer sehen das
Vorgehen der Sparkasse Nürnberg
skeptisch. „Ob eine Kündigung tat-
sächlich wirksam ist, lässt sich nicht
pauschal beantworten“, sagte Sibyl-
le Miller-Trach, Finanzjuristin bei
der Verbraucherzentrale Bayern.
„Der BGH hat nur über einen Einzel-
fall entschieden, der sich von den
vorliegenden Kündigungsfällen
durchaus unterscheiden kann.“ In
der Tat ähneln sich zwar die Prämi-
ensparverträge vieler Sparkassen
stark, im Detail gibt es aber Unter-
schiede.
Sparkassen-Filiale:
Verbraucherschützer
sehen das Vorgehen
in Nürnberg
dpa skeptisch.
50
PROZENT
der in dem Jahr eingezahlten Spar-
beträge erhalten Kunden ab dem
- Sparjahr als Prämie.
Quelle: Sparkasse Nürnberg
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Private Geldanlage
MONTAG, 22. JULI 2019, NR. 138
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