Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung - 21.07.2019

(Tina Meador) #1

  1. JULI 2019 NR. 29 SEITE 25 FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG


Geld&mehr


München


ca. +,
, km

Augsburg


Kaufbeuren


Landsberg


Starnberg


Garmisch-Partenkirchen


Rosenheim
Bad Tölz

Ingolstadt


Landshut
Pfaffenhofen

Erding


Freising


Dachau


Geltendorf


Berlin


ca.


(^) ,-
Brandenburg km
Potsdam
Falkensee
Oranienburg
Neuruppin Eberswalde
Strausberg
Bernau
Fürstenwalde
Luckenwalde
Teltow
M–NETFLIX WÄCHST WENIGER
Mehrals zehn Prozent rauschte die
Aktie von Netflix am Donnerstag
in den Keller. Damit ist ein Groß-
teil der bisherigen Kursgewinne in
diesem Jahr verlorengegangen. Aus-
löser war die Nachricht des Video-
streamingdienstes, dass er im zwei-
ten Quartal nur 2,7 Millionen neue
Abonnenten gewonnen hat – und
damit nur etwa halb so viele wie an-
gekündigt. Ein Grund seien Preis-
erhöhungen und das gute erste
Quartal gewesen. Die Aussichten
sind nicht so gut: Im Herbst wol-
len Disney und Apple ihre eigenen
Videodienste starten. Gerade Dis-
ney mit seinen bekannten Filmen
ist ein mächtiger Konkurrent.
M+BAYERS STRAFE GESENKT
DerKurs der Bayer-Aktie hat zuge-
legt, nachdem ein Gericht die Stra-
fe in einem Glyphosat-Prozess von
80 Millionen Dollar auf 25 Millio-
nen Dollar reduzierte. Das Mittel
wird von der Bayer-Tochtergesell-
schaft Monsanto hergestellt. Gleich-
wohl will Bayer Berufung einlegen.
Es sind weiter
rund 13 400 Kla-
gen in Amerika
anhängig. Im Au-
gust beginnt der
nächste Prozess.
M+ N26 IST BEGEHRT
DieInternetbank hat gerade von In-
vestoren weitere 170 Millionen Dol-
lar eingesammelt. Dadurch ist N26
mittlerweile mit 3,5 Milliarden Dol-
lar das teuerste deutsche Start-up
und gehört zu den zehn wertvolls-
ten Fintechs auf der Welt. Zu den
Investoren gehören unter anderem
die Allianz, ein Staats-
fonds aus Singapur
und der chinesische
Internetgigant Ten-
cent.
M–WENIGER SMARTPHONES
DasGeschäft mit Smartphones
war für deren Hersteller jahrelang
eine einzigartige Wachstumsge-
schichte. 2019 könnte das anders
werden: Das Beratungsunterneh-
men Gartner prognostiziert, dass
in diesem Jahr 1,75 Milliarden Mo-
biltelefone verkauft werden. Das
klingt viel, ist aber ein Minus von
vier Prozent im Vergleich zu 2018.
TOPS UND FLOPS
M–GERRY WEBER IM MINUS
Eswar eine harte Woche für Ger-
hard Weber, den Gründer der Mo-
demarke Gerry Weber: Die Grün-
derfamilien haben ihren Einfluss
auf das insolvente Unternehmen
vollständig verloren. Investoren, zu
denen auch ein Hedgefonds ge-
hört, stellen insgesamt fast 50 Mil-
lionen Euro zur Sanierung des Mo-
dekonzerns bereit.
Da die Altaktionä-
re entschädigungs-
los herausgedrängt
werden, brach der
Kurs heftig ein.
M+BMW MIT NEUEM CHEF
Esist entschieden: Der neue
BMW-Chef wird wie erwartet der
bisherige Produktionsvorstand
Oliver Zipse(Foto).Das hat der
Aufsichtsrat entschieden. Zipse
folgt Mitte August auf Harald
Krüger, der zurückgetre-
ten ist. Zipse ist 55 Jahre
alt und Maschinenbau-
ingenieur. Er kam 1991
zu BMW. Er soll nun
den Autobauer
zurück an die
Spitze führen.
400
250
300
350
Quelle: ThomsonReuters / F.A.Z.-Grafik heu.
Dollar
Netflix
1.1.20191.2.1.3. 1.4. 1.5. 3.6. 1.7.19.7.
Nasdaq
KGV 12/ 2019: 95,6
315,10
Stuttgart
ca. +
, k
m
Pforzheim
Esslingen
Ludwigsburg
Waiblingen
Böblingen
Tübingen
Reutlingen
Calw Göppingen
Heilbronn
Karlsruhe Schwäbisch Hall
F
rüher hatte man noch eine echte
Wahl. Wenn irgendwann die Fa-
miliengründung anstand, frag-
ten sich die werdenden Eltern
immer die eine Frage: Wollen wir weiter
in der Großstadt bleiben, die wir als Ju-
gendliche und Studenten so genossen ha-
ben, in der wir uns die Nächte in coolen
Clubs um die Ohren gehauen haben?
Oder wollen wir mit dem Nachwuchs
raus ins Umland, in ein Haus mit Gar-
ten, aber doch in der Nähe der Groß-
stadt? Heute stellt sich die Frage zwar
manchmal auch noch so, aber oft auch
ganz anders: Sind wir gezwungen, ins
Umland zu ziehen, wenn wir eine größe-
re Wohnung haben wollen, weil wir sie
uns in der Großstadt gar nicht mehr leis-
ten können?
Immer mehr Menschen empfinden
dies so. Seit einigen Jahren ziehen mehr
Einwohner von der Stadt ins Umland als
in umgekehrter Richtung. Die Großstäd-
te wachsen nur deswegen, weil Zuzügler
von weiter weg in die Ballungsräume
drängen. Viele ziehen nicht in die Voror-
te, weil sie die so schön finden, sondern
aus finanziellen Gründen. Aber lohnt
sich das wirklich? Und welche Schwierig-
keiten gehen damit einher, wie zum Bei-
spiel lange Pendelzeiten?
Die F.A.S. ist dieser Frage mit Hilfe
exklusiver Daten von Empirica-Systeme
nachgegangen. Das Unternehmen sam-
melt Kaufpreise und Mieten für Immobi-
lien in ganz Deutschland. Analysiert wur-
den die sechs größten Ballungsräume in
Deutschland. Die Ergebnisse zeigen die
Karten auf dieser Seite grob und im In-
ternet sehr detailliert (www.faz.net/voror-
te). Im Netz sind Kaufpreise und Mietni-
veaus sogar bis auf Stadtteilebene herun-
tergebrochen. Damit kann sich jeder indi-
viduell ausrechnen, wie viel Geld das
Wohnen im Umland spart.
Exemplarisch lässt sich das an Frank-
furt zeigen, der größten Pendlerstadt in
Deutschland. Fast zwei Drittel der Arbeit-
nehmer stammen nach einer Studie der
Bundesagentur für Arbeit von außerhalb,
das sind knapp 380 000 Menschen jeden
Tag. Dass so viele pendeln, liegt vor al-
lem an den hohen Mieten und Immobi-
lienpreisen in der Bankenstadt, den zweit-
höchsten in Deutschland nach München.
500 000 Euro kostet in Frankfurt durch-
schnittlich eine 100-QuadratmeterWoh-
nung. In Langen, zehn Bahnminuten süd-
lich der Großstadt, sind es nur noch
310 000 Euro, in Bad Vilbel 400 000
Euro, in Hanau, 22 Minuten entfernt, nur
250 000 Euro und damit gerade einmal
halb so viel wie in Frankfurt. Bei den Mie-
ten für solch eine Wohnung ist das ähn-
lich. In Frankfurt kostet sie kalt 1360
Euro, in Langen nur 1000 Euro, in Ha-
nau lediglich 930 Euro. Und das sind alles
kleine Städte. Wer bereit ist, in kleinere
Gemeinden in der Nähe zu ziehen, spart
noch deutlicher. Das gilt nicht nur für
Frankfurt. In allen sechs untersuchten Bal-
lungsräumen ist das Preisgefälle zwischen
Stadt und Umland ähnlich groß.
Eine Ausnahme ist hier München.
Das Preisniveau ist dort so hoch, dass vie-
le schon ins Umland gezogen sind und
auch dort das Niveau sehr teuer ist. Hin-
zu kommt, dass auch das Umland selbst
eine hohe Wohnqualität bietet, die dann
aber auch bezahlt werden muss. Das gilt
vor allem für den Süden mit den Seen
und dem Voralpenland. So kosten Woh-
