Die Welt - 22.02.2020

(Barré) #1
GETTY IMAGES; MONTAGE: PHILIPPE KRUEGER/ WELT

W


er sich nach einem
neuen Auto umsieht,
bekommt derzeit
leicht den Eindruck,
dass es eigentlich
nur drei Optionen gibt: Benziner, Diesel
oder Elektro. Seit Monaten bewerben die
Autobauer vor allem neue Batteriemo-
delle, diskutiert wird allenfalls noch, ob
in einigen Jahren vielleicht doch noch
der Wasserstoffantrieb eine spielen
könnte. Dabei geräte eine Alternative
völlig in Vergessenheit, die längst auf
dem Markt ist: Erdgasautos.
Die Zahl der neu zugelassenen Erdgas-
autos in Deutschland ist im vergangenen
Jahr drastisch eingebrochen, laut der of-
fiziellen Statistik des Kraftfahrt-Bundes-
amtes (KBA) wurden 2019 nur noch 7623
neue Erdgas-Pkw zugelassen, das waren
29,4 Prozent weniger als im Jahr zuvor.
Damit machten die Gasautos gerade
einmal 0,2 Prozent aller Neuwagen aus –
das wirkt selbst im Vergleich mit den im-
mer noch sehr überschaubaren Ver-
kaufszahlen der reinen Elektrofahrzeuge
gering, die immerhin auf einen Marktan-
teil von 1,8 Prozent kamen.

VON PHILIPP VETTER

Dabei sind sich die Experten weitge-
hend einig, dass Erdgasautos vor allem
für Vielfahrer eine echte Alternative wä-
ren. Denn die Modelle sind zwar in der
Anschaffung deutlich teurer als ver-
gleichbare Benziner oder Diesel, doch
die Betriebskosten sind dank des niedri-
geren Gaspreises geringer.
Und trotzdem kommen die Erdgasau-
tos seit Jahren nicht aus ihrem Nischen-
Dasein heraus und scheinen langsam
aber sicher ganz zu verschwinden. Auch
die Autohäuser bestätigen, dass Kunden
oft schon gar nicht mehr die Wahl haben,
ob sie sich ein Erdgasauto kaufen.
„Bei den mit Gas betriebenen Neufahr-
zeugen ist das Angebot generell gering“,
sagt Dirk Weddigen von Knapp vom Zen-
tralverband Deutsches Kraftfahrzeugge-
werbe (ZDK). Über 60 Prozent der Händ-
ler hätten in einer Befragung angegeben,
dass ihre Hersteller gar keine Gas-Fahr-
zeuge im Programm hätten.
„Der Markt für Erdgasautos ist sehr
klein und von hohen Schwankungen ge-
prägt“, gibt selbst Timm Kehler zu. Keh-
ler ist Geschäftsführer des Vereins „Zu-
kunft Erdgas“, der sich für den Kraftstoff
stark macht. Tatsächlich sind die Aus-
schläge beim Auf und Ab des Marktan-
teils in den vergangenen Jahren immer
groß gewesen, doch das lag vor allem
auch an den absolut gesehen konstant
relativ geringen Zahlen.
„Die Nachfrage nach Erdgasautos
wird im Wesentlichen vom Volkswagen-
Konzern bedient“, sagt Kehler. „Damit
ist das Segment stark von der Modellpo-
litik eines einzelnen Herstellers abhän-
gig.“ Und die ist für die Verfechter der
Erdgasautos alles andere als günstig.
„VW konzentriert sich derzeit sehr stark
auf die Entwicklung von Batteriefahr-
zeugen“, sagt Kehler.
Und das wird wohl auch in den
nächsten Jahren so bleiben, die Hoff-
nungen auf ein Comeback des Gas-Au-
tos sind gering. Dass die Hersteller lie-
ber auf Batterien als auf Gastanks set-
zen, liegt vor allem an den strengen
CO 2 -Zielen, die sie in den kommenden
Jahren erfüllen müssen.
Zwar kommen Studien wie die vom
ADAC zum Ergebnis, dass die Erdgasau-
tos derzeit eigentlich die beste Klimabi-
lanz aller Antriebsarten haben, doch auf
dem Papier stehen die Gas-Pkw deutlich
schlechter da als die Batterie-Konkur-
renz. Denn für die Statistik wird igno-
riert, wie viel CO 2 bei der Herstellung
des Stroms für Elektroautos entsteht, sie
gelten als Null-Emissions-Fahrzeuge.
Ein VW-Golf mit Gasantrieb weist
hingegen offiziell einen CO 2 -Ausstoß

von 95 Gramm pro Kilometer aus. Das ist
zwar deutlich besser als der Wert eines
Benziners oder Diesels, aber eben auch
deutlich mehr als ein formal mit null
Gramm angesetztes Elektroauto.
In der realistischen Betrachtung, bei
der nicht nur die Entstehung der Energie
betrachtet wird, mit der die Akkus gela-
den werden, sondern auch der CO 2 -Aus-
stoß, der bei der Herstellung und dem
Recycling der Fahrzeuge und Batterien
entsteht, kommt man hingegen auf ganz
andere Werte.
Im ADAC-Vergleich schneidet der
Erdgas-Golf alles in allem mit knapp 159
Gramm CO 2 pro Kilometer deutlich
besser ab als ein e-Golf, der mit dem
heutigen deutschen Strommix betrie-
ben und hergestellt wird. Dann kommt
das Elektroauto nämlich nicht auf null
Gramm, sondern auf fast 173 Gramm
CO 2. Benziner und Diesel sind mit mehr
als 193 Gramm beziehungsweise gut 173
Gramm pro Kilometer noch schlechter
in der Klimabilanz.
Und selbst ein Brennstoffzellenfahr-
zeug käme auf einen schlechteren Wert

als das Erdgasauto – zumindest so lange
der Wasserstoff wie heute üblich nicht
mit Hilfe von erneuerbarer Energie, son-
dern aus Erdgas gewonnen wird. Dann
wäre es sinnvoller, das Erdgas gleich zu
verbrennen und damit das Auto anzu-
treiben, ergibt der ADAC-Test.
„Die europäische Politik fokussiert
sich momentan auf Batteriefahrzeuge“,
kritisiert Erdgas-Lobbyist Kehler.
„Man müsste dringend die gesamte
CO 2 -Bilanz der Antriebsarten betrach-
ten – also auch, wie viel CO 2 beispiels-
weise bei der Produktion des Stroms
fffür Elektroautos entsteht.“ür Elektroautos entsteht.“
Doch damit ist nicht zu rechnen.
Stattdessen wird die Klimapolitik das
Erdgasauto im Vergleich zur Elektro-
konkurrenz sogar noch unattraktiver
machen. Denn durch den CO 2 -Preis
wird auch das Erdgas an den Tankstel-
len teurer werden. „Bei einem CO 2 -
Preis von 25 Euro pro Tonne, würde ein
Kilogramm Erdgas etwa 6,5 Cent teu-
rer“, rechnet Kehler vor.
„Wir rechnen daher durch die CO 2 -Be-
preisung mit einem Aufschlag von 40

Cent pro 100 Kilometer.“ Das entspreche
zwar nur etwa der Hälfte des Aufschlags
bei einem Auto mit Benzinmotor, doch
so verschlechtern sich die Gesamtkosten
im Vergleich zum Batterieauto.
Ohnehin hat es das Erdgasauto im
Kostenvergleich nicht leicht. Ein Golf
TGI mit Erdgas-Tank kostet derzeit
mehr als 30.600 Euro, für ein ähnliches
Modell mit Benzinmotor muss man hin-
gegen nur mindestens 21.450 Euro ausge-
ben. Und mit Dieselmotor gibt es den
Golf bereits ab knapp 24.200 Euro.
Diesen Nachteil muss man durch den
niedrigeren Gaspreis und eine niedrigere
Kfz-Steuer erst einmal hereinfahren. Im
Gegensatz zu den Batterieautos, deren
Anschaffung der Staat inzwischen mit
bis zu 6000 Euro fördert, gibt es für die
Erdgasautos auch keine staatlichen Sub-
ventionen. Lediglich einige regionale
Gas-Lieferanten unterstützen den Kauf
mit einer Prämie von bis zu 1000 Euro.
Außerdem gibt es längst nicht an je-
der Tankstelle auch eine Zapfsäule für
Erdgas. Bundesweit gibt es laut ADAC
nur rund 900 geeignete Tankstellen.
Ähnlich wie bei den Ladesäulen für
Elektroautos muss man deshalb bei län-
geren Fahrten vorausplanen, wo man
Erdgas nachfüllen kann.
„Wir sehen ein deutliches Wachstum
bei der Zahl der Erdgas-Tankstellen – al-
lerdings vor allem im europäischen Aus-
land“, sagt Kehler. Tatsächlich ist der
Erdgas-Antrieb etwa in Italien und eini-
gen anderen Ländern deutlich beliebter.
Aber Kehler will den Kampf für die
Erdgasautos auch in Deutschland noch
nicht verloren geben. „Im Kern bleiben
wir optimistisch, was die Zukunft des
Erdgasautos angeht, denn die Diskussion
um den Klimaschutz und vor allem die
Kosten des Klimaschutzes kommt in
Gang“, sagt er.
Andere sind da deutlich skeptischer:
„Das sind Auslaufmodelle“, sagt Autoex-
perte Ferdinand Dudenhöffer vom Cen-
ter Automotive Research (CAR) der Uni-
versität Duisburg-Essen. Er prognosti-
ziert: „Das Gas-Auto stirbt.“

Das ENDE


des Erdgasautos


CNG-Fahrzeuge haben laut Studien eine bessere Klimabilanz als ihre


Elektro-Pendants. Trotzdem ist der Verkauf in Deutschland eingebrochen.


Wegen der Fokussierung auf E-Mobile erwarten Experten das endgültige Aus


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22.02.20 Samstag, 22. Februar 2020DWBE-HP


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WIRTSCHAFT


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Der Versicherungskonzern ist


eine Gewinnmaschine Seite 11


Allianz


Erdgas (CNG, also Compressed
Natural Gas) darf übrigens nicht
mit Autogas (LPG, also Liquefied
Petroleum Gasoder Flüssiggas)
verwechselt werden. Bei Neuwagen
spielen LPG-Fahrzeuge kaum eine
Rolle. Laut ADAC liefern lediglich
Dacia Renault und Fiat solche Wa-
gen ab Werk. Die rund 400.
LPG-Autosauf deutschen Straßen
sind überwiegend nachgerüstete
Benziner. Für 1800 bis 3500 Euro ist
eine Nachrüstung in der Fachwerk-
statt möglich.
CNG wird unter hohem Druck von
etwa 200 Bar gasförmig gespei-
chert. Die Tanks sind stabiler und
größer als bei LPG-Anlagen, wo das
Gas unter einem Druck von fünf bis
zehn Bar gespeichert wird. Tanken
mit LPG ist auch häufiger möglich,
weil es bundesweit mehr als 7000

Flüssiggas-Tankstellen gibt. LPG
genießt wie CNG als alternativer
Kraftstoff Steuervorteile.Als
Grund werden Vorteile bezüglich des
CO 2 -Ausstoßes angegeben. 2017
wurde die Steuerbegünstigung ver-
längert. Diese verringert sich aber
schrittweise und endet für LPG am
3 1.12.2022. Pro Liter werden dann
2 2,09 Cent Steuer fällig. Gegen-
wärtig sind es 14,68 Cent. Von ge-
genwärtig rund 65 Cent pro Liter
LPG dürfte der Preis dann bei rund
7 2 Cent liegen. Unter dem Strich
wäre der Preis für LPG also auch in
zwei Jahren noch günstiger als Ben-
zin – selbst unter Berücksichtigung
des höheren Verbrauchs von LPG,
weil das Gas einen niedrigeren Ener-
giegehalt hat. Laut ADACliegt der
Mehrverbrauch im LPG-Wagen bei
zehn bis 30 Prozent. stm

Nicht verwechseln – CNG und LPG

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