Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung - 21.07.2019

(Tina Meador) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG, 21. JULI 2019, NR. 29 geld&mehr 27


DER STEUERTIPP


Zum 1. Juli wurden die gesetzli-
chen Renten erhöht. Viele Rentner
werden deswegen 2019 erstmals
steuerpflichtig und vom Finanz-
amt zur Abgabe einer Steuererklä-
rung aufgefordert.
Seit einer Gesetzesänderung im
Jahr 2005 müssen immer mehr Rent-
ner Steuern zahlen, weil durch ei-
nen Systemwechsel ein stetig größer
werdender Teil der Rente zu versteu-
ern ist. Wie viel zu versteuern ist,
hängt vom Jahr des Renteneintritts
ab. Wer beispielsweise im Jahr 2005
oder früher in Rente gegangen ist,
muss nur 50 Prozent versteuern.
Für spätere Renteneintritte steigt
der steuerpflichtige Anteil um zwei
Prozent im Jahr (von 2021 an um ein
Prozent. Eine Einkommensteuerer-
klärung wird vom Finanzamt im-
mer dann verlangt, wenn die gesam-
ten steuerpflichtigen Einkünfte den
Grundfreibetrag übersteigen. Das
sind für 2019 9168 Euro, bei Ehepaa-
ren 18 336 Euro. Unterhalb dieser
Beträge fällt keine Steuer an.
Die steuerpflichtigen Einkünfte
können aber gemindert werden: So
können die Beiträge zur Kranken-
und Pflegeversicherung und ande-
ren Versicherungen wie Haftpflicht
und Unfall als Sonderausgaben so-
wie Behandlungs- oder Kurkosten
als außergewöhnliche Belastungen
abgezogen werden. Liegt das zu ver-
steuernde Einkommen nach Abzug
aller Aufwendungen noch immer
über dem persönlichen Freibetrag,
wird der übersteigende Teil mit
dem persönlichen Steuersatz besteu-
ert. Die Steuer selbst kann weiter ge-
mindert werden, wenn Ausgaben
für haushaltsnahe Beschäftigungs-
verhältnisse, andere haushaltsnahe
Dienstleistungen wie Pflege- oder
Betreuungsleistungen oder die Inan-
spruchnahme von Handwerkerleis-
tungen getätigt wurden. Diese fin-
den Mieter auch regelmäßig in ih-
ren Nebenkostenabrechnungen.
Allgemein gilt: Die Aufforde-
rung zur Abgabe einer Steuererklä-
rung sollte keinesfalls ignoriert wer-
den, sonst droht eine Schätzung
durch das Finanzamt. Hat das Fi-
nanzamt eine zu kurze Frist für die
Abgabe der Steuererklärung ge-
setzt, kann eine Fristverlängerung
beantragt werden. Die reguläre Ab-
gabefrist für die jährliche Steuerer-
klärung ist grundsätzlich der 31. Juli
des Folgejahres.
Der Autor ist Steuerberater bei KPMG in Köln.

Steuern sparen


für Rentner


VON JENS DOHMEN


RATENKREDIT 5000 €


E


s gehörte in der Finanzbranche
lange Zeit zum guten Ton, im-
mer dann, wenn es sich anbot,
von Nachhaltigkeit zu reden.
Das klang verantwortungsvoll, aber da
keiner sich so wirklich etwas darunter
vorstellen konnte und auch niemand so
genau nachfragte, machten in Wahrheit
fast alle so weiter wie bisher. Ökologisch
und ethisch korrekte Geldanlagen blie-
ben eine Nische.
Doch seitdem alle Welt sich Gedanken
ums Klima macht, Schüler demonstrieren
und Umweltthemen sogar Wahlen ent-
scheiden können, scheint sich auch in der
Welt der Geldanlage etwas zu verändern.
Darauf deuten Umfragen hin, wie sie bei-
spielsweise die Fondsgesellschaft Union
Investment regelmäßig macht. Die neues-
te Untersuchung, die der F.A.S. vorliegt,
zeigt: Noch nie fanden so viele Menschen
nachhaltige Geldanlage interessant. 54
Prozent der befragten 20- bis 59-jährigen
Deutschen halten diese Art des Anlegens
für attraktiv. Vor neun Jahren, als die
Fondsgesellschaft die Umfrage zum ers-
ten Mal machte, waren es gerade einmal
32 Prozent. Eine deutliche Steigerung.
Nun könnte man dies für wohlfeiles
Gerede der Menschen halten, ohne prak-
tische Konsequenzen. Aber Henrik Pont-
zen, bei Union Investment für Nachhal-
tigkeitsfragen zuständig, sagt: „Das geäu-
ßerte und das gezeigte Verhalten von Pri-
vatanlegern passt immer besser zusam-
men.“ Fest macht er dies an Daten aus
dem eigenen Haus: Eine Milliarde Euro
sind demnach im Verlauf des ersten Halb-
jahres im Saldo in Nachhaltigkeitsfonds
von Union Investment geflossen, ein star-
ker Zuwachs.
Auch Daten des Analysehauses Mor-
ningstar bestätigen den Trend. In Fonds,
die nach Ansicht von Morningstar ökolo-
gische und soziale Fragen sowie Fragen
der guten Unternehmensführung bei der
Auswahl der Wertpapiere berücksichti-
gen, haben Anleger in Europa in diesem
Jahr im Saldo 24 Milliarden Euro inves-
tiert. Im Vergleich zu 2018 haben solche
Fonds, die auf das Kürzel „ESG-Fonds“
hören, ihren Anteil am Neugeschäft ver-
vierfacht. Die Abkürzung steht für „Envi-
ronmental, Social, Governance“.
Das stärkste Wachstum erzielen aber
nicht klassische Fonds, die ein Manager
betreut, sondern börsengehandelte Index-
fonds. Diese Fonds sind in den vergange-
nen Jahren unter dem Kürzel ETF in
der Finanzwelt populär geworden. ETF
verzichten auf den Einsatz von Fondsma-
nagern, stattdessen zeichnen sie die
Wertentwicklung eines Aktienindex wie
des Dax exakt nach – und das zu gerin-
gen Gebühren für die Anleger. Steigt der
Dax also beispielsweise um zwei Prozent,
gewinnt auch der ETF zwei Prozent hin-
zu. Nur handelt es sich im Fall von nach-
haltigen ETF dann nicht um den Dax,
sondern um eigens dafür entwickelte
Nachhaltigkeitsbarometer. Anstelle des
Weltaktienindex MSCI World liegt ih-
nen zum Beispiel der „MSCI World
ESG“-Index zugrunde.
Die verstärkten Aktivitäten von Fonds-
gesellschaften und ETF-Anbietern zei-
gen, dass alle das große Geschäft wittern.
Fast kein Tag vergeht, ohne dass irgend-
wo auf der Welt ein nachhaltiger Fonds
auf den Markt kommt. Aber noch immer
ist nicht geklärt, wie Nachhaltigkeit im
Zusammenhang mit Geldanlage eigent-
lich definiert ist. Es ist also leicht für die
Fondsgesellschaften, sich einen besonde-
ren Anstrich zu geben, auch wenn wo-
möglich wenig dahinter ist.
Kann man nachhaltiges Geldanlegen
also getrost vergessen? Nein. Insbesonde-
re das Investment in ETF kann für all
jene eine gute Idee sein, die Nachhaltig-
keit mit einem Aspekt verbinden wollen,
der bei der Geldanlage generell von Vor-
teil ist: Da man keinen Fondsmanager be-
zahlen muss, kosten nachhaltige ETF
viel geringere Gebühren als traditionelle
Fonds. Mehr als 0,5 Prozent an Gebühr
muss man in der Regel nicht für sie zah-
len. Allerdings sollten Käufer solcher
ETF zwei Eigenschaften mitbringen.
Die erste ist offensichtlich: genau hin-
schauen, was man da kauft. Die zweite
ist dagegen weniger selbstverständlich:
Es ist besser, kein Verfechter der reinen
Lehre zu sein.
Was damit gemeint ist, lässt sich gut
am Beispiel eines Indexfonds des Anbie-
ters Vanguard erklären, der vor einigen
Wochen in Großbritannien für Furore
sorgte. Der ETF bildet einen Index
nach, der als nachhaltig angepriesen wur-

de, der aber die Investition in Ölfirmen
nicht ausschließt. Dies klingt zunächst
wie ein schlechter Witz.
Denkt man genauer darüber nach, ist
das Ganze weniger absurd, als man mei-
nen könnte. Beschränkt sich die Aus-
wahl der Mitglieder eines Index nämlich
nur auf wenige, über alle ökologischen
Zweifel erhabene Unternehmen, stehen
Anleger vor einem Problem. „Ihr Portfo-
lio ist dann sehr konzentriert“, sagt Kai
Hattwich von der Quirinbank. Geht es
auch nur einem Unternehmen schlecht
und sinkt dessen Aktienkurs, kann dies
heftige Auswirkungen auf das gesamte
Portfolio haben. So begrüßenswert es
also aus Sicht eines überzeugten Um-
weltaktivisten wäre, sich auf wenige,
wirklich nachhaltige Unternehmen zu
beschränken, so schlecht ist dies unter
Anlagegesichtspunkten.
Der Kompromiss, zu dem sich Anle-
ger durchringen sollten, hört auf den Na-
men „Best-in-Class“ und wird von vielen
Indexanbietern wie beispielsweise MSCI
angewandt. Sie schließen wenige Bran-

chen wie Waffenhersteller komplett aus,
lassen aber beispielsweise Ölunterneh-
men nicht völlig außen vor. Sie investie-
ren nämlich in diejenigen Ölfirmen, die
innerhalb ihrer Branche nach Meinung
der Indexanbieter zu den Fortgeschrit-
tensten in Sachen Nachhaltigkeit zählen.
Dazu gehört, dass diese Unternehmen
auf Fördermethoden setzen, die die Um-
welt weniger belasten als andere.
Für Puristen mag das der falsche Weg
sein. Jedoch muss man sich klarmachen,
was andernfalls an den Märkten passie-
ren würde. In der Europäischen Union
diskutieren Fachleute unter dem Stich-
wort „Taxonomie“ seit einiger Zeit über
eine genauere Definition des Begriffs
„Nachhaltigkeit“. Noch ist man zu kei-
nem abschließenden Ergebnis gekom-
men. Aber nur einmal angenommen,
nachhaltige Fonds würden nach Ab-
schluss der Beratungen gezwungen, ihr
Geld nur in Branchen anzulegen, die die
EU als nachhaltig definiert. Je weniger
Branchen dies wären, umso mehr Geld
würde in die Aktien relativ weniger Un-

ternehmen fließen. Dies mag das Öko-
Herz höherschlagen lassen, geht aber an
den Finanzmärkten mit einer unangeneh-
men Nebenwirkung einher: Die Wahr-
scheinlichkeit einer sogenannten Kursbla-
se, in der der Aktienkurs nichts mehr mit
dem wirklichen Wert eines Unterneh-
mens zu tun hat, steigt.
ETF-Käufer sollten also nicht dem Irr-
glauben anhängen, sie förderten mit ihrer
Geldanlage ganz besonders grüne Unter-
nehmen. Das ist nicht der Fall. In nahezu
jedem Nachhaltigkeitsindex, der Aktien-
gesellschaften aus der ganzen Welt um-
fasst, hat der Softwarekonzern Microsoft
das höchste Gewicht. Das hat mit der Be-
deutung der Firma zu tun, die zurzeit mit
Blick auf den Börsenwert die wertvollste
der Welt ist, und mit der Tatsache, dass
das IT-Geschäft mit relativ geringem
Kohlendioxid-Ausstoß einhergeht. Aber
nicht einmal Microsoft würde von sich be-
haupten, der grünste Konzern der Welt
zu sein. Da Atomkraftunternehmen
kaum Kohlendioxid ausstoßen, können
übrigens auch sie in einem Nachhaltig-
keitsindex auftauchen, auch wenn sich
darüber trefflich streiten lässt.
Die Firma MSCI hat zahlreiche Nach-
haltigkeitsvarianten ihres bekannten
MSCI World-Index aufgelegt. Zu den
wichtigsten zählen der MSCI World SRI
und der MSCI ESG Screened. Beiden lie-
gen Aktiengesellschaften aus 23 Industrie-
staaten zugrunde. In der genauen Aus-
wahl unterscheiden sie sich aber sehr von-
einander. Der MSCI ESG Screened
schließt Waffen- und Tabakproduzenten
aus sowie Unternehmen, die Ölsand ab-
bauen und die gegen wesentliche Prinzi-
pien des Global Compact der Vereinten
Nationen verstoßen – einer Vereinba-
rung, die die Globalisierung sozialer und

