Eines vorweg: Dieser 2er ist weder Gran
noch ein klassisches Coupé, denn das Bei-
nahe-Stufenheck übernimmt den Rad-
stand vom zwei Handbreit kürzeren 1er,
und die Linienführung entspricht eher ei-
ner Sportlimousine. Der bei 8er, 6er und
4er gekonnt umgesetzte Coupé-Anspruch
scheitert beim 2er wie auch beim Merce-
des CLA an den kompakten Abmessungen.
Dass dieser Frontantriebs-BMW hinten ei-
ne halbe Zigarettenlänge mehr Knieraum
bietet und der Fond leichter zugänglich ist
als im zweitürigen 2er mit Heckantrieb, ist
für großgewachsene Passagiere nur ein
schwacher Trost.
Als 2+2-Sitzer hat das kleinste Gran
Coupé freilich durchaus seine Meriten, zu
denen der variable, 430 Liter große Ge-
päckraum gehört. Das Erscheinungsbild
ist geprägt von langen Überhängen, der
wuchtigen Schnauze mit störendem seitli-
chen Versatz zur unteren Fensterlinie und
dem bulligen Heck. Ein größerer Rad-
durchmesser würde die breite Spur ideal
ergänzen und dem Auto einen noch souve-
räneren Auftritt bescheren. Kein Aufreger
ist diesmal die vergleichsweise dezente
Niere an der Front.
Beim Cockpit orientiert sich das 2er
Gran Coupé an 3er und 5er – vieles dran,
vieles drin, abgesehen von der verspielten
Instrumentengrafik keine besonderen Vor-
kommnisse. Die ordentliche Serienausstat-
tung lässt sich gegen Mehrpreis digital auf-
rüsten. Man kann mehr und größere Dis-
plays dazukaufen, den Funktionsumfang
der Systeme erweitern, ein halbes Dutzend
Aufpasser und Assistenten an Bord holen,
Licht und Musik individualisieren oder
dem Auto per Sprachsteuerung eine Kon-
versation aufdrängen. Zum Repertoire der
Kunststimme gehören der prompte Conci-
erge-Service („Wo ist hier ein wirklich gu-
ter Italiener – nicht nur eine Pizzeria?“),
das Bemühen um persönliches Wohlbefin-
den („Mir ist kalt, und der Rücken tut
weh“) sowie ein unterhaltsamer Charakter
(„Erzähle mir mal eine Anekdote“).
Die Spracheingabe funktioniert inzwi-
schen so gut, dass man dem Zeigefinger
das gerade erst antrainierte Wischen, Scrol-
len und Zoomen am liebsten gleich wieder
abgewöhnen möchte. Obwohl dieser BMW
einem so manchen Wunsch von den Lip-
pen abliest, beherrscht er das autonome
Fahren vorerst nur im Rückwärtsgang: auf
Knopfdruck werden die zuletzt absolvier-
ten 50 Meter freihändig, im Schritttempo
und absolut spurtreu rückabgewickelt.
Zum Start bietet BMW drei Motoren an.
Der kleine Benziner ist ein angestrengter
1,5-Liter-Dreizylinder, für den man in
Verbindung mit der Grundausstattung
31950 Euro zahlen muss – viel Geld für
wenig Leistung. Mit 39 900 Euro noch-
mals teurer ist der 220 d, der selbst ex-
trabreit bereift nach WLTP-Norm nur
4,5 Liter auf 100 Kilometer konsumiert.
Mit den 400 Newtonmeter, die das 190 PS
starke 2,0-Liter-Aggregat bereitstellt, ist
die serienmäßige Achtgangautomatik bis
zur Höchstgeschwindigkeit von 235 km/h
gut beschäftigt. Für 51 950 Euro bekommt
man den M235i mit Allradantrieb, 306-PS-
Motor, Dynamikfahrwerk sowie nachge-
schärfter Lenkung und Bremse. Das per
Bodykit aufgepeppte, auf 18-Zoll-Alus ge-
stellte und mit sportlichen Innenraum-Re-
quisiten bestückte Topmodell erreicht
schon nach 4,9 Sekunden die 100-Stun-
denkilometer-Lichtschranke und wird bei
Tempo 250 elektronisch eingebremst.