nungen in Starnberg und dem Landkreis
München schon mehr als in der Groß-
stadt Frankfurt. In Dachau, Ebersberg,
Erding oder Freising lebt es sich teurer
als in Hamburg, Stuttgart oder Köln.
Und dennoch bieten die Städte im
Münchner Umland einen deutlichen
Preisvorteil zu München. Bevor es aller-
dings wirklich günstig wird, müssen
Pendler viel weiter ins Umland ziehen
als in anderen Ballungsräumen.
Den Preisvorteil der Vororte gibt es
freilich nicht ohne jeden Nachteil. Es ent-
stehen zum einen echte Kosten, vor al-
lem für den Transport, entweder mit
dem Auto oder mit öffentlichen Ver-
kehrsmitteln. Mehrere Hundert Euro
sind dafür im Jahr fällig. Manchmal fal-
len auch erhöhte Kinderbetreuungskos-
ten an, weil die Eltern wegen der länge-
ren Heimfahrt den Nachwuchs erst spä-
ter abholen können. Manche Ökonomen
errechnen zum anderen auch einen Preis
für den Zeitverlust durch die Pendelei.
In einer Studie der Postbank wurde für
eine Stunde Fahrzeit der entgangene
Bruttostundenlohn in der jeweiligen
Großstadt angesetzt.
Aus beiden Kostenblöcken ließ die
Bank errechnen, wie viele Jahre es sich
rein finanziell lohnt, im Umland zu le-
ben. Das Ergebnis ist beeindruckend: Im
Fall von Langen dauert es rechnerisch 60
Jahre, bis die Kosten für die Bahnfahrten
nach Frankfurt und für den Zeitverlust
den Preisvorteil beim Kauf einer 70-Qua-
dratmeter-Wohnung übertreffen. Hier
würde es sich in einem Menschenleben
nie lohnen, nach Frankfurt zu ziehen. In
allen anderen Großstädten gibt es auch
Vororte, die sich finanziell mindestens 30
bis 40 Jahre lang lohnen.
Sie liegen meist vergleichsweise nahe
an der Großstadt und haben eine schnel-
le Verkehrsanbindung. Weiter entfernt
liegende Umlandstädte sind wegen der
höheren Pendelkosten finanziell weniger
attraktiv, auch wenn die Immobilienprei-
se dort noch niedriger liegen. Das kann
auch bei Orten in der Nähe der Groß-
stadt passieren, wenn die Verkehrsanbin-
dung schlecht und damit zeitraubend ist
und die Immobilienpreise noch relativ
hoch sind. Sie rechnen sich manchmal
schon nach zehn Jahren nicht mehr.
Dann wäre es gerade für junge Leute bes-
ser, in der Stadt zu wohnen. Müssen bei-
de Partner pendeln, fällt die Rechnung
auch ungünstiger aus, als wenn das nur ei-
ner tut. In der Metropole kann man zu-
dem eventuell auf ein Auto verzichten
und damit einiges Geld sparen.
Allerdings kann man auch anders rech-
nen, und dann werden fast alle Vororte at-
traktiv. Man könnte die Kosten des Zeit-
verlusts niedriger ansetzen, wenn der Ar-
beitnehmer ein oder zwei Tage in der Wo-
che auch zu Hause arbeiten darf. Oder gar
keine Kosten ansetzen, wenn der Pendler
die Zeit im Zug zum Arbeiten nutzt und
dadurch früher das Büro verlassen kann.
Aber Geld ist ja nur die eine Seite.
Hinzu kommen immaterielle Kosten. Es
ist wissenschaftlich erwiesen, dass Pen-
deln Stress verursacht. Zum Beispiel,
wenn man durch Stau oder einen verspä-
teten Zug nicht rechtzeitig zum Termin
im Büro kommt. Zudem werden manche
die Annehmlichkeiten der Großstadt ver-
missen. Dort gibt es Clubs, Oper und
Theater, einen Zoo und viel mehr Re-
staurants und Kneipen.
Allerdings sollte man sich ehrlich fra-
gen, wie oft man diese Möglichkeiten
wirklich nutzt und ob es sich dafür nicht
