Der Standard - 02.03.2020

(coco) #1

6 |MONTAG, 2. MÄRZ2020DChronik ER STANDARD


CORONAVIRUS


Erster Covid-19-Toter in denUSA Lombardische Spitäler arbeiten am Limit


Was machen Promis außer pro-
minent zu sein? Manche lesen.
Und zwar so richtig–also Bü-
cher. US-SängerinPinkbeispiels-
weise hat Der Zug der Waisen
vonChristinaBaker Klinegelesen.
Das Einwandererschicksal eines
irischen Mädchens, das in Ame-
rika seine Eltern verliert, hat die
Popdiva gerührt: „It wasawon-
derful read“, schreibt sie auf In-
stagram. Mit „Wow“ bewertet sie
außerdem Alles Licht, das wir
nicht sehen vonAnthony Doerr,
der für diese Geschichte zweier
Kinder im Zweiten Weltkrieg
2015 den Pulitzer-Preis erhielt.

Belesen zeigt sich auch der
deutsche SchauspielerHans Sigl,
der in unseren Breiten vor allem
als Der Bergdoktor im Fernsehen
ordiniert. Er ist ein Fan klassi-
scher Literatur. In Drehpausen
tourt er gern mit Lesungen der
Werke vonFriedrich Hebbel, Lud-
wig Uhland, ArthurSchnitzlerund
Thomas Manndurc hDeutschland.
„Die Klassiker dürfen nicht ver-
stauben und in den alten Gemäu-
ern liegenbleiben. Es sind hoch-
brisante Geschichten, es lohnt
sich, sich damit zu beschäfti-
gen“, sagte Sigl im Interview mit
dem Wiesbadener Kurier.

In Promikrei-
sen als Lieb-
lingsbuch oft
genannt, etwa
vonMiley
Cyrus(Foto),
wird Der Fän-
ger im Roggen
vonJ. D. Salinger.Auch Der klei-
ne Prinz vonAntoine de Saint-Exu-
pérysteht nicht nur beiEmma
Watsonhoch im Kurs. UndLady
GagaliebtRainer Maria Rilkeso
sehr, dass sie ein Zitat aus des-
sen Briefe an einen jungen Dich-
ter als Tattoo auf ihrem linken
Oberarm trägt. (simo) Foto:AP

LEUTE


ZuwarmfürEiswein
in Deutschland
Berlin/Wien–Aufgrund des mil-
den Winters wird in Deutschland
der Weinjahrgang 2019 als erster
Jahrgang ohne Eisweinlese in die
Geschichte eingehen. Laut Deu-
tschem Weininstitut (DWI) wurde
in keinem deutschen Weinbauge-
biet die für eine Eisweinlese erfor-
derliche Mindesttemperatur von
minus sieben Grad Celsius er-
reicht. In Österreich hingegen ha-
ben am 7. Jänner frostige Tempe-
raturen im Burgenland eine Eis-
weinernte ermöglicht. (red)

KURZ GEMELDET


Immer mehr Opfer
nachAttackeauf Umzug
Kassel–Eine Wochenachdemim
nordhessischen Volkmarsenbei
KasseleinAutoineinenFaschings-
umzug gerast war, hat sich die Zahl
derOpfer amSonntagauf 89er-
höht. Vielebemerktenerst je tzt die
psychischenFolgen derTat oder
hätten sichüber Schmerzen zu-
nächstkeine größerenGedanken
gemacht. Der Fahrer des Pkw,ein
29-jähriger Deutsche r, soll absicht-
lich in die Menschenmenge gefah-
ren sein.Ers itzt wegenversuchten
Mordes in U-Haft.(red)

Südafrikaholt


Bürgernachzwei


Monaten heim


Pretoria schickt gechartertes
Flugzeug nachWuhan

Johannes Dieterich
aus Johannesburg

N

ach wochenlangem Zögern
hat sich Südafrikas Regie-
rung doch bereiterklärt, in
einer vom Militär durchgeführten
Aktion mehr als 130 Staatsbürger
ausdem Zentrum der Corona-Epi-
demie im chinesischen Wuhan zu
evakuieren. Pretorias Meinungs-
umschwung kam auf Druck der
Angehörigen zustande, nachdem
die Festsitzenden sich in sozialen
Netzwerken bitter über ihr isolier-
tes Leben und ihre finanziellen
Probleme in der mit Ausgangs-
sperre belegten Stadt beklagt hat-
ten. Mindestens 134 Betroffene
sollen in den kommenden Tagen
mit einem gecharterten Flugzeug
von Wuhan abgeholt werden und
an einem geheimen Ort in der Frei-
staat-Provinz 21 Tage lang isoliert
werden. Auch die Piloten sowie
die Busfahrer müssen in Quaran-
täne. Die gesamte Aktion soll fünf
Millionen Euro kosten. Chinas Re-
gierung versucht andere Staaten
von Evakuierungen abzubringen,
weil der Eindruck entstehe, dass
das Land mit der Covid-19-Epide-
mie nicht adäquat umgehen kann.

Sorge in Nigeria
Südafrika wurde bislang von
der Infektionswelle verschont. Al-
lerdings haben sich auf dem vor
Japan festgesetzten Kreuzfahrt-
schiff Diamond Princess auch
zwei Südafrikaner angesteckt, die
jetzt in Japan unter Quarantäne
stehen. Am Freitag wurde außer-
dem der erste Fall einer Corona-
Infektion in einem südlich der Sa-
hara gelegenen Staat gemeldet –
einer Weltregion, die wegen ihres
mangelhaften Gesundheitswe-
sens als besonders anfällig gilt.
Bei dem Infizierten handelt es
sich um einen gut 30-jährigen Ita-
liener, der nach Lagos, Nigeria, ge-
flogen war, um dort seine Arbeit
bei einem Zementwerk wieder
aufzunehmen. Erst zwei Tage
nach seiner Ankunft in der Hafen-
stadt–der mit 20 Millionen Ein-
wohnern zweitgrößten Metropole
des Kontinents–hatte er Sympto-
me entwickelt und war nach dem
positiven Befund in eine Isolier-
station gebracht worden. Die Ge-
sundheitsbehörden versuchen
einer Panik mit dem Hinweis zu
begegnen, dass sie bereits vor
sechs Jahren eine Ausbreitung der
Ebola-Epidemie verhindert hat-
ten.DamalswareininfizierterUS-
Liberianer bei seiner Ankunft in
Lagos diagnostiziert und isoliert
worden. 19 Personen hatten sich
angesteckt–sechs starben.

Todesfall zwingt


Trump,Covid-


doch ernstzunehmen


Präsident hatte Berichte über
Virus als „Hoax“ bezeichnet

Manuel Escher

D

onald Trump fürchtet das
Coronavirus Sars-CoV-
nun doch: zwar womöglich
nichtdieKrankheitCovid-19,aber
doch die von ihr ausgelösten Fol-
gen. Vor allem jene für die Wirt-
schaft, deren Wohlergehen dem
Präsidenten im Wahljahr ein be-
sonderes Anliegen sein muss.
Lange zögerte der Präsident, die
Berichte über die Ausbreitung in
den USA auch öffentlich ernst-
zunehmen–kürzlich hatte er gar
vom Cornoavirus als „Wahl-
kampf-Schwindel“, als „Hoax“ der
Demokraten gesprochen.
Nun ist aber auch Trump zu
mehr Ernsthaftigkeit gezwungen:
Samstag wurde der erste Covid-
19-Todesfall in den USA bekannt.
Eine „Frau in ihren 50ern“ sei ge-
storben, sagte der Präsident bei
einer Pressekonferenz, er kondo-
liere der Familie. Später stellte
sich heraus, dass es sich um einen
Mann gleichen Alters gehandelt
hatte. Und auch der mantraartig
vorgetragenen Hoffnung des Prä-
sidenten,dasViruswerdemitstei-
genden Temperaturen ohnehin
verschwinden, hält seine Gesund-
heitsbehörde stets entgegen, dass
dies keineswegs sicher sei.
Mindestens 71 bestätigte Infek-
tionsfälle gab es bis Sonntag in
den USA. Es wird mit einer hohen
Dunkelziffer gerechnet, weil es in
vielen Staaten an Testequipment
mangelt. Auch wurde geschlampt.
Ein Whistleblower berichtete ver-
gangene Woche, bei der Behand-
lung der aus dem Kreuzfahrtschiff
Diamond Princess gebrachten US-
Amerikaner sei ungenügendes
Schutzmaterial zur Verwendung
gekommen. In der Nähe der kali-
fornischen Militärbasis, wo diese
behandelt werden, traten dann
tatsächlich Infektionsfälle auf, bei
denen unklar ist, wo die Kranken
sich angesteckt haben könnten.
Im Hintergrund stehen auch
Budgetkürzungen Trumps bei re-
gionalen Anti-Seuchen-Stellen.
Geplante Kürzungen für die Ge-
sundheitsbehörde CDC verhinder-
te 2018 der Kongress–jene für ein
Anti-Ebola-Programm nicht. Die
Regierung bedient sich nun auch
bei diesen, ohnehin schon gekürz-
ten Geldern. Und dann ist da noch
das marode Gesundheitssystem,
wie eine Episode aus Floridaillus-
triert. Dort ließ sich ein mit Grip-
pesymptomen aus China zurück-
gekehrter Medizintechniker tes-
ten. Er bekam eine gute und eine
schlechte Nachricht. Der Test fiel
negativaus –das Spital aber stell-
te ihm 3000 DollarinRechnung.

Zuspitzung in Südkorea,


positive ZeicheninChina


Derzeitiger Coronavirus-Hotspotweltweit istSüdkorea. AmWochenende
wurden dort1400 neue Infektionengemeldet. In der italienischen
Lombardeisteht das Gesundheitswesen am Rande der Überlastung.

einer Woche. 565 Fälle stammten
aus der Stadt Wuhan. 233 dieser
Infektionen wiederum wurden in
den dortigen Gefängnissen regis-
triert, wo die Insassen eng zusam-
menleben müssen.
35 Menschen starben in China
am Samstag an der Infektion: der
zweitniedrigste Wert im gesamten
Februar. Außerhalb der Provinz
Wuhei, deren Hauptstadt Wuhan
ist, waren drei Coronavirustote zu
beklagen.
Die WHO stellte am Wochenen-
de den aktuellen Bericht einer von
WHO- und chinesischen Experten
gemeinsam durchgeführten neun-
tägigen Corona-Erkundungsmis-
sion durch drei Provinzen online,
darunter Hubei, sowie in die
Hauptstadt Peking.
Die drastischen Maßnahmen
der chinesischen Behörden, um
die Epidemie einzudämmen –
etwa strenge Quarantäne für die
gesamte Provinz Hubei mit 55
Millionen Einwohnern–werden
darin gelobt. Es habe sich um die
„historisch ehrgeizigsten, agilsten
und aggressivsten“ Bemühungen
dieser Art gehandelt –und sie
seien erfolgreich gewesen: „Die
Abnahme bei Covid-19-Fällen in
ganz China ist eine Realität“, heißt
es in dem am 24. Februar abge-
schlossenen Bericht. (bri)

C

hina, Südkorea und Italien
das waren mit Stand Sonn-
tag jene Länder, in denen
die Covid-19-Erkrankung am häu-
figsten auftrat. Weltweit kam es zu
einer Zunahme von Krankheits-
fällen, aus China, wo die Corona-
virusepidemie im Dezember 2019
ihren Ausgang genommen hatte,
kamen hingegen weiter Zeichen
einer Abnahme.
In Südkorea wurden seit Tagen
starke Zuwächse verzeichnet. Al-
lein am Wochenende kamen 1400
Infektionen hinzu. Insgesamt er-
krankten in dem ostasiatischen
Land bisher 3700 Menschen. 20
Personen starben.
In Italien wurden bis Sonntag
1100 Coronavirus-Infektionen re-
gistriert. Rund 30 Menschen star-
ben. In der Lombardei gerät das
Gesundheitssystem wegen der
steigenden Zahl von Coronavirus-
InfektionsfällenunterDruck.„Wir
sind mit einer zunehmenden Wel-
le von Patienten in ernst zu neh-
mendem Zustand konfrontiert“,
sagte Massimo Galli, Leiter der
auf Infektionskrankheiten spezia-
lisierten Abteilung des Mailänder
Krankenhauses Sacco.
DieSituationseisehrbelastend:
„Es ist, als wäre das regionale Ge-
sundheitssystem mit einem Tsu-
nami konfrontiert“, sagte Galli der

Mailänder Tageszeitung Corriere
della Sera.
Auch in den anderen Nachbar-
ländern Österreichs stieg die Zahl
der Erkrankungen deutlich an, in
der Schweiz mit 21, in Deutsch-
landmit117undinFrankreichmit
100 belegten Erkrankungsfällen.
In dem seit Dienstag auf Tene-
riffa unter Quarantäne gestellten
Hotel ist bei einem weiteren Gast
eine Infektion mit dem Coronavi-
rus bestätigt worden. Damit sei die
Zahl der Infizierten auf der spani-
schen Urlaubsinsel auf fünf ge-
stiegen, teilten die Gesundheits-
behörden mit.

Wichtiges Kontaktaufspüren
Aus dem westafrikanischen Ni-
geria wiederum, wo es bis dato
einen Erkrankungsfall gibt, mel-
deten die Gesundheitsbehörden
der Hauptstadt Lagos, sie hätten
rund 100 Menschen identifiziert,
die mit dem aus Mailand eingeflo-
genen Italiener in Kontakt gewe-
sen sein. Das Aufspüren von Kon-
taktpersonen ist laut Weltgesund-
heitsorganisation WHO neben
Hygiene- und Quarantänemaß-
nahmen die wichtigste Waffe im
Kampf gegen die Epidemie.
Aus China wurden am Sonntag
573 Neuinfektionen gemeldet: der
höchste Zuwachs seit Samstag vor

In Südkorea kämpfen auch Soldaten gegen das Coronavirus. Hier versprühen sie Desinfektionsmittel
aufden Gehsteig vor der Kirche jener Sekte, in der die Infektionen ihren Ausgang nahmen.

Foto: AP

/Lee Mo-ryul
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