London– Auch zwei Wochen nach den
Parlamentswahlen in der Republik Irland
ist keine Lösung für die schwierige Frage
in Sicht, wie eine neue Regierung gebildet
werden könnte. Am Donnerstagabend
war Leo Varadkar, der bisherige Premier-
minister (der in Irland Taoiseach, sprich
Tieschock genannt wird), zurückgetreten.
Er hatte beim ersten Anlauf für die Wahl ei-
nes neuen Premiers im Parlament die
zweitwenigsten Stimmen erhalten. Varad-
kar, Parteichef der Fine Gail, will aber ge-
schäftsführend im Amt bleiben, bis ein
neuer Taoiseach gefunden ist.
Micheál Martin, der Chef der zweiten
großen irischen Partei Fianna Fáil, bekam
41 Stimmen. Die Vorsitzende von Sinn
Féin und Überraschungssiegerin der
Wahl Mary-Lou McDonald kam auf im-
merhin 45 Stimmen. Allerdings erhielt
keiner der drei Kandidaten die nötige
Mehrheit von 80 Stimmen.
Die Wahlen am 7. Februar hatten dem
Land ein außerordentlich kompliziertes
Ergebnis beschert, weil die drei größten
Parteien auf etwa jeweils 25 Prozent ge-
kommen waren, aber nicht miteinander
regieren wollen. Sinn Féin, die einst als po-
litischer Arm der Untergrundorganisati-
on IRA (Irisch Republikanische Armee)
agierte, hatte bei der Wahl unerwartet die
meisten Stimmen bekommen, aber den
großen Erfolg nicht erwartet – und des-
halb nicht in allen Wahlkreisen Kandida-
ten aufgestellt. Sinn Féin hatte ein mode-
rat linkes Programm vorgelegt und sich
vor allem auf soziale Fragen konzentriert.
Hauptinteresse der Partei ist jedoch die
Wiedervereinigung Irlands. McDonald
hat angekündigt, umgehend eine Volksab-
stimmung anzustreben, sollte sie Premier-
ministerin werden.
Von den beiden konservativen Partei-
en, die sich theoretisch als Koalitionspart-
ner anböten, schlägt ihr aber starke Ab-
wehr entgegen. Sinn Féin kämpft immer
noch mit dem Ruf, für die einstigen Ver-
brechen der IRA mitverantwortlich zu
sein und eine Art Bürgerkriegs-Nostalgie
zu pflegen. Derzeit wollen weder Varad-
kar noch Martin mit Mary-Lou McDonald
zusammenarbeiten. Am Donnerstag hat-
te Martin ihr vorgeworfen, demokratische
Standards nicht einzuhalten und bis
heute „die Taten der IRA zu verklären“.
Varadkar forderte in einem deutlichen Sei-
tenhieb gegen Sinn Féin, die Parteien, die
den Wählern die größten Veränderungen
versprochen hätten, müssten nun schau-
en, ob sie eine Regierung auf die Beine stel-
len könnten. Wenn nicht, sollten sie ihr
Scheitern eingestehen.
McDonald will weiter versuchen, ge-
meinsam mit einigen kleineren Parteien
eine Regierung zu bilden. Fine Gael und Fi-
anna Fáil, die vor der Wahl angekündigt
hatten, keinesfalls miteinander regieren
zu wollen, kommen am Montag nun doch
zu Sondierungsgesprächen zusammen.
Die Blockade müsse überwunden werden,
hieß es. Während der Sondierungen tagt
das Parlament nicht.
Die angespannte politische Stimmung
ist auch darauf zurückzuführen, dass sich
mit dem Wahlergebnis ein politischer Um-
bruch manifestiert, der sich schon seit ge-
raumer Zeit angedeutet hatte. Gesell-
schaftspolitisch war Irland in den vergan-
genen Jahren immer offener geworden,
die Bevölkerung stimmte mit großer
Mehrheit für ein Ende des rigiden Abtrei-
bungsverbots und für die Homoehe. Jetzt
rückt zudem die soziale Schieflage ins Zen-
trum der öffentlichen Debatte. Varadkar
und seine neoliberale Minderheitsregie-
rung konnten zwar gute Wirtschaftsdaten
und einen Erfolg bei den Brexit-Verhand-
lungen vorweisen. Allerdings hat sich in
den vergangenen Jahren die soziale Sche-
re weiter geöffnet, Mieten stiegen rasant,
der neue Wohlstand kam vor allem im
Dienstleistungs- und Bankenbereich in
der Hauptstadt Dublin an. Sinn Féin punk-
tete unter anderem mit Forderungen
nach einer neuen Wohnungsbaupolitik
und einer Mietpreisbremse.
Im Wahlkampf hatte zudem die Wieder-
vereinigung mit Nordirland, die die repu-
blikanische Sinn Féin anstrebt, kaum eine
Rolle gespielt. Aber nun, da das Patt im
Parlament ein Aufeinanderzugehen aller
Seiten verlangt, zuckt die politische Kon-
kurrenz vor zu viel Nähe zurück. Varadkar
hält eine Volksabstimmung in nächster
Zeit für kontraproduktiv. „Zu viele Men-
schen, Unionisten, Briten, würden gegen
ihren Willen in ein vereintes Irland ge-
zwungen.“ cathrin kahlweit
von arne perras
Delhi –Eine Villa, versteckt hinter Bäu-
men. Die junge Frau empfängt im ersten
Stock. Iltija Mufti stammt aus Kaschmir
und kämpft für die Freilassung ihrer Mut-
ter. Der Fall Mufti ist ein Politikum in Indi-
en, aber auch ein sehr persönliches Drama.
Es erzählt von Recht und Unrecht, Macht
und Ohnmacht in Kaschmir, einem Gebiet,
das Indien vor den Augen der Welt abschot-
tet und eisern kontrolliert. Iltija Mufti ist in
zwei Welten zu Hause, sie pendelt zwi-
schen der Stadt Srinagar in Kaschmir und
Delhi. Aber mit Reportern reden, das gehe
nur hier, sagt sie, nahe der indischen
Hauptstadt, im Haus von Freunden.
Warme Sonnenstrahlen fluten durch
die Fenster, doch die 32-Jährige hat sich
einen Schal umgeworfen. Sie wirkt fast ver-
loren in dem riesigen Raum. Der Gast darf
auf den Sessel, Iltija Mufti wählt das Sofa
gegenüber. Vier Meter Distanz, das ist
mehr als höflich, fast entrückt. Eine Haus-
hälterin reicht Kekse und Kewa Chai,
Tee mit Safran und Ingwer, so trinken sie
ihn in den Bergen, der Heimat der Familie
Mufti.
Die junge Frau erzählt nun von der Haft
ihrer Mutter, sie spricht flüssig, aber ihre
Stimme klingt gereizt. Mehbooba Mufti
war die letzte Ministerpräsidentin des
halbautonomen Staates Jammu und
Kaschmir, der zu Indien gehört. Nun lebt
sie eingesperrt in einem Gästehaus der Re-
gierung. „Ich war dabei, als sie im August
verhaftet wurde. Meine Mutter packte
rasch ein paar Kleider in einen Handge-
päckskoffer, wie man es für ein, zwei Tage
tut.“ Aber dann kam sie nicht mehr heraus.
Und nicht mal engste Angehörige durften
in den ersten Wochen zu ihr. „Sie wollten,
dass meine Mutter den emotionalen Stress
spürt“, sagt die Tochter. Die Isolation, die
Ungewissheit.
Mufti teilt dieses Schicksal mit weiteren
Politikern Kaschmirs. Ihre Unfreiheit ist
Symbol einer Krise, von der Indien eigent-
lich nichts wissen will. Delhi behauptet,
dass in Kaschmir alles in normalen Bah-
nen laufe. Es sind Sätze, die Iltija Mufti als
absurd bezeichnet. „Nichts ist normal in
Kaschmir. Es gibt bei uns diesen Witz:
Kaschmir hat eine reiche Fauna und Flora,
aber nichts wächst so gut wie die Rollen
aus Stacheldraht.“ Es sind dies die augen-
fälligsten Symbole einer Militärmacht, die
im Sommer eine drakonische Blockade
über mehr als acht Millionen Menschen
verhängte.
Tausende kamen in Haft, ohne Anklage
und Verfahren, es gab Ausgangssperren,
das Internet wurde abgeschaltet. Inzwi-
schen sind manche Beschränkungen gelo-
ckert. „Aber selbst jene, die offiziell entlas-
sen wurden, können sich nicht frei bewe-
gen“, sagt Iltija Mufti. Internet? Da muss
sie lachen, nur handverlesene Webseiten
sind freigeschaltet, und mobile Datenver-
bindungen gibt maximal mit dem veralte-
ten Standard 2G. Soziale Medien bleiben
geblockt. „Jedes Mal, wenn ich in Kasch-
mir bin, habe ich das Gefühl zu ersticken“,
sagt Iltija Mufti.
Kaschmir liegt eingeklemmt zwischen
Indien, Pakistan und China, das Gebiet ist
nach zwei Kriegen geteilt. Jeder der rivali-
sierenden Staaten kontrolliert nur einen
Teil des einstigen Fürstentums, dessen Ma-
haradscha beim Abzug der Briten für Indi-
en optierte. In Kaschmir, das überwiegend
muslimisch bevölkert ist, kollidieren die In-
teressen von Atommächten mit dem chen
Streben nach Eigenständigkeit, ein kompli-
ziertes und explosives Gemisch. Im August
hatte Indien den Status quo einseitig und
drastisch verändert: Delhi entzog Kasch-
mir den Sonderstatus, das Gebiet verlor
über Nacht autonome Rechte. Und die Poli-
tikerin Mufti verlor abrupt ihre Freiheit,
obgleich sie keines Verbrechens überführt
worden war.
„Präventivhaft“ heißt das. Die erste Pha-
se nach „Section 107“ des Strafrechtskata-
logs dauerte ein halbes Jahr, nun muss
Mufti damit rechnen, dass sie noch viel
länger eingesperrt bleibt. Der Staat hat
den Public Safety Act (PSA) gegen sie in
Stellung gebracht, der sie weitere zwei Jah-
re die Freiheit kosten kann, ohne Prozess.
Begründet wird der Schritt mit einem Dos-
sier, das derSüddeutschen Zeitungvor-
liegt. Iltija Mufti glaubt, dass dieses Papier
in Delhi diktiert wurde, der Mutter wird
darin vorgeworfen, sie habe Hetze und Ge-
walt provoziert, sei eine Gefahr für die öf-
fentliche Ordnung. „Aber wo sind die Bele-
ge?“, fragt Iltija Mufti. Auch wundert sie
sich über sexistische Passagen, etwa den
Vorwurf, Mehbooba sei „Daddy’s Girl“, mal
ist vermerkt, dass ihre Ehe ja nur kurz
gehalten habe.
Mehbooba Mufti gehört einem Politiker-
Clan an, schon ihr Vater war Ministerpräsi-
dent von Kaschmir, außerdem der einzige
muslimische Innenminister, den Indiens
Zentralregierung je hatte. Aber was hat „Pa-
pas Mädchen“ in einem Haftdossier zu be-
deuten? Man fragt einen Verfassungsrecht-
ler, Sanjay Hegde. „Dabei könnte es sich
um juristisch irrelevante Passagen han-
deln“, sagt er. Womöglich verfolgten sol-
che Formulierungen andere Zwecke, dazu
könne er sich nicht äußern. Iltija Mufti hat
keinen Zweifel, was die Sätze beabsichti-
gen: „Sie sollen meine Mutter erniedrigen
und beleidigen.“
Darin liegt Ironie, denn es war Mehboo-
ba Mufti, die wie ihr Vater eine schwierige
Koalition mit den nun in Delhi regierenden
Hindu-Nationalisten eingegangen war,
um Kaschmir zu regieren. Und jetzt sper-
ren sie Mufti ein? „Bei meiner Mutter er-
zeugte das ein Gefühl des Verrats“, sagt die
Tochter.
Hat sie eine Chance? „Es müssen schon
Gründe für Präventivhaft vorgebracht wer-
den, die nicht so lange zurückliegen“, sagt
Jurist Hegde. Mufti könnte also die Gerich-
te anrufen. „Wir prüfen alle Optionen“,
sagt die Tochter. Gleichwohl hat sie wenig
Vertrauen in die Justiz, seitdem das Urteil
zum Pilgerort Ayodyha fiel. Hindus dürfen
dort nun einen Tempel errichten, wo einst
ein fanatischer Mob eine Moschee zerstör-
te. Mufti sieht darin ein Zeichen, wie sehr
sich die Justiz dem Druck der Hindu-Eife-
rer beugt.
Ein Ende der Haft für Mufti ist vorerst
nicht absehbar. „Meine Mutter liest jetzt
viel“, sagt die Tochter. Historische Roma-
ne, den Koran, Nelson Mandela. „Wir scher-
zen darüber sogar, weil sie früher nie gerne
las.“ Das immerhin ist ein Vorteil der Haft.
Der Humor aber kann die Last, die Mutter
und Tochter niederdrückt, kaum beseiti-
gen. Iltija spürt eine lähmende Ohnmacht.
„An manchen Tagen will ich gar nicht auf-
stehen“, sagt sie, auch wenn sie jetzt die
Chance hat, ihre Mutter regelmäßig in Sri-
nagar zu besuchen.
Das war anfangs noch anders. Da blieb
nur, winzige Briefchen in Fladenbroten zu
verstecken, wenn sie der Mutter Essen
schickten. Die Oma hatte die Idee, das so
zu schmuggeln. Und es ist geglückt.
Wovor aber hat Delhi Angst? „Sie fürch-
ten, dass sich unsere politischen Führer
kritisch über den Entzug der Autonomie
äußern und die Leute das als Aufruf zum
Protest betrachten.“ Protest aber darf es
nicht geben, weil Delhi möchte, dass alles
normal aussieht. „Sie tolerieren keinen Wi-
derspruch“, sagt Iltija Mufti.
Einst hat die junge Frau an Indien als
pluralistisches Land geglaubt – jetzt nicht
mehr. Aber auch Pakistan habe keine gute
Rolle gespielt, der Nachbar habe die Krise
ausgenutzt, manchmal verschärft.
Viele rätseln, mit welchen Kräften Delhi
Kaschmir fortan regieren will. „Man kann
neue Führungsfiguren ja nicht einfach aus
der Luft greifen“, sagt Mufti. Wer immer be-
reit sei, jetzt mit Delhi noch zu kooperie-
ren, werde seine Glaubwürdigkeit in
Kaschmir verspielen. „Ich weiß noch, wie
viel Feindseligkeit meiner Mutter entge-
genschlug, als sie mit der BJP eine Allianz
einging.“ Mehbooba Mufti wäre vielleicht
wieder frei, hätte sie sich dem Diktat aus
Delhi gebeugt. „Sie wollten, dass meine
Mutter eine Verpflichtung unterzeichnet,
den Entzug der Autonomie nicht zu kritisie-
ren.“ Das hat sie verweigert. Und ihre Toch-
ter wirkt, bei allem Schmerz, froh darüber.
„Warum sollen wir nicht sagen können,
was wir denken? Ist dies eine Demokratie
oder leben wir in einer Bananenrepublik?“
In jedem Fall ist Indien ein Staat, dessen
Regierung so tut, als sei in Kaschmir alles
in Ordnung. Dass andere Länder, etwa in
Europa, das kaum zu beschäftigen scheint,
überrascht Mufti nicht. „Die Europäer
scheinen sich schon entschieden zu haben.
Indien als Markt ist ihnen wichtiger als die
Achtung der Menschenrechte.“
Washington –Russland mischt sich nach
Ansicht der US-Geheimdienste auch in die-
sem Jahr in die Präsidentschaftswahl ein.
Das Ziel sei wie schon 2016, Donald Trump
zum Wahlsieg zu verhelfen. Wie mehrere
amerikanische Medien am Freitag berich-
teten, hält die russische Regierung eine
Wiederwahl Trumps für vorteilhaft. Eine
ranghohe Geheimdienstmitarbeiterin ha-
be vorige Woche im zuständigen Aus-
schuss des Repräsentantenhauses einen
Bericht vorgestellt, in dem diese Einschät-
zung enthalten sei, schrieben dieNew York
Timesund dieWashington Post.
Auch in den Vorwahlkampf der Demo-
kraten mischt sich Moskau nach Meinung
der US-Agenten ein. Laut einem Bericht
derWashington Postwurde der Präsident-
schaftsbewerber Bernie Sanders von Re-
gierungsvertretern darüber informiert,
dass Moskau ihm im Wahlkampf „zu hel-
fen versuche“. Wie diese Hilfe aussehe,
schrieb die Zeitung nicht. Sanders zu stär-
ken würde aus russischer Sicht Sinn erge-
ben, sofern man annimmt, dass der weit
links stehende Demokrat der schwächste
Herausforderer für Trump wäre.
Sanders erklärte gegenüber derWa-
shington Post: „Mir ist, um ehrlich zu sein,
egal, wen sich der russische Präsident Wla-
dimir Putin als Präsidenten wünscht. Mei-
ne Botschaft an Putin ist klar: Halt dich
aus amerikanischen Wahlen heraus, und
als Präsident werde ich sicherstellen, dass
du das tust.“
Der russische Geheimdienst hatte sich
nach Ansicht westlicher Geheimdienste
2016 massiv zugunsten von Trump in den
Wahlkampf eingemischt. So wurden von
Russland aus Tausende Konten auf sozia-
len Medien wie Facebook und Twitter be-
trieben, deren Zweck es war, politische
Streitigkeiten in den USA anzuheizen. Zu-
sätzlich ließ der russische Geheimdienst
Computerserver der Demokraten hacken.
Später wurden die erbeuteten Informatio-
nen, die für Trumps demokratische Gegen-
kandidatin Hillary Clinton peinlich waren,
von der Plattform Wikileaks veröffent-
licht. In diesem Jahr versuche Moskau vor
allem, amerikanische Nutzer von sozialen
Medien dazu zu bringen, Falschinformati-
onen zu teilen, so dieNew York Times.
Ob und inwieweit die russische Sabota-
gekampagne zu Trumps knappem Sieg im
Jahr 2016 beigetragen hat, lässt sich letzt-
lich nicht sagen. Der Sonderermittler Ro-
bert Mueller, der die Vorgänge untersucht
hat, hat in den USA Anklage gegen mehre-
re russische Staatsbürger, Firmen und Re-
gierungsmitarbeiter erhoben, die seinen
Erkenntnissen nach an der Kampagne be-
teiligt waren. Er hat allerdings keine Bele-
ge dafür gefunden, dass der damalige Kan-
didat Trump oder jemand aus dessen Um-
feld von Russlands Einmischung wusste
oder Moskau dabei geholfen hat.
Was immer die konkrete Folge der russi-
schen Sabotage war – klar ist, dass es Mos-
kau gelungen ist, Zweifel an der Legitimi-
tät von Trumps Wahlsieg zu sähen. Das ist
der Grund, warum Trump bis heute wü-
tend bestreitet, dass es überhaupt eine rus-
sische Einmischung gegeben habe. Das sei
alles ein „schlechter Witz“ und Teil der
„Hexenjagd“ der Demokraten gegen ihn,
sagt der Präsident. In seinem Bemühen,
die Russland-Verbindung zu widerlegen,
jagte Trump unter anderem der – vom rus-
sischen Präsidenten Wladimir Putin ge-
streuten – Behauptung nach, die Demokra-
ten seien von Hackern aus der Ukraine at-
tackiert worden. Trumps Versuch, Kiew zu
Ermittlungen in dieser Sache und gegen
den demokratischen Präsidentschaftsbe-
werber Joe Biden zu drängen, führten zu ei-
nem Impeachment.
Insofern ist es kein Wunder, dass der
Präsident Berichten zufolge jetzt weniger
erbost darüber ist, dass Moskau nach An-
sicht seiner Geheimdienste wieder ver-
sucht, die US-Wahl zu manipulieren. Er ist
eher wütend darüber, dass die Agenten die-
se Erkenntnis mit dem Geheimdienstaus-
schuss des Abgeordnetenhauses geteilt ha-
ben. Dieser wird von dem Demokraten
Adam Schiff geleitet, der im Impeachment-
Prozess der führende Ankläger war. Der
Präsident soll deswegen den amtierenden
Geheimdienstkoordinator im Weißen
Haus, Joseph Maguire, angeschrien ha-
ben. Die Demokraten, so schimpfte er,
würden diese Informationen als „Waffe“
gegen ihn einsetzen. Kurz danach gab
Trump bekannt, dass der bisherige US-
Botschafter in Deutschland, Richard Gre-
nell, der Nachfolger von Maguire werden
solle. hubert wetzel
Kein Taoiseach in Sicht
Die Regierungsbildung in Irland gestaltet sich kompliziert
Georgiens Regierung macht Russlands Mi-
litärgeheimdienst für eine breit angeleg-
ten Cyberattacke Ende Oktober verant-
wortlich. London und Washington unter-
stützen Tiflis. Hacker hatten bis zu 15 000
Internetseiten lahmgelegt, darunter die
der Präsidentialverwaltung, die von Ge-
richten, zahlreichen Medien und Unter-
nehmen. Die Übertragung mehrerer TV-
Sender war ebenfalls unterbrochen.
Die Attacke habe Bürgern und Regie-
rungsstrukturen schaden sollen, indem
sie die Funktionalität verschiedener Orga-
nisationen gestört und „Beunruhigung un-
ter der Bevölkerung“ ausgelöst habe, so
das Außenministerium in Tiflis. Das russi-
sche Außenministerium dagegen wies die
Beschuldigungen als „synchronisierte Pro-
pagandaaktion“ zurück. Großbritannien
und die USA vermuten eine Einheit des rus-
sischen Militärgeheimdienst GRU hinter
den Angriffen, die auch als „Sandworm“
bekannt ist. Sie soll unter anderem für die
Cyberattacken auf das ukrainische Strom-
netz 2015 verantwortlich gewesen sein
und 2017 die Metro in Kiew und den Flug-
hafen von Odessa gehackt haben.
Mit dem Angriff auf Georgien habe der
Militärgeheimdienst GRU versucht, „Geor-
giens Souveränität zu untergraben“, hieß
es aus dem britischen Außenministerium.
Viele betroffene Webseiten zeigten wäh-
rend der Attacke ein Foto des früheren Prä-
sidenten Michail Saakaschwili und den
Spruch „I’ll be back“ – ich komme wieder.
In Saakaschwilis Amtszeit fiel der fünftägi-
ge Krieg zwischen Georgien und Russland
im Jahr 2008. SIBI
Eingesperrt
im Gästehaus
Die Tochter von Kaschmirs Ex-Premierministerin
kämpft für ihre Mutter: Indien hat die Provinz unter
Blockade gesetzt – und hält die Politikerin fest
Wahlhilfe aus Moskau
Russland mischt sich wieder in die US-Kampagne ein, sagen die Geheimdienste – zugunsten von Trump und Sanders
Die Mutter lese jetzt sehr viel.
So habe die Haft auch ihr Gutes,
scherzt die Tochter
Moskau wäre es wohl
nicht Unrecht, wenn der
Amtsinhaber gewinnt
Sandwürmer in Georgien
Die Konservativen werfen der
Wahlsiegerin eine gewisse
„Bürgerkriegs-Nostalgie“ vor
8 POLITIK 1MG Samstag/Sonntag, 22./23. Februar 2020, Nr. 44 DEFGH
Indien behauptet, dass sich das Leben in Kaschmir wieder normalisiert habe, die Beschränkungen, die Delhi der Region 2019 nach dem Entzug ihres Sonderstatus aufer-
legte, seien wieder aufgehoben. Das sehen die Kaschmirer anders – etwa im Herbst kam es zu wütenden Demonstrationen. FOTO: DANISH SIDDIQUI/REUTERS
Russland-Affäre, Ukraine, nun schon wieder Russland: Der US-Präsident
sieht sich einer andauernden „Hexenjagd“ ausgesetzt. FOTO: AL DRAGO/BLOOMBERG
Mehbooba Mufti (o.) war die
erste Frau, die das Amt des
Premiers in Jammu und
Kaschmir bekleidete. Nun sitzt
sie dort in Haft, ihre Tochter
Iltija besucht sie.FOTOS: DPA