auch lohnt, vom Vorort in die Stadt zu
fahren oder nach der Arbeit noch etwas
in der Stadt zu bleiben, bevor man ins
Umland zurückkehrt. Zudem sollte man
auch an anderer Stelle die Metropolen
nicht zu sehr verherrlichen. Auch dort
hat man einen Weg zur Arbeit. Wer mit
dem Bus zur U-Bahn fährt und dann
quer durch die Stadt, braucht am Ende
ähnlich lange wie jemand, der mit einem
Regionalzug von außen ins Zentrum ge-
langt. Liegt der Arbeitsplatz am Stadt-
rand, kann der Weg aus dem Umland
dorthin sogar schneller sein als aus einem
entfernteren Viertel der Großstadt.
Wer sich fürs Pendeln entscheidet,
sollte sich aber einen Gefallen tun. Er
sollte einen Ort mit Bahnanschluss wäh-
len. Denn Pendeln mit dem Auto ist in al-
len Großstädten meist mit Staus verbun-
den. Die Studie der Postbank zeigt, dass
morgens im Berufsverkehr die Anreise
mit dem öffentlichen Nahverkehr in der
Regel schneller ist als mit dem Auto und
oft sogar billiger. Zudem kann die Zeit
im Zug besser genutzt werden als im
Auto. Und was in der Debatte um stän-
dig verspätete Züge untergeht: Die
S-Bahnen sind deutlich pünktlicher als
die viel gescholtenen ICE.
Fahrzeit in die Großstadt in Min.^1 ) Kaltmiete
€/m²
Kaufpreis
Wohnung €/m^2
So viele Jahre ist
Stadt Bahn Auto Umland billiger^2 )
Hamburg 11,29 4338
Ahrensburg 16 28 10,06 2978 35
Pinneberg 18 35 9,28 2152 38
Buxtehude 30 50 8,75 2426 24
Berlin 10,32 4216
Teltow 17 28 9,73 2427 41
Falkensee 20 40 9,52 2400 36
Bernau 22 45 8,33 2041 37
Köln 11,27 3603
Düsseldorf 10,55 3786
Neuss^3 ) 9 18 8,42 2350 53
Mettmann^3 ) 9 35 8,10 1722 45
Frankfurt 13,60 5000
BadVilbel 16 20 10,76 4019 44
Langen 10 22 10,00 3129 62
Hanau 22 35 9,35 2500 34
Stuttgart 13,24 4302
Esslingen 12 20 10,77 3300 25
Waiblingen 11 24 10,19 3357 31
Göppingen 23 45 8,82 2438 21
München 17,53 7299
Dachau 13 30 13,41 5485 52
Freising 25 45 12,28 4921 32
Geltendorf 37 45 9,62 4140 27
Daten vom 30.6.19 für gebrauchte Wohnungen, Durchschnittswerte 1) Fahrt an einem Freitag zwischen 7 und 8 Uhr, schnellste Verbindung und schnellste Route
ins Zentrum; 2) bei Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Kauf einer Wohnung mit 70 Quadratmetern und Bewertung der Zeitverluste durch das Pendeln mit
dem üblichen Bruttolohn in der Großstadt 3) bei Fahrt nach Düsseldorf Quelle: empirica-systeme Marktdatenbank, Postbank
Es darf
auch mal der
Vorort sein
VORORT ODER STADT? EIN VERGLEICH
Wohnen in der Großstadt wird immer
teurer. Lohnt es sich da, ins Umland zu
ziehen? Wir haben das ausgerechnet.
Von Dyrk Scherff
Hamburg
ca. +,
km
Stade
Pinneberg
Buxtehude
Buchholz
Rotenburg
Elmshorn
Itzehoe
Lübeck
Neumünster
Ratzeburg
Ahrensburg
Lüneburg
Kaufpreise und Mieten für
sechsBallungsräume
http://www.faz.net/vororte
Frankfurt
ca.
,- km
Gießen
Limburg
Offenbach
Mainz
Wiesbaden
Hanau
Bad Vilbel
Darmstadt
Langen
Worms Bensheim
Datenquelle und Vorlage: Postbank / F.A.Z.-Grafik swa.
Preise von Eigentumswohnungen
Durchschnitt je Quadratmeter
CFFF bis DBFF Euro
HEFF bis CFFF Euro
HFFF bis HEFF Euro
GBFF bis HFFF Euro
BFF bis GHFF Euro
GHFF bis GBFF Euro
Köln
ca


. 2


(^1) k
m
Düsseldorf
Bonn
Euskirchen
Düren
Mönchen-
gladbach
Leverkusen
Neuss
Gummersbach
Wuppertal
Mettmann
Duisburg Essen Hagen
Remscheid
S
P
O
R
T
A
B
S
E
IT
E
30

Free download pdf