ökologischer machen soll. Das alles klingt
zwar sehr beeindruckend, führt aber letzt-
lich nur dazu, dass dieser Index immer
noch 1552 Aktiengesellschaften umfasst.
Dies ist nur geringfügig weniger als der
ganz normale MSCI World-Index mit
1655 Unternehmen.Der MSCI World
SRI wählt dagegen mit Hilfe des „Best-
in-Class“-Ansatzes nur diejenigen Unter-
nehmen aus, die nach Meinung der Ex-
perten von MSCI in Sachen Nachhaltig-
keit zu den Besten in ihrer jeweiligen
Branche gehören. Dementsprechend um-
fasst der Index nur 390 Firmen.
Die Angst, die Ausschlüsse könnten in
erheblichem Maße Rendite kosten, brau-
chen Anleger zumindest bei ETF nicht
zu haben. Zwar sind viele der Indexfonds
noch nicht so lange am Markt, aber zu-
letzt schnitten sie häufig besser ab als nor-
male ETF(siehe Tabelle). Was so verwun-
derlich nicht ist: In Zeiten, in denen neu
über Klimaabgaben diskutiert wird, ver-
schlechtern sich die Gewinnaussichten
für Unternehmen, die in hohem Maße
Kohlendioxid ausstoßen. Das spiegelt
sich dann auch im Aktienkurs wider.
Wer sich für nachhaltige ETF ent-
scheidet, muss wissen: Aktive Manager
von Nachhaltigkeitsfonds nehmen häu-
fig mehr Einfluss auf die Unternehmen
in ihrem Portfolio und versuchen, diese
im direkten Austausch zu noch stärke-
rem nachhaltigen Handeln anzutreiben.
Diese Wirkung erzielen Anleger mit ei-
nem ETF in dieser Form nicht. Anderer-
seits sollte man den Einfluss nachhalti-
ger ETF nicht unterschätzen: Das Land
Berlin beispielsweise legt einen Teil der
Gelder seiner Pensionskasse für die Lan-
desbeamten bereits in einem Nachhaltig-
keitsindex an. Andere Bundesländer wol-
len nachziehen.

Kaufpreis 250 000 € 15 Jahre 20 Jahre
Interhyp 0,94 1,20
Accedo 0,94 1,20
Allianz 1,12 1,34
PSD Bank Nürnberg 1,21 1,56
Degussa Bank 1,32 1,57
Postbank 1,45 1,68

Geldanlage soll


einfach sein – und seit


Neuestem auch das


Klima retten. Kann


das funktionieren?


Von Dennis Kremer


BAUDARLEHEN 200 000 €


So gut sind grüne ETF


Illustration Jan Bazing


DIE BESTEN ZINSEN


3 Jahre 5 Jahre
Deutsche Skatbank 2,89 2,89
EthikBank 2,95 2,95
DKB Deutsche Kreditbank 3,49 3,49
SWK Bank 3,49 3,49
netbank 3,59 3,59
Mittelwert von 45 Banken 3,69 3,94

Stand HK.N.OKLJ Quelle: Morningstar / F.A.Z.-Grafik Niebel

Eine Auswahl nachhaltiger ETF

Fonds ISIN RMNL N Jahr

Gebühr
in %

Wertentwicklung in Prozent

Amundi MSCI World SRI ETF

Franklin LibertyQ Global Equity SRI ETF

iShares MSCI World SRI ETF

Xtrackers ESG MSCI World ETF

iShares MSCI World ESG Screened ETF

LULMNLLHIHMO

IEKKBFOBKNMH

IEKKBDZZTMPI

IEKKBZKOLRII

IEKKBFNMHKMK

98,7

93,5

96,5

96,3

94,3

/

O,Q

NN,Q

NM,S

/

M,NO

M,KM

M,JM

M,RM

M,RM

Zum Vergleich: Amundi MSCI World ETF LULNMLKIHPJJ 94,: O,L M,JO

1,21%


0,01%


0,41%


Die höchsten Zinsen


Festgeld für 9 Jahre
Die höchsten Zinsen

I,JK% Mittelwert von KN Banken


Tagesgeld


ING


Crédit Agricole


Neu-
kunden

Bestands-
kunden
1,00 %1)

0,70%3) 0,35%


0,30 % 0,30%


0,34 % 0,34%


0,41%


Mittelwert von HN Banken I,MN%


1,05%


FCA Bank


akf bank


Bank11


0,85 %


0,90%


0,95%


Klarna


Akbank


Renault Bank direkt


Ikano Bank


PrivatBank 1891


Quelle: FMH-Finanzberatung (www.fmh.de) / F.A.Z.-Grafik nbl.


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