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In der vergangenen Woche habe ich im ersten Teil der Serie die
Videobell von ring vorgestellt, eine Türklingel mit integrierter Ka-
mera. Sie überträgt die Bilder direkt aufs Smartphone, verrät mir
also, wer bei mir vor der Tür steht und klingelt, auch wenn ich gar
nicht zu Hause bin. Will ich gleich meine ganze Wohnung über-
wachen, kommt die Videokamera von Smartfrog zum Einsatz.
Eine gerade einmal elf Zentimeter große Kamera, die ich einfach
ins Regal oder auf den Tisch stellen kann und die dann im Raum
alles aufnimmt, Tag und Nacht, und das in HD. Ich kann also
im 360-Grad-Winkel mein Zuhause überwachen – und theoretisch
auch meine ganze Familie.
Ich muss dafür nicht mal ständig auf mein Handy starren, weil die
Smartfrog-Videoüberwachung mir eine Nachricht sendet, sobald
sich in meinem Zuhause etwas bewegt. Ich habe also mitbekom-
men, wann meine Frau nach Hause gekommen ist, und zugesehen,
wenn die Putzfrau sauber macht. Ich könnte sogar mit meinen Kin-
dern chatten, wenn mir danach ist, weil die Kamera ein integriertes
Mikrofon hat. Meine Frau sagt jetzt immer »Hallo, Schatz« in die
Kamera, wenn sie nach Hause kommt. Es fühlt sich komisch an.
Mithilfe der Zeitrafferfunktion kann ich sogar die Aufnahmen der
letzten 24 Stunden in einen Videoclip verwandeln. Mache ich aber
nicht. Genauso wenig wie ich die Aufnahmen der letzten 30 Tage in
der Cloud speichere. Wofür soll das hilfreich sein? Vielleicht wenn
bei mir zu Hause ein Mord passierte. Mit der Smartfrog habe ich al-
les zu jeder Zeit im Blick. Aber diese Kontrolle will ich gar nicht. Das
Problem ist: Wenn ich alles im Blick habe, kann ich leider auch von
gar nichts mehr überrascht werden. Und das wäre sehr schade.
Mirko Borsche testet Geräte,
die Wohnungen überwachen sollen – Teil 2
Foto
smartfrog
Technische Daten
HD-Auflösung
1280 × 72 0 Pixel (72 0p),
IP-Kamera, 2,1-mm-Linse
mit Weitwinkelobjektiv,
Größe 7,6 cm × 11 cm,
Infrarot-LED-Nachtsicht
bis zu 10 m (0,1 Lux),
Abo (Kamera, App, Speicher):
5,95 Euro/Monat
Stil Unter Strom
Von Tillmann Prüfer
Foto Peter Langer
Mirko Borsche, Creative Director des ZEITmagazins,
schreibt jede Woche die Kolumne »Unter Strom«
Kennt hier vielleicht jemand Gideon Sundbäck, den Erfinder eines
Kleinods, ohne das wir kaum einen Tag auskommen? Gemeint
ist: der Reißverschluss. Der Schwede Sundbäck verfeinerte eine
Erfindung von Whitcomb Judson und meldete sie 1909 zum Pa-
tent an – der Anfang des maschinell herstellbaren Reißverschlus-
ses. Den großen Durchbruch hatte der Reißverschluss 1923, als
die US-Luftwaffe Pilotenanzüge damit versah. Auch in der Mode
tauchte er bald auf: Elsa Schiaparelli setzte ihn 1930 erstmals in
der Haute Cou ture ein. Sie entwarf elegante Abendkleider, die von
einem quer darüber verlaufenden Reißverschluss zusammengehal-
ten wurden. Tra di tion und Zukunft trafen jetzt auf ein an der, denn
der Reißverschluss war damals die modernste Art, ein Kleidungs-
stück zu schließen.
Der Reißverschluss machte Schluss mit langen Ritualen beim An-
kleiden. Er war Bote einer neuen Zeit, in der die Maschinen den
Rhythmus vorgaben. Seine massenhafte Verbreitung fand er in den
Sechzigerjahren, da er nun aus Kunststoff hergestellt werden konn-
te und so an Gewicht verlor. Und seit Vivienne Westwood ihn in
den Siebzigerjahren in ihren Kollektionen verwendete, sieht man
ihn immer wieder auf dem Laufsteg. Meist kommt ihm allerdings
die undankbare Aufgabe zu, Kleider zusammenzuhalten, ohne
selbst zu sehr aufzufallen. Deswegen ist er auch meist am Rücken
versteckt oder hinter Lätzen und Paspeln.
In dieser Saison ist das anders: Der Reißverschluss ist in vielen
Farben, Formen und Varianten zu erkennen. Bei Comme des
Garçons Homme Plus beispielsweise wird der Reißverschluss ein-
gesetzt, um Hosenbeine neu zu strukturieren: Drei offene Ver-
schlüsse geben dem Kleidungsstück eine ganz neue Form. Mehrere
Marken zeigen Oberteile, die nicht mehr klassisch in der Mitte
vertikal geöffnet und geschlossen werden, sondern bei denen Reiß-
verschlüsse schräg über den Oberkörper verlaufen. Fendi hat den
Reißverschluss eines Männer-Pullovers so positioniert, dass er von
der Achsel bis zum Ellenbogen verläuft.
All dies verleiht der Mode etwas Praktisches, auch wenn keiner
dieser Reißverschlüsse wirklich praktisch ist. Selbst wenn er seit
über hundert Jahren in Verwendung ist, steht er immer noch für
schroffen Pragmatismus. Der Reißverschluss in der Gestalt, wie
wir ihn heute benutzen, wurde übrigens 1923 von Martin Oth-
mar Winterhalter in Wuppertal entworfen. Er nannte das Produkt
»Ri-Ri«. Es ist ein Rätsel, warum dieser schöne Name sich nicht
gehalten hat. Als Ri-Ri hätte der Reißverschluss vielleicht deutlich
mehr Glamour gehabt.
Ritsch, ratsch