National Geographic Germany - 03.2020

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griffen an. Im nächsten Augenblick drängten


weitere Bienen hinzu und rangen die Hornisse


zu Boden.


Im Inneren dieser Kugel aus Bienen spielte

sich dann etwas ab, was noch bizarrer wirkt.


Honigbienen können ihre Flugmuskulatur so


schnell aktivieren, dass ihre Brust, der Thorax,


geringe Wärmemengen abgibt. Lassen ein Dut­


zend oder mehr Bienen ihre Muskeln zur selben


Zeit spielen, steigt die Umgebungstemperatur


merklich an. Die Hornissen wurden von den


Bienen bei lebendigem Leib gekocht.


Die Hitzefalle ist eine wirksame Waffe, sie

kann aber auch nach hinten losgehen. Manch­


mal sterben mit der Hornisse auch die Bienen,


die sich im Inneren des Haufens befinden. Sie


opfern sich für die Verteidigung der Kolonie.


Der Kampf mit den Hornissen ist nur ein

kleiner Ausschnitt aus dem Verhaltensreper­


toire der Honigbienen, das Arndt in den letzten


zwei Jahren mit neuen Details bereichert hat.


Schon seit über 30 Jahren fotografiert er Tiere,


ein Insektenexperte ist er aber nicht. Deshalb


hat sich Arndt für das Bienenprojekt mit Jür­


gen Tautz zusammengetan. Der Biologe von


der Würzburger Julius­Maximilians­Universität


beschäftigte sich 25 Jahre lang mit


Honigbienen und ist vor Kurzem in


den Ruhestand gegangen.


Das Verhalten der Bienen gegen­

über Hornissen wurde schon bei


verwandten Arten in Asien doku­


mentiert. Imker in Israel und


Ägypten konnten es auch bei der


europäischen Honigbiene beob­


achten. Aber noch nie hatte jemand


das Duell zwischen den Insekten so


im Bild festgehalten wie Arndt. „Es


ist das beste Foto, das ich jemals


gesehen habe“, sagt Thomas D.


Seeley, Professor an der Columbia


University. Er studiert seit einem


halben Jahrhundert Verhalten und


Sozialbeziehungen von Honigbienen. Nach den


ersten Kämpfen beobachtete Arndt täglich um


die zehnmal, wie Hornissen und Bienen sich


bekriegten. Ist ein Bienenvolk schwach, kön­


nen Hornissen es auslöschen. In seinem Garten


geht der Kampf einstweilen als eine Art Zermür­


bungskampf weiter.


BIENEN FASZINIEREN Ingo Arndt, seitdem er die


Tiere gemeinsam mit Wissenschaftlern in freier


Wildbahn studiert hat. Dabei wurde ihm klar,
dass er die wahren Geheimnisse der Insekten
nicht würde lüften können, wenn er sie in einer
Kiste beobachtete, die von Menschen zur Honig­
gewinnung gebaut wurde. Er wollte ein natür­
liches Nest fotografieren. 2018 kletterte er daher
im Imkerschutzanzug im Wald 20 Meter hoch in
die Baumkronen. Dort errichten Bienen in der
Natur gern ihre Nester. Aber „das Spannendste
spielt sich im Inneren des Baumes ab“, sagt der
Fotograf.
Im Februar 2019 erhielt Arndt von den Forst­
behörden die Genehmigung, sich aus einem
nahe gelegenen Wald eine umgestürzte Buche
zu holen, in deren Stamm sich die verlassene
Höhle eines Spechts befand, eine von Honig­
bienen geschätzte Behausung. Er sägte ein
100 Kilo schweres Stück aus dem Stamm heraus
und ließ es in seinen Garten transportieren.
Aus Sperrholz baute er an das Stück einen
Tarnkasten an, komplett mit Beleuchtung und
einem winzigen Fenster. Von dort aus hatte er
mit seinem Makroobjektiv einen ungehinderten
Blick in die Höhle. Aus einem Honigbienenvolk
in der Nähe entnahm er die Königin und setzte
sie in die Spechthöhle. Jetzt musste er nur noch
in seinem Versteck warten, den
Finger am Auslöser.
Schon kurz darauf tauchten erste
Kundschafterinnen aus dem Volk
der Königin am Eingang der Nist­
höhle auf. Immer mehr Bienen
landeten, bis Tausende der wilden,
gesellschaftsbildenden Insekten
um den Baumstamm summten.
Bald war das ganze Bienenvolk in
die Spechthöhle umgezogen. Im
Lauf eines halben Jahres schuf
Ingo Arndt in Hunderten Stunden
ein Porträt wilder Honigbienen, wie
man es noch nie gesehen hat.
War es draußen warm, konnte
er zusehen, wie die Bienen immer
wieder Ausflüge zu einer in der Nähe aufge­
stellten Wasserstelle unternahmen. Mit ihrer
Zunge, die einem Strohhalm ähnelt, saugten sie
die Flüssigkeit ein und flogen zum Nest zurück.
Drinnen gaben sie das Wasser an eine andere
Bienengruppe weiter, deren Aufgabe es ist, die
Flüssigkeit über den Waben zu verteilen, wo
sie verdunstet und so eine kühlende Wirkung
entfaltet. Der Vorgang beschleunigt sich, wenn
andere Bienen mit den Flügeln schlagen, um

85 %


der landwirtschaft-
lichen Erträge im
Pflanzen- und Obst-
bau in Deutschland
hängen von
der Bestäubungs-
leistung der Honig-
biene ab – so der
Deutsche Imkerbund.

78 NATIONAL GEOGRAPHIC

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