Frankfurter Allgemeine Zeitung - 03.03.2020

(Michael S) #1

W


ährend das Geld der EU für den
Flüchtlingspakt mit derTürkei
ausläuft, treiben dieKämpfe in
der syrischen Provinz Idlib abermals Hun-
derttausendeindie Flucht Richtung Mit-
teleuropa. Die EU mussschnell ein umfas-
sendes und wirksames neuesAbkommen
mit derTürkei schließen, will sie nicht die
nächstegroße Fluchtbewegung Richtung
Europariskieren. Deutschland hat allen
Grund, ein Abkommen voranzutreiben
und dafür auchGeld in die Hand zu neh-
men.
Schon jetzt schultertdie Türkei durch
die wachsende Zahl syrischer Kriegs-
flüchtlingeeine große Last: 4,1 Millionen
Flüchtlingeaus demNahen Ostenleben
im Land, darunter 3,7 Millionen aus Sy-
rien. In der Provinz Idlib treiben Bombar-
dements der syrischen Armee und derrus-
sischenLuftwaffegerade mehr als eine
halbe Million Menschen Richtung der für
sie geschlossenen Grenze zurTürkei. Die-
se Situation istdauerhaftnicht haltbar.
Nicht nur diese Menschenwerden jahre-
lang Hilfebenötigen.Auch die Versor-
gung, Unte rbringung und öffentliche
Dienstleistungen für jetzt schon in derTür-
keilebende Flüchtlingeverursachenwei-
terhohe Kosten. Nach eigenen Angaben
gibt dieTürkei etwa 3000 Europro Jahr
und Person aus. Das istzwardeutlichweni-
gerals in Deutschland,wo für dieVersor-


gung eines Flüchtlings nachSchätzungen
imDurchschnittmindestens 10000 Euro
anfallen.Aber aufgrund derZahl geflüch-
teterMenschen im Land summieren sich
die Kosten für dieTürkei auf mehr als 10
Milliarden Europro Jahr.
Dank des EU-Türkei-Übereinkom-
mensvomMärz2016 habendie EU-Mit-

gliederdie Türkei vie rJahrelangmit ins-
gesamt6Milliarden Eurounter stützt,da-
mitsie syrische Kriegsflüchtlingeauf-
nimmtund versorgt .DieseMittel laufen
jetzt aus.ImGegenzughat dieTürkei
weitgehend unterbunden, dassFlüchtlin-
genirregulär nachGriechenland undwei-
ternachMittel- undNordeuropawan-
dern.Damithat si ewesentlich dazubei-
getragen, dass seit 2016 vielweniger irre-
gulärZuwanderndedie EU erreiche nals
2015 .Dochschon imvergangenen Jahr
hatsich dieZahl derer,die über dieÄgäis
nach Griec henlandflüchten, im Ver-
gleichzu2018und 2017etwaverdoppelt.
Nicht alle Elementedes EU-Türkei-

Übereinkommens haben gut funktioniert.
So klappte die Rückkehr abgelehnter Asyl-
suchendervonden griechischen Inseln in
die Türkei oder dieUmsiedlung besonders
schutzbedürftiger Flüchtlingeaus derTür-
keidirekt in die EU nicht.Vonder im Ab-
kommen in Aussicht gestelltenVisumfrei-
heit für türkischeStaatsangehörigeinder
EU und schnelleren EU-Beitrittsverhand-
lungen istdie EUwegender politischen
Entwicklungen in derTürkei abgerückt.
Die Basisfür dieseZuges tändnisse erodier-
te durch zunehmende Menschenre chtsver-
letz ungen in derTürkei seit demfehlge-
schlagenen Staatsstreich2016, durch Mili-
täreinsätze inkurdischen Gebieten in der
Türkei und in Syrien und problematische
außenpolitische Initiativenwie dasTürkei-
engagement in Libyen.
Dennochsollten die EU und insbeson-
dereDeutschland dieTürkei bei der Auf-
nahme undVersorgung der Flüchtlinge
nicht alleinlassen. DieTürkei istnun welt-
weit das Land mit den meisten Flüchtlin-
gen. Auch wenn derAufenthalt der Flücht-
lingeoffiziell befristetist,sind in der Pra-
xis vielevonihnen sozial und wirtschaft-
lichinteg riert. Nurwenigeleben in La-
gern,die meisten Kinder besuchenstaatli-
cheSchulen, alleregistrierten Flüchtlinge
haben (von der EU bezuschusst)Zugang
zum staatlichen Gesundheitsdienst.Fir-
men mit syrischen Eigentümernbeschäfti-

genviele Flüchtlingeund Einheimische;
immermehr erhaltenArbeitsgenehmigun-
gen. Es istdaher nicht nur im Sinne einer
fairen Verantwortungsteilung für den
SchutzvonFlüchtlingen,sondernauch
zum eigenenNutzen der EU,wenn sie als
reiche Nachbarregion dieTürkei nachhal-
tig in dieser speziellen Lagefinanziell un-
terstützt.
Schon aus ökonomischen Gründen ist
es sinnvoll, die Aufnahme und Integration
vonFlüchtlingen aus demNahen Osten in
derTürkeizufinanzieren und nicht in Mit-
teleuropa,wo die Kosten um ein Mehrfa-
ches höher liegen. Selbstwenn Deutsch-
land allein jährlicheinen nennenswerten
einstelligen Milliardenbetrag zahlte, da-
mit viele Flüchtlingeinder Türkei inWür-
de lebenkönnen,wäre das viel billiger,als
(ver gleichsweise)wenigeFlüchtlingein
Deutschland aufzunehmen. Hier sind die
Kosten pr oKopf mindestens dreimal so
hoch.Bei einer neuen ungesteuertenWan-
derungsbewegungwäre Deutschland ein
wichtiges Zielland. Deutschland sollteda-
her auf einÜbereinkommen mit derTür-
keihinwir kenund sichfinanziell umfas-
send beteiligen.
Andersals 2016kann die EU heutekei-
ne besseren bilateralen Beziehungen
mehr inAussicht stellen,etwa durch eine
Visaliberalisierung.Fürdie Türkei geht es
jetzt vorallem um einen angemessenen,
höheren Beitrag der EU zu denKosten der

Aufnahme, Versorgung und Integration
vonFlüchtlingen. BeiKosten vonjährlich
mehr als 10 Milliarden Euroreichen die in
der Vergangenheitveranschlagten 1,5 Mil-
liarden Eurovon der EU nicht aus.
Wegender LageinS yriengeht es jetzt
auchdarum, den Aufenthal tder Flüchtlin-
ge in derTürkeirechtlichdauerhaftabzusi-
chern, durch gesellschaftliche und wirt-
schaftliche Integrationein Leben inWür-
de zu ermöglichen undForderungen entge-
genzutreten, die Flüchtlingezueiner Rück-
kehr nachSyrien zu zwingen, ohne dass
sie dortschon sicher lebenkönnen.Nur
mit einemwesentlichgrößerenfinanziel-
len Engagementkann die EU die notwen-
digeGlaubwürdigkeitgewinnen, um mit
der Türkei partnerschaftlichentsprechen-
de Rahmenbedingungen auszuhandeln.
Die Türkei musseine längerfristigePer-
spektivefür dieUnte rstützung der Flücht-
lingegewinnen.
Angesichts der zugespitzten LageinId-
lib istesdringend Zeit zu handeln.
Deutschland solltedas Thema auf EU-
Ebenevorantreiben und zurNotinVorla-
ge gehen. Wirtschaftlichund humanitär
istdie Unterstützung derTürkei die beste
Option, die es derzeit gibt.

Gabriel FelbermayristPräsident des Instituts
für Weltwirtschaft(IfW) in Kiel.
Matthias LückeistleitenderWissenschaftler
am IfW.

Deutschland sollte ein neues Türkei-Abkommen offensivvorantreiben


VonGabrielFelbermayr und MatthiasLücke

E


rist Jahrgang 41 und damit
der älteste Kandidat im
amerikanischen Präsident-
schaftsrennen. Er hat einen
Herzinfarkt und knappdrei-
ßig Jahreals politischer Au-
ßenseit er im Kongress hinter sich.Under
istnicht einmal Mitglied der Demokrati-
schenPartei, abgesehenvonden Phasen,
in de nenervon de renParteibasis zum Prä-
sidentschaftskandidat erkorenwerden
möchte. Ausgerechnetdieser Mann, Ber-
nie Sanders, hat aktuelldie bes tenKarten
im demokratischenFeld. Sein gutesAb-
schneiden in den ersten Vorwahlenver-
dankt er imstarkenMaße derUnte rstüt-
zung junger Amerikaner.
Der störrische Sozialistund Amerikas
jungeLeutebilden eine stabile,wenn-
gleichrätselhafte Koalition, die nun schon
mehr als vier Jahrehält.Sandershat in
Iowa und NewHampshirerund die Hälfte
der Stimmen der unter 30-jährigengewon-
nen, inNevada sogar nochmehr.
Bernie Sandershat sic hpolitischinden
vergangenen dreißig Jahren nichtgroß ver-
ändert. Er warimmergegenFreihandel,
nenntgroße Firmen gerneMonopole, die
im Zweifel zerschlagen oderverstaatlicht
gehören. Die Energieversorgerund der Ge-
sundheitssektorstehenauf seinerNationa-
lisierungsliste,Banken und Internetriesen
müssen mit ihrerZerschlagung rechnen,
sollteSandersseinenWillen bekommen.
Gewonnen hat er allerdings an Ge-
schmeidigkeit: Seine eindeutig kritische
Haltung zur Einwanderungstellt er nicht
in denVordergrund, Solidaritätsadressen
an sozialistische Diktaturen unterbleiben
inzwischen, die Rhetorikist sogar nochzu-
packender,disziplinierter und passionier-
tergeworden.Konzerne und Milliardäre
sind die Gegner.
Überras chthat Sandersseine Gegner
überdies mit seinen Management-Fähig-
keiten: Er hat ohne Großspenden eine
Wahlkampfmaschine an den Startge-
schickt, dieextrem wettbewerbsfähig ist.
Sie bringt jungeUnter stützer und Geld in
einemAusmaß,vondem etablierte Geg-
ner wie Joe Biden nur träumenkönnen.
Wenn Bernie, wie ervonallen genannt
wird, plötzlichvor allem für jungeLeute
wählbar wird, dann liegt dasweniger an
seinen Anpassungsbemühungen, sondern


an einerStimmungslage, die sichauf ihn
zubewegt hat.
Denkfabriken undKommentatoren prü-
fenaktuell drei Thesen, die die Liebesbe-
ziehung des, mitVerlaub, alten Knochens
mit der jungen Basis erklären sollen. San-
ders’Attraktivitätliegeins einemVerspre-
chen, viele Bereiche unentgeltlich zu ma-
chen wieetwa die Bildung. DieJungenfän-
den ihn gut,weil siekeine Berührungs-
ängste mit dem Sozialismus hätten.Und
schließlich, These drei, Bernie Sanders
verdankedie Sympathie der Jungen deren
politischerNaivität :Sie ahnten nicht, dass
ein Präsident Sandersnochnicht einmal
einen kleinen Bruchteil seinerVerspre-
chen haltenkönnte. Jede dieserThesen
hatetwas für sich, do ch Gespräche mit jun-
genAmerikanernlassen ahnen, dassdie
Angelegenheitkomplizierter ist.

Kostenlose Bildung lautet
dasVersprechen an die Jugend
Die Umsonst-Versprechen sind vermut-
lichein Faktor .Die größteAusgabenpositi-
on vieler junger Amerikaner und ihreEl-
tern sind dieKosten für die Hochschule.
Gebühren einschließlichKostund Logis
sind inflationsbereinigtvon2007 bis 2017
zwischen 24 Prozent (privateNon-Profit-
Schulen) und 31 Prozent (öffentliche
Hochschulen)gestiegen, berichtet das Na-
tional CenterforEducation Statistics. In
diese Phasefielen Finanzkrise und Große
Depression, die viele jungeAmerikaner
durch zusätzlicheAusbildung zu überbrü-
cken versuchten. Die Studentenzahlen
machten einen Satz nachoben. Die Große

Depressionwaraber auchUrsache für die
Gebührenerhöhungen.Vorallem diestaat-
lichen Colleges setzten die Gebühren
hoch,weil krisengebeutelte Bundesstaa-
tenihreZuschüsse zusammenstrichen, be-
richtetWilliam Galstonvonder Denkfa-
brik Brookings. DieStudenten häuften so
hohe Schulden an wie selten zuvor,zu-
gleichstießen sie auf einenweniger auf-
nahmefähigen Arbeitsmarkt.Viele junge
Leutefühlen sichschlicht betrogen.
Selbstzehn Jahrespäter istdas Gefühl
nochda, wie das Beispiel der 27 Jahreal-
tenCarli Gritton nahelegt.Sie is tinOhio
in einem Vorort vonCincinnati aufge-
wachsen in einer eherkonservativen, reli-
giösenFamilie. Als sie sichentschloss, auf
ihr College-Studiumeinen Masterstudