Süddeutsche Zeitung - 22.02.2020

(WallPaper) #1
Auf dieser Seite
zeigen wir jede
Woche neue,
unbekannte oder
verschollene
Werke von Künst-
lern, Autoren,
Architekten,
Komponisten,
Regisseuren und
Designern. Sie
sprechen für sich
selbst, wir erzählen
die Geschichte
ihrer Entstehung.

An der Gestaltung des Rosenmontagszuges in Köln arbeiteten 1914 Künstler,


Bildhauer, Architekten und Theatermaler mit. Doch in das


humorvolle Karnevalstreiben mischte sich bereits Kriegsgeschrei


22 FEUILLETON GROSSFORMAT Samstag/Sonntag, 22./23. Februar 2020, Nr. 44 DEFGH


FOTO: FESTKOMITEE KÖLNER KARNEVAL

Der Rosenmontagszug durch Köln war
gewaltig, am Hauptbahnhof zählte man
1914 mehr als 130000 Besucher, die mit
den Kölnern den 74 Abteilungen des Um-
zugs zujubelten. Das Motto war mit „Welt-
ausstellung“ groß gedacht. Der Titel bezog
sich auf die internationale Werkbund-
Schau, die kurz vor der Eröffnung stand,
nachdem schon die Sonderbund-Ausstel-
lung zwei Jahre zuvor ein gewaltiger Er-
folg gewesen war und die Avantgarde an
den Rhein geholt hatte. Künstler, Bildhau-
er, Architekten und Theatermaler waren
nun auch in die Gestaltung eines „humor-
vollen und gediegenen“ Rosenmontags-
zugs eingebunden, wie ihn sich ein Bürger-
ausschuss wünschte. Sogar „Prinz Carne-
val“ selbst hatte sich daran beteiligt,
schließlich war Fritz Herrmann ein gefrag-
ter Architekt und Hobbymaler. Auf der
Aufnahme des Zuges, die das Festkomitee
Kölner Karneval bis heute verwahrt, sieht
man ihn stolz auf seinem Prunkwagen.
Doch es sollte der letzte Umzug für viele
Jahre sein. Im Sommer begann der Erste
Weltkrieg. Und genau genommen war das
Kriegsgeschrei schon während der Session
zu hören gewesen. Im Vorjahr schon hatte
die „Kölner Bürgerwehr-Bürgergarde von
1883“ ihr „Feldgeschrei“ und „Lustige
Kriegsgesänge“ angestimmt, während die
„Kölner Funken Infanterie“ zur „Mobilma-
chung“ unter dem Motto „Auf zum Bal-
kan!!!“ eingeladen hatte. 1914 erschien
dann das Liederbuch des Humoristen
„Münchrath u. Partner“ mit dem für den
Prinzen Carneval komponierten Titel-
Stück „Dann geit et Bum Bum Bum“. Im
Zug rollten Themenwagen wie „Der Armee-
bedarf“ oder „Flottenvermehrung“ mit.
Das Kölnische Stadtmuseum hat dieses
Kapitel der Geschichte des Karnevals histo-
risch aufbereitet und auch recherchiert,
dass ausgerechnet der Karnevalsdichter
und Sänger Willi Ostermann zum Kriegsbe-
ginn den Band „Plattkölsche Kriegsgedich-
te“ veröffentlichte. Oberbürgermeister
Max Wallraf war so begeistert, dass er dem
Dichter ein Dankesschreiben schickte.
Kurze Zeit später war Köln schon die größ-
te Lazarettstadt hinter der Westfront. Im
Jahr darauf galt dann ein offizielles „Kar-
nevalsverbot“. Allein die Vereine der Nar-
ren in den einzelnen Stadtvierteln hielten
die Tradition des Karnevals wach. Bis es
im Jahr 1927 erstmals wieder eine „bunte
Kappenfahrt mit Bildern“ am Rosenmon-
tag gab.catrin lorch

FOTO: FESTKOMITEE KÖLNER KARNEVAL / RHEINISCHES BILDARCHIV KÖLN (RBAD037209) / KÖLNISCHES STADTMUSEUM
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