Trotz der bestechenden Fahrleistungen
des M235i stellt man sich unwillkürlich
die Frage, ob die hartgesottenen BMW-
Fans trotzdem dem M140 i mit Sechszylin-
der, Schaltgetriebe und Hinterradantrieb
nachtrauern. 340 PS sind nun mal 34 PS
mehr als 306 PS, Schalten und Kuppeln ist
eine Genugtuung der besonderen Art und
angetriebene Hinterräder sind für die
Freunde von möglichst viel Fahrdynamik
die bessere Lösung. Wer diese klassischen
Markenwerte der Münchner auch in Zu-
kunft nicht missen mag, muss auf das im
Vergleich deutlich kompromisslosere
M240 i Coupé ausweichen. Doch auch der
neuzeitliche M 235i hat seine Vorzüge. Er
ist leichter zu fahren, kaum weniger
schnell, etwas komfortabler abgestimmt,
digital auf der Höhe der Zeit, messbar effi-
zienter und kostet etwas weniger.
Trotzdem muss das stärkste Gran Cou-
pé bei der ersten Ausfahrt hier und dort Fe-
dern lassen. Der Praxisverbrauch war hö-
her als erwartet, das Getriebe dürfte im
Sportprogramm mit etwas mehr Verve
schalten, von der Sportbremse hätte man
ein prompteres Ansprechverhalten erwar-
tet, die Sportlenkung verlangt ab 160 Stun-
denkilometer nach einer sehr ruhigen
Hand. Der 220 d nimmt sich beim Stan-
dardsprint zwar 2,6 Sekunden mehr Zeit,
aber er ist in Summe zweifellos die souverä-
nere Wahl – ein gediegener Gleiter ohne Al-
lüren. Als Diesel lenkt der 2er trotz M-Pa-
ket etwas bedächtiger, und das Fahrwerk
streut gelegentlich einen Weichzeichner
ein, doch diese selbstbewusste Lässigkeit
passt gut zum drehmomentstarken Motor,
der am liebsten niedertourig im großen
Gang durchs Land dieselt.
Was das 2er Gran Coupé leider nicht
kann, ist elektrisch fahren, teilelektrisch
fahren oder zumindest per Mild-Hybrid
das eine oder andere Gramm CO 2 einspa-
ren. Ein Plug-in-Hybrid wäre im Wettbe-
werbsumfeld von A-Klasse und dem neu-
en Audi A3 eine feine Sache gewesen, aber
mehr als ab und zu segeln, den Motor
schon im Ausrollen von einer verbesserten
Start-Stopp-Automatik abschalten lassen,
immer wieder mal rekuperieren und die
Nebenaggregate bedarfsgerecht steuern,
ist momentan nicht drin im Kompaktklas-
se-Emissionsfahrplan von BMW. Während
ein vollelektrischer 2er möglicherweise
erst im übernächsten Leben ans Netz geht,
nimmt der kolportierte i 1 langsam Form
an – natürlich auf Basis der neuen, für fast
alle Eventualitäten gerüsteten Frontan-
triebsplattform des Konzerns, die sich al-
lerdings dem Vernehmen nach mit einem
ziemlich kleinen Akku-Pack wird beschei-
den müssen. georg kacher
von christina kunkel
D
as erste, was man zu sehen be-
kommt vom lang erwarteten
Tesla-Konkurrenten, ist ein
Stoßdämpfer. Stolz trägt
Chef-Ingenieur Joakim Ryd-
holm den Prügel durch den kleinen Konfe-
renzraum des Volvo-Testcenters im schwe-
dischen Hällered, etwa vierzig Minuten
von Göteborg entfernt. Noch bevor man
das erste Mal drin sitzt im Polestar 2, dem
ersten rein elektrischen Auto der Volvo-
Tochter, bekommt man ein Gefühl dafür,
worauf die Entwickler besonderen Wert ge-
legt haben: Fahrdynamik und Komfort.
Seit Teslas Model 3 vor etwa einem Jahr
nach Europa kam, steht die Frage im
Raum, wann denn endlich ein anderer Her-
steller eine konkurrenzfähige vollelektri-
sche Mittelklasselimousine auf die Straße
bringt. Während der VW ID.3 zumindest in
der Golfklasse neue Maßstäbe setzen könn-
te, ist die typische Dienstwagen-Mittel-
klasse noch immer mit Diesel- oder Benzin-
motor unterwegs. BMW und Daimler set-
zen dort aktuell noch auf Plug-in-Hybride,
zum gleichen Preis kann man von diesem
Sommer an aber auch vollelektrisch unter-
wegs sein – mit dem Polestar 2. Doch lohnt
sich der Umstieg auf den schwedisch-chi-
nesischen Stromer, oder bleibt Tesla doch
weiter das Maß aller Dinge?
