Frankfurter Allgemeine Zeitung - 05.03.2020

(vip2019) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Finanzen DONNERSTAG, 5.MÄRZ 2020·NR.55·SEITE 25


F


ür Anleger,die in deutscheAk-
tien investieren und dabeivoral-
lem auf nachhaltigwirtschaften-
de Unternehmen setzenwollen,
hat die Deutsche Börse einen neuen Index
aufgesetzt.DerDax50ESGberücksichtigt
andersals der klassische Dax nicht nur die
größten börsennotiertenKonzerne mit
den höchstenHandelsumsätzen, sondern
bewertetauch,wiestarksichdieUnte rneh-
men um Umweltschutz, sozialeFragen
und eine guteUnternehmensführung be-
mühen. Diese Kriterienwerden vorallem
wegendes Klimawandels unter dem Akro-
nymESG (Environmental, Social, Gover-
nance) für immer mehr Anleger und auch
Großinvestoren relevant.Schließlic hkönn-
tenschärfere Klimagesetzerund um die
Welt und einverändertesKundenverhal-
tendazuführen,das sUnternehmen,diein
der Hinsicht schlecht abschneiden, nicht
nur moralisch, sondernauchwirtschaft-
lichinSchwierigkeitkommenkönnten.
Vonden 30 Dax-Konzernen haben es
siebennichtindieNachhal tigkeitsauswahl
der Deutschen Börsegeschaf ft.Vier wur-
den vonvornherein ausgeschlossen: Die
EnergieversorgerRWE und Eon,weil sie
auf Kohle-oder Atomkraftsetzen.Der
Triebwerkbauer MTUAero Engines,weil
er zu viel Geschäftmit dem Militär macht.
Volkswagen wirdsein Diesel-Betrug zum
Verhängnis –allerdings nichtwegender
Umweltbelastung, sondernweil derKon-
zerninder Sachegegendie Regeln der gu-
tenUnternehmensführung derVerein ten
Nationen(UNGlobalCompact)verstoßen
hat.Dreiweiter eKonzerne,Fresenius,
Vonovia undWirecard, haben in der ESG-
Bewertung der Ratingagentur Sustain-
alytics zu schwachabgeschnitten.
So is tder Dax ESG 50kein reiner Index
für Naturfreunde. Die anderen Autokon-
zerneDaimlerundBMWzumBeispielfah-
renauchinder nachhaltigenIndexaus-
wahl mit, ebenso dieLufthansa. Der Che-
mie-undPharmakonzernBayer,dervoral-
lemdurchdieÜbernahmedesSaa tgutkon-

zerns Monsantound dessen umstrittenen
Unkrautvernichter Glyphosat in der Kri-
tik steht, is tinder aktuellenRangfolgeso-
garder am schwerste ngewicht eteEinzel-
wertin de mIndex.
„Der Indexsoll einAbbild der deut-
schen Wirtschaf tsein“, sagteStephan Flä-
gel, Leiter des Indexgeschäfts der Deut-
schen Börse. Deshalb habe man sichent-
schieden,den Börsenwert als wichtiges
Kriterium beizubehalten. Ein Index, der
die Aktienvornehmlich nachNachhaltig-

keitskriteriengewichtethätte,seinichtge-
eignetgewesen, zum neuenStandardpro-
dukt für breite Anlegerschichten zuwer-
den. „Bloßweil es ein ESG-Indexist,
heißt es nicht, dassjedes darinvertrete ne
Unternehmen in allen Kriterien tiptop
ist“, räumteKristina Jeromin ein, die bei
derDeutschenBörsefürNachhaltigkeitzu-
ständig ist. Esgehe aber auchdarum, dass
Investoren dieTransformation zu mehr
Nachhaltigkeit unterstützen sollen. Durch
das gewachsene Interesse an ESGsteige
derDruckauf die Unternehmen, Datenzu

den Themen zuveröffentlichen. Dasver-
besser edie Transparenz undgebe In vesto-
renmehr Informationen zu Risiken, als es
die reinen Finanzkennzahlengeben könn-
ten. „Esgeht uns nicht darum, zu bewer-
ten, werist gut undwerist schlecht.“
Derzeitexistier tnoch keineeinheitliche
Regelung, wie Nach haltigkeit definiert
wird. Welches Unternehmen in ESG-Indi-
zes aufgenommenwerden, entscheiden in
den allermeistenFällen die Indexanbieter
selbs t. Das kann zu sehr unterschiedlichen
Resultatenführen.Zudenzweiamhäufigs-
tenangewandtenAnsätzenzählendasAus-
schlu sskriterium und das „Best-in-Class“
-Prinzip. Ersteres schließtethisch fragwür-
digeAnlagen, wieetwa Investitionen in
die Waffen- oderTabakindustrie, schlicht-
wegaus dem Indexaus. Do ch selbs tbei ei-
nem solch vermeintlic hsimplen Ansatz
können sich dieGeister nochscheiden.
Etwabei der Frage, ob es sichbei Alkohol
und Tabak um ein Genuss- oder Suchtmit-
telhandelt .Das „Best-In-Class“-Prinzip
verfolgt dagegen das Ziel, nurUnterneh-
men in denIndexaufzunehmen, diemit
Bezug auf bestimmtenESG-Kriterienfüh-
rendinihrerjeweiligenBranchesind.„Der
Begriff Nach haltigkeitist nicht geschützt“,
sagt Claudia Döpfnervon CRIC,einer In-
vestorengemeinschaftzur Förderungvon

EthikundNachhaltigkeitbeiderGeldanla-
ge.Inden letzten Jahren habesichdeswe-
geneine VielzahlvonNachhaltigkeitskon-
zeptenentwickelt, die zumTeil im Wettbe-
werb zueinanderstehen. Das eigentliche
Ziel derRatings, Transparenz über die so-
genannt e„Nachhaltigkeitsperformance“
vonUnternehmenzus chaffen, werdeda-
mit nicht befriedigend erfüllt,findetsie.
Um im ESG-Indexinsgesamt 50Unte r-
nehmenversammeln zukönnen, nimmt
die Deutsche Börse als Grundgesamtheit
nicht nur den Dax, sondernauchnochdie
kleineren im M-Dax und demTec-Daxge-
liste tenWerte. Da auchsie in der neuen
Auswahl nachdem Börsenwert gewicht et
wird, sinddie zehn wichtigsten Einzelwer-
te aber diegleichenUnte rnehmen wie im
klassischen Dax. Da jeder Einzelwert
höchstens7Prozent des ESG-Indizes aus-
machen soll, im Dax diese Obergrenze
aber bei 10 Prozent liegt, teilen sichzuje-
der Neujustierung mehrereWerte die
Top-Position. DassBayeraktuell 7,4 Pro-
zent des Indexausmacht, liegt daran, dass
der Kurs sichseit der letztenNeuordnung
besondersgut entwickelt hat .Auf den In-
dexsollschonbaldeinersterbörsengehan-
delter Indexfonds (ETF) aufgelegtwer-
den, so dassauchPrivatanleger einfachin
die Auswahl investieren können.

GRÜNE FINANZEN


H


essen und die Bretagne haben
Gemeinsamkeiten und Unter-
schiede. Istdas deutscheBundes-
land wirtschaftsstark, gilt die französi-
sche Region alsstrukturschwach. Beliebt
sind beide beiTouris ten. Hier locken die
vielen Mittelgebirge wie Odenwald, Tau-
nus, Rhön undVogelsberg, dortzieht es
Reisende an dierauhe Atlantikküste und
die schroffenKüsten. Wasbeide ebenfalls
gemeinsam haben:Für Anlegersind sie
uninteressant. AlsTeil des deutschen und
französischenStaates verfügen sie über
eineüberragende Bonität.ObfürLaufzei-
tenvon fünf Jahren wie imFall Hessens
oder vonsieben Jahren wie imFall der
Bretagne –Anleihen, die in dieserWoche
emittiertwurden,werfen für Anleger ei-
nen Nullzins ab.
Dasgaltauc hfürStaatsanleihenderRe-
publik Österreichmit einer zehnjährigen
Laufzeit.Umauf einen positiven Zins zu
kommen, mussten In vestoren da schon
auf eineetwa slänger eLaufzeit setzen.
Ebenfalls Österreichhat eine Anleihe in
größeremVolumen mit 27 Jahren Lauf-
zeit begeben, die einenKupon von1,5
Prozent hat. Bei den Ratingagenturen
wirdÖsterreichinder zweitbestenBoni-
tätsstufeeinsortiert.Fürinstitutionelle In-
vestoren kann einsolcherKuponschonat-
traktivsein,wenn siezumBeispielkünfti-
ge Pensionsverpflichtungen absichern
müssen. Die 1,5 Prozent liegen schon

oberhalb mancheiner Garantietranche,
diein derVergangenheit ausgegebenwor-
den seinkönnte. Die Bonität liegt auf ei-
nem weitaus besseren Niveau als die der
meistenUnternehmen.Unddie Laufzeit
passtindas Anforderungsprofil der meis-
tenAltersvorsorgeeinrichtungen.Wenn
man denn bei der Emission denZuschlag
bekommen hat.
Eher im mittlerenRatingbereich istdie
Restaurantkette M cDonald’sangesiedelt.
Hinzukommt, dassdas in derRegion Chi-
cagoansässigeUnternehmenseineAnlei-
hen im amerikanischen Währungsraum
begibt.Dorthaben sichdurch die überra-
schende amerikanische Zinssenkung die
Bedingungengeändert. Das is tzuberück-
sichtigen,wenn man sichdie Verzinsun-
genvon drei Anleihetranchen aus dieser
Wocheansieht. DieKupons nehmen pro-
portional mit den Laufzeiten zu: Eine
fünfjährigeUnternehmensanleihe istmit
1,45 Prozentverzinst, eine zehnjährige
mit 2,125 Prozent und eine 29-jährigemit
3,625 Prozent.Das Urteil der Agenturen
Standard&Poor’sund Moody’s über den
Frikadellenbräterfällt identischaus. Es
liegt auf der obersten Stufeeiner durch-
schnittlichgutenAnlage. Daderamerika-
nische Leitzins um 0,5 Punkteauf 1bis
1,25 Prozentgesenkt wurde, dürften sich
wohl auchdie Anleihezinsen in Europa
und Amerikainden kommendenWo-
chen wiederetwa sangleichen. pik.

NEUEANLEIHEN


mann.FRANKFURT. In Europa wird
daswertvollste nichtbörsennotierteFin-
tech regelmäßigvonseinem Thronge-
stoßen –nur um ihn im nächsten Mo-
ment wieder zu besteigen. Nachdem in
der vergangenenWocheder britische
Zahlungsdienstleister Revolut durch
eine Finanzierungvon500 Millionen
Dollar und einer Bewertung vonrund
5,5 Milliarden Dollar zumwertvollsten
europäischenFintec haufstieg, könnte
ihn dieseWocheder schwedischeZah-
lungsdienstleisterKlarna wieder abge-
lösthaben. AntFinancial, eineTochter-
gesellschaftdes chinesischenTechnolo-
giegiganten Alibaba, hat eine Minder-
heitsbeteiligung an dem schwedischen
Unternehmenerworben.ÜberdieHöhe
der Beteiligung wurdenkeine Angaben
gemacht, dochhandelt es sichumeine
Beteiligungvonunter einem Prozent.In

der letztenFinanzierungsrunde imAu-
gust2019sammeltedasFinanz-Start-up
460 Millionen Dollar ein und wurde da-
mit zuletzt auf 5,5 Milliarden Dollar be-
wertet.
Fürden Chef des schwedischen Pay-
pal-Konkurrenten, Sebastian Siemiat-
kowski, stehe die Zusammenarbeit zwi-
schen Klarna und AlipayimMittel-
punkt.Dabei soll esvorallemumeine
strategischePartnerschaftgehen. So
könnenKundenvonAlibaba,dasalschi-
nesisches Amazonbezeichnetwird, aus-
suchen,wann und wie sie ihreRechnun-
genbegleichenwollen. DasKonzeptist
auchals „P ay Later“ bekannt.Klarna
zählt mehr als 200 000Partner-Online-
Shops, darunter auchAdidas,Nikeund
H&M. In Deutschland nutzen mehr als
30 Millionen Menschen die Dienste des
Fintechs.

kann. FRANKFURT. Das Münche-
ner Fintec hScalable Capitalhat eine
große Partnerbank für seine digitale
Vermögensverwaltung gewonnen.
Die mit 2,8 MillionenKunden größte
österreichischeBankengruppeRaiffei-
sen greiftüber eine sogenannte Whi-
te-Label-Lösung auf eine Plattform
der Münchener zurück. Das heißt,
dassdie automatisierte Anlagebera-
tung, die oftunter dem Schlagwort
Robo-Advisorgeführtwird,indasOn-
line-Banking vonRaiffeisen inte-
griertwird, ohne dassdie Kunden auf
extern umgeleitet werden. Auch bei
den regionalenRaiffeisenbanken soll
der Robo-Advisor fürKunden verfüg-
barsein. Das Programm stellt Kunden
automatischPortfolios aus börsenge-
handelten Indexfonds (ETF) und
FondsvonRaiffeisenCapitalManage-
ment,Keppler-Fonds und Blackrock
zusammen.Neben Raiffeisen basie-
rennachAngaben desUnternehmens
auchdie Lösungen zur digitalenVer-
mögensverwaltung der Targobank
und der OpenbankvonSantander auf
derPlattfor mvonScalableCapital.Be-
sondersstark gewachsen is tder Robo
Advisor durch einePartnerschaftmit
der ING.

Ein Dax für das guteGewissen


F.A.Z. MÜNCHEN.Die bayerischen
Sparkassen stellen sichnacheinem
erneuten Gewinnrückgang auf hefti-
gerenGegenwind ein. „Die betriebs-
wirtschaftlich schwierigstenZeiten
stehen uns noch bevor“, sagteder
bayerische Sparkassenpräsident Ul-
rich Netzer am MittwochinMün-
chen. DieAuswirkungen der Niedrig-
zinsenverschärftensich,weil gut ver-
zinste Altanlagen ausliefen.Zudem
seien die Möglichkeiten zurKosten-
senkungweitgehend ausgereizt.Es
gebe bereits ersteInstitute, bei denen
der Zinsüberschussden Verwaltungs-
aufwand nicht mehr decke.Die Spar-
kassen müssten gegensteuern, indem
sieihr enVertrieb an kurbelnundPrei-
se erhöhen. „DazugehörtinTeilen
auch, dasswir manche Altverträge
kündigen und fürgroße Einlagesum-
men Verwahrentgelteveranschla-
gen“, verteidigteNetzer dieStrafzin-
sen. Wegender niedrigen Zinsen
sank der Zinsüberschussder 64 baye-
rischen Sparkassen –die wichtigste
Einnahmequelle der Institute–2019
um 1,7 Prozent auf 3,2 Milliarden
Euro. Das Betriebsergebnis vorBe-
wertung schrumpfte um 3Prozent
auf 1,6 Milliarden Euro.

Scalablefindet


neuen Partner


Die Deutsche Börsehat


für i hren Leitindex eine


Nachhaltigkeitsvariante


aufges etzt.Wer darin


wie starkist,wirft aber


viele Fragen auf.


VonTim Kanning und


Antonia Mannweiler,


Frankfurt


Klarna imFintech-Himmel


Alibabaerwirbt Beteiligung amFinanzdienstleister
Zins für langeLaufzeiten

Sparkassen im


Gegenwind


Der neue Nachhaltigkeits-Dax
TopTen in der Gewichtung des Dax 50 ESG, in %
Bayer
Allianz
SAP
Linde
Siemens
BASF
Adidas
Deutsche Telekom
Muenchener Rück
Daimler

7,41
7,09
7,06
6,97
6,85
6,24
5,71
5,24
4,19
3,90

Stephan Flägelund Kristina Jerominvonder Deutschen Börse
präsentieren den neuenIndex

Quelle: Qontigo/Foto:Wonge Bergmann/F.A.Z.-Grafik Niebel

Internationale Neuemissionen


Emit tent ISIN

Betrag Zinsen
(%) Fälligkeit

Ausgabe-
kurs (%) Rating^1

Mindestanlage
WährungMio. in Tsd.
Hessen DE000A1RQDR4 Euro 500 0,000 03/25 102,2 –/– 1
Österreich AT0000A2CQD2 Euro 3768 0,000 02/30 101,1 Aa1/AA+ 1
Österreich AT0000A1K9F1 Euro 7314 1,500 02/47 99,9 Aa1/AA+ 1
Slowakei SK4120015173 Euro 1535 0,750 04/30 99,7 –/A+ –
Slowakei SK4120011420 Euro 2743 1,625 01/31 99,9 A2/A+ –
TreasuryCertificatesBE0312771430 Euro 4833 0,000 07/20 – –/– –
Bretagne FR0013493822 Euro 10 0,000 03/27 – –/– 100
CanadianPacificRail US13648TAA51 Dollar^500 2,050 03/30 99,8 Baa1/BBB+^2
TexasInstruments US882508BH65 Dollar 750 1,375 03/25 99,9 –/– 2
AEP US025537AP67 Dollar 400 3,250 03/50 99,8 –/BBB+ 2
AEP US025537AN10 Dollar 400 2,300 03/30 99,9 –/BBB+ 2
McDonald‘s US58013MFK53 Dollar 1750 3,625 09/49 98,1 Baa1/BBB+ 1
McDonald‘s US58013MFM10 Dollar 750 2,125 03/30 99,9 –/BBB+ 1
McDonald‘s US58013MFL37 Dollar 500 1,450 09/25 99,8 –/BBB+ 1
Electrolux XS2130781516 SEK 2750 STIB+0,6 03/22 100,5 –/A– 2000
1) Bewertung der Bonität durch die Agenturen Moody’s(links) undStandard&Poor’s (rechts).STIB =3-Monats-Stibor (Stockholmer Interbankenzins,
derzeit ca. 0,002 Prozent) Quelle: Bloomberg

BRIEFE AN DIE HERAUSGEBER


Zu „Wirklic hein Akt der Selbstbestim-
mung?“ vonDaniel Deckers (F.A.Z.
vom27. Februar): Als Mitglied der
„Kommission zurAuswertung der Er-
fahrungen mit demreformiertenPara-
graphen 218 desStrafgesetzbuches“, die
1980 ihrenAbschlussbericht der Bun-
desregierung vorlegte, erinnertmich
dieser Beitrag wie bei einem Déjà-vu an
die damaligen Argumentationen der
Gegner einerReform und einerVerbes-
serung unhaltbarerZustände.
Wenn –wie Dec kers sinngemäßfest-
stellt –mit demUrteil desBVGalle
SchrankenfürdenSchutzdesLebensge-
fallen seien, dann istdas nicht dem
BVGzuzuschreiben, sonderndem Para-
graphen 217 in seiner bisherigenFas-
sung, der jede assistierte Suizidhilfe
durch Ärzt epraktischunmöglichge-
macht hat und der deshalb zuRecht
nicht nur alsverfassungswidrig,, son-
dernals vonAnbeginn an nichtig einge-
stuftwurde. Deckers ignoriertindem
vonihm entworfenen Katastrophensze-

nario zugleichden aus demUrteil sich
ergebendenAuftrag an den Gesetzge-
ber,gesetzlicheRegelungenfestzulegen
(zum Beispiel Beratungspflichten und
Wartezeiten), die einen Schutz des Le-
bens ermöglichen, dies jedochunter
WürdigungvonArtikel 1des Grundge-
setzes.
Seine Argumentation wirftÄrzt eund
Sterbehilfe-Vereine alle in einenTopf
und lässt dabei dieNotvon Schwerst-
kranken (etwamit ALS) und (Pallia-
tiv-)Medizinerngänzlic haußerAcht,de-
nendurch dasGesetzletztlichjedeMög-
lichkeit genommen wurde, ihrenPatien-
teninunerträglichen Situationen die
Hilfeanzubieten, welche diese benöti-
genoder zu denen sie nachAusschöp-
fung aller anderen Möglichkeitenkeine
Alternativesehen. Auch der Verweis
auf die Niederlande und Belgien ist
falsch,weildor taktiveTötungundnicht
Hilfezum Suizid praktiziertwird.

PROFESSORDR.MED. KARL OETER,
HANNOVER

Zu „Wirklic hein Akt der Selbstbestim-
mung?“(F.A.Z.vom27. Februar): Der
LeitartikelvonDaniel Deckers drückt
ein großes Unbehagen über dieKarlsru-
her Entscheidung zurStrafbar keit von
geschäftsmäßigerSterbehilfeaus. Diese
Auffassung mag man teilen oder auch
nicht. Die Begründung hingegen offen-
barteinvölligesundärgerlichesMissver-
ständnisvonder Bedeutung undFunkti-
on unsererVerfassung undVerfassungs-
gerichtsbarkeit.Die Formulierung
„Richterrech ttritt an dieStelle der Le-
gislative“ istfür sic hschon entlarvend
genug. EshandeltsichnichtumRichter-
rech t(also eineStrukturierung des
Rechtsrahmens für Sachverhalte, in de-
nen kein Gesetz anwendbar ist), son-
dernumAuslegung der Verfassung.
Unddas is tgenau die Aufgabe des Ge-

richts: Der Bundestagbeschließt Geset-
ze und das Bundesverfassungsgericht
überprüftsie auf dieVereinbarkeit mit
dem Grundgesetz.
Das Gerichtkann und muss–wenn
es denn angerufen wird, also nicht aus
eigener Machtvollkommenheit–auch
parlamentarischeGesetzeaufihreÜber-
einstimmung mit dem Grundgesetzprü-
fen. Undbei dieser inhaltlichenÜber-
prüfung darfesd em Gerichtgarnicht
darauf ankommen, ob und inwelcher
Weise sic hdie Abgeordne tendes Bun-
destages um die Entscheidung bemüht
haben. Denn das Gericht hat allein an-
hand desVerfassungsrechts zu urteilen
und nicht nach–in der Praxis ohnehin
nur schwerfeststellbaren–Motiven der
einzelnenAbgeordneten.

DR.DOMINIKGREINACHER, BERLIN

Zu „Gauck:Toleranz für AfD-Wähler“
(F.A.Z.vom2.März): Der frühereBun-
despräsident Joachim Gauckwirdwe-
genseiner Äußerung, dassnicht alle
Wähler der AfDFaschis tenseien, vor-
aussichtlichheftigkritisiertwerden.Vor
fast 25 Jahren hat sichAltbundespräsi-
dent Richardvon WeizsäckerimFall ei-
ner anderenPartei geäußert:„Wenn je-
mand der Meinung ist, dasseine der zu
unserenWahlen zugelassenenParteien

nicht demokratisch sei, dann mögeer
zum Verfassungsgerichtgehen und das
Undemokratische dieserPartei dor tein-
klagen. Dieses aber zu unterlassen, da-
füraufderanderenSeiteineinemWahl-
kampfdavon zu profitieren, dassman
eineParteipauschalalsundemokratisch
bezeichnet, halteich für keinen saube-
renWeg.“ („DieZeit“ vom10. Novem-
ber 1995)

MAXSTEINACHER, TÜBINGEN

Zu Ihren Artikeln „Deutsche und Com-
merzbank haben einen Lauf“ und
„HSBC baut bis zu 35 000Stellen ab“ in
derF.A.Z vom19. Februar :Unsereklas-
sische nBanken bleiben unter massi-
vemDruck.Daist es richtig, dassambi-
tionierteRestrukturierungsprogramme
aufgelegt wurden und Altlastenendlich
beseitigtwerden. Dochdas allesreicht
nicht .Zwarwerd en dieZahlenkur zfris-
tig aufgehübscht,wasdie Börsianer in
der Vor-Corona-Zeit erfreut hat, aber
wetter fest werden die Institute dadurch
nicht .Ihr eigentliches Problem ist, dass
ihreüberkommenen Geschäftsmodelle
schonlängernichtmehrgreifen im Zeit-
alter der Digitalisierung und derNull-

Zinsen. Deshalb haben die Großban-
kenheuteinersterLinieeinErtragspro-
blem;erst in zweiter Liniehabensie ein
Kostenproblem. Letzteresgehen sie an.
Den Schlüssel zur Lösung des Er-
tragsproblemshabensiebishernichtge-
funden.Wiefür andereBranchen gilt
auchfür unsereBanken, dasssie sich
neu erfinden müssen, bevorandereih-
nen dasWasser abg raben. Sewing, Ziel-
ke &Co. sollten sichanden legendären
Spruc hvon Bill Gates aus den neunzi-
gerJahrenerinnern: „Weneed ban-
king, notbanks.“Der Mann hat(lei-
der?) recht!

DR.ROBERTFIETEN,KÖLN

Notder Schwerkranken beachten


Seit meinem neunten Lebensjahr,also
seit fast 50 Jahren, bin ichein Anhän-
gerdesFCBayernMünchen.MeineLei-
denschaftfür denFußballsporthat in
den vergangenen Jahrengenerell nach-
gelassen, zumal ichden Eindruckhabe,
dassmanche Fußb allmillionäreihre
Zeit lieber imTattoo-Studio und in der
Styling-LoungestattaufdemTrainings-
platz verbringen. Den meistenStadion-
besuchernscheint die dargebotene
Showjedenfalls zugefallen. Der Profi-
Fußballist in denvergangenen Jahren
zueinemechte nFreizeit-Happeningge-
worden. Ic hräume ein, dassich den aus
meinerSichtehrlicherenFußball–Profi-
sportfrüherer Jahrevermisse.
Der geballteHasssogenannterFans
undsogenannterFußballromantikerge-
genDietmar Hopp hinterlässt michje-
dochvöllig ratlos. Washat dieser Mann

diesen sogenanntenFans getan? Diet-
mar Hopp hat in HoffenheimFußb all
gespielt, danachein Milliarden-Vermö-
gengemachtund Teile dieses Geldes in
seinenVerein in vestiert.
„Nebenbei“ hat erTausenden Men-
schen in seinemUnternehmen einen
Arbeitsplatzverschafft.Zusätzlichun-
terstützt der Mann mit seinerStiftung
undseinen Aktivitäten andereSportver-
eine. AußerdemförderterauchKultur,
Forschung, Wissenschaftund engagiert
sichfür den Klimaschutz.
Hopp arbeitet nachhaltig im Gegen-
satz zu manch windigem Investor im
MilliardengeschäftFußball. Dietmar
Hopp hat keine Drohungenverdient,
sondernvielmehrRespekt und Aner-
kennung für sein Lebenswerk.

ALFRED KASTNER, WEIDEN

ZurCovid-19-Pandemie:Nachdem Ver-
such, Händedesinfektionsmittel für den
persönlichen GebrauchineinerMünch-
ner Apothekezuerhalten:Wenn in
Deutschland „Engpässe bei der Bereit-
stellung“ (ein schöner Euphemismus,
der an die sozialistischeVergangenheit
erinnert) bei derVersorgung mit einem
breiten SpektrumvonMedikamenten
auftr eten, kann man das nochals repa-
rablen Fehler der Marktwirtschaft
durchgehen lassen. Dennochfehlt hier
eine aufsichtsführende undregulieren-
de Behörde. Seuchenschutz allerdings
gehörtzur Daseinsvorsorge und is tvor-
nehmstestaatlicheAufgabe.Diederzei-

tigePandemiekann bisaufweiteres nur
durch UnterbrechungvonInfektk etten
beherrschtwerden.Wenn zum jetzigen
Zeitpunktund vordiesem Hintergrund
die Versorgung mit Desinfektionsmit-
teln nichtgesicher tist,darfvon Staats-
versagen gesprochenwerden,einVersa-
gen,fürdas ein zuständigerMinisterge-
radezustehen hätte.
Es is tallerdings üblichgeworden,Ver-
sagen im Amt mit Karrieresprüngen
wie derPosition derVorsitzenden der
EU-Kommission oder der Anwartschaft
auf dieKanzlerschaftzuhonorieren.

DR.FRIEDRICH-WILHELMTILLER, MÜNCHEN

Kein saubererWeg


DieAufgabe des Gerichts


Freizeit-Happening-Fußball


Welche Zukunft haben die Banken?


Staatsversagen

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