Wie die meisten anderen Hersteller
bringt die Volvo-Tochter zuerst eine beson-
ders üppig ausgestattete „Launch Edition“
auf den Markt. Ab 57 900 Euro kann man
den Fünftürer aktuell vorbestellen, erste
Fahrzeuge sollen im Juni ausgeliefert wer-
den. Dafür bietet der Polestar2 Allradan-
trieb, eine 78-kWh-Batterie, die den Wa-
gen in 4,7 Sekunden von null auf hundert
bringt und nach WLTP-Standard eine
Reichweite von 470 Kilometern hat. Im rei-
nen Stadtbetrieb sollen durch die Energie-
rückgewinnung beim Bremsen sogar bis
zu 560 Kilometer möglich sein. 2021 wird
es dann auch günstigere Varianten des Mit-
telklassestromers geben, die vermutlich
bei mindestens 40000 Euro starten – aller-
dings vor Abzug sämtlicher Umweltförde-
rungen.
Bei der Testrunde rollt der Polestar2
zunächst über eine Schlaglochpiste. Kanal-
deckel, Senken, Risse in der Fahrbahn – ob-
wohl das Elektroauto naturgemäß kein Mo-
torgeräusch von sich gibt, hört man im In-
nern des Fahrzeugs nichts. Kein Knarzen,
Rattern, Quietschen. Allein sechs Wochen
habe man damit verbracht, die richtige Ein-
stellung für die Dämpfer zu finden, erzählt
Ingenieur Joakim Rydholm. Er strahlt
übers ganze Gesicht, während man den Po-
lestar von einem Schlagloch ins nächste
steuert. Im Hällered-Testcenter haben sie
die Originalbeläge von Straßen aus der gan-
zen Welt nachgebaut. Ein echter Härtetest
auf etwa fünf Kilometern über schottische
Ruckelpisten und deutschen Waschbeton.
Tatsächlich schluckt der Stromer jede Un-
ebenheit mit Bravour. Kein Querversetzen,
kein Ausbrechen. Selbst bei Geschwindig-
keiten, die man auf Landstraßen nie fah-
ren dürfte, müssen die elektronischen Hel-
fer nicht spürbar eingreifen.
Natürlich kann die Volvo-Tochter ihre
Herkunft nicht verleugnen. Polestar war
einst die Motorsportabteilung der Schwe-
den. Erst 2017 wurde daraus eine eigene
Marke, unter der die ersten Elektroautos
des Konzerns entstehen sollten. Das alles
geschah mit dem Segen von Geely, dem chi-
nesischen Mutterkonzern von Volvo. So ba-
siert der Polestar 2 auch auf der Elektroar-
chitektur von Geely, gebaut wird der Wa-
gen bis auf Weiteres nur in China. Dennoch
ordneten die Polestar-Ingenieure die ein-
zelnen Batteriemodule noch einmal neu
an, sodass der Akku jetzt in H-Form mit
einer darüber gelegten Modulschicht in
T-Anordnung im Fahrzeugboden verbaut
ist. Überhaupt sei es die größte Herausfor-
derung gewesen, das Auto mit seinem hö-
heren Gewicht auszubalancieren, erklärt
Ingenieurin Beatrice Simonsson. Der Pole-
star sollte auf der einen Seite seine sportli-
chen Gene behalten, aber auf der anderen
Seite möglichst alltagstauglich sein.
Tatsächlich deckt die Limousine die Be-
dürfnisse vieler Autofahrer ab. Das Platz-
angebot ist auch auf der Rückbank gut.
Vier Personen können auch auf Langstre-
cken bequem reisen, nur bei fünf Erwach-
senen wird es auf Dauer eng. Gerade bei
Elektroautos kommt immer wieder die Fra-
ge nach einer Anhängerkupplung auf. Der
Polestar 2 hat eine an Bord, mit der man
bis zu 1500 Kilo ziehen kann. Trotz Panora-
maglasdach können mit einer Dachbox
weitere 75 Kilo untergebracht werden.
Was der Polestar definitiv nicht ist: Ein
Stauraumwunder. Der Kofferraum fast
knapp 400 Liter, das schräg abfallende
Heck verhindert, dass man höhere Gegen-
stände unterbringen kann. Das ist aller-
dings Meckern auf hohem Niveau, denn
auch ein Tesla Model 3 oder ein 3er BMW
bieten nicht mehr Platz im Heck. Wer mehr
Stauraum braucht, muss sich also sowieso
in einem anderen Segment umsehen.
Zur Alltagstauglichkeit eines Elektroau-
tos zählt auch die Frage nach Reichweite
und Ladeoptionen. Nach der Testfahrt auf
dem Volvo-Gelände kann man keine Aussa-
ge zum realen Stromverbrauch treffen
(laut Hersteller 19,3 kWh ), da es dort in ers-
ter Linie um das Fahrverhalten und das In-
terieur des Autos ging. Polestar gibt an,
dass der Wagen mit bis zu 150 kW geladen
werden kann, in etwa vierzig Minuten soll
der Akku zu 80 Prozent gefüllt sein. Das
können wenige Modelle schneller, zum
Beispiel Teslas Model3 (bis zu 250 kW)
oder der Porsche Taycan (270 kW). Ein
entscheidender Unterschied zu den Mitbe-
werbern steckt beim Polestar tief unter
dem Blech. Als erstes Fahrzeug wird der
Stromer mit dem Betriebssystem Android
Automotive ausgeliefert. Im Polestar 2
schlägt also ein Software-Herz von Google.
Über einen personalisierten Google-Ac-
count ist das Auto komplett eingebunden
in alles, was der Nutzer sonst an Diensten
des Techkonzerns nutzt. Man kann Apps
aus dem Playstore herunterladen, Google
Maps kennt den Ladestand der Batterie
und berücksichtigt bei der Routenplanung
direkt mögliche Ladestopps. Wenn die La-
desäule diese Funktion unterstützt, wird
auch angezeigt, ob die Stromtankstelle frei
ist. Wer sein Zuhause mit Google Home ver-
netzt hat, kann sogar per Spracheingabe
aus dem Wohnzimmer bestimmte Auto-
funktionen bedienen. Bei so viel Konnekti-
vität ist die Frage nach dem Datenschutz
unvermeidlich. Wobei es am Ende auch
nicht anders läuft als bei einem Smart-
phone. Irgendwo gibt es bei jedem einzel-
nen Dienst einen Haken, mit dem man der
Weitergabe bestimmter Infos widerspre-
chen kann. Auch den Polestar kann man
fahren, ohne vor Google alles preiszuge-
ben. Doch dann gehen eben die Annehm-
lichkeiten verloren, die ein möglichst gut
informiertes System seinem Nutzer bietet.
Um den Tesla-Vergleich noch ein biss-
chen zu strapazieren: Im Polestar ist die Be-
dienung cleverer gelöst, weil sie einfach
nicht so radikal ist. Wo es sinnvoll ist, gibt
es bei den Schweden noch ein paar Knöpfe
und auch das digitale Cockpit hinter dem
Lenkrad ist praktischer als die komplett
auf den mittigen Touchscreen ausgerichte-
te Steuerung im Model 3. Zwar ist Tesla in
Sachen Verarbeitung und Materialanmu-
tung schon längst viel besser als manche
Traditionalisten es gerne unterstellen,
doch auch hier ist der Polestar noch einmal
ein gutes Stück voraus.
Ein wenig unvernünftig durften die Po-
lestar-Entwickler dann doch sein. Auf dem
Hochgeschwindigkeitsoval wirft Joakim
Rydholm den Stromer in die Steilkurve.
150, 180, 215 zeigt der Tacho. Moment, war
da nicht was? Wollte Volvo nicht alle seine
Autos zukünftig bei 180 km/h abriegeln?
Rydholm grinst. Dann sagt er trocken: „It’s
not a Volvo. It’s a Polestar.“
Ein Stauraumwunder ist
der Polestar 2 nicht. Aber das ist
Meckern auf hohem Niveau
Auf elektrische Varianten
muss man in der Kompaktklasse
bei BMW noch warten
Lange Überhänge, wuchtige Schnauze, bulliges Heck: Nur die Niere kommt beim
2er Grand Coupé im Vergleich zu anderen BMW-Modellen dezent daher. FOTO: BMW
Benzin oder Diesel, sonst nichts
Das 2er Grand Coupé von BMW ist eher eine Sportlimousine. Warum es bei den Motoren nur Verbrenner gibt, ist angesichts der Konkurrenz unverständlich
Die Bedienung ist cleverer
gelöst als im Tesla Model 3.
Weil sie nicht so radikal ist
Lange
erwartet
Endlich gibt es mit dem Polestar 2
auch in der Mittelklasse eine Alternative
zu Tesla. Im Test kann das E-Auto
der Volvo-Tochter überzeugen
Schneller als die deutschen
Marken: Mit dem Polestar 2
wird im Juni der erste
Wettbewerber des Tesla
Model 3 ausgeliefert. Im
Innenraum ist der Elektro-
Ableger von Volvo moderner
als die konventionellen
Modelle: Über einen großen
Zentralbildschirm lassen
sich viele Funktionen
bequem steuern.
FOTOS: DINO SOLDIN / VOLVO
DEFGH Nr. 44, Samstag/Sonntag, 22./23. Februar 2020 MOBILES LEBEN 67
Hinweis der Redaktion:Ein Teil der im „Mobilen Le-
ben“ vorgestellten Produkte wurde der Redaktion
von den Herstellern zu Testzwecken zur Verfügung
gestellt und/oder auf Reisen präsentiert, zu denen
Journalisten eingeladen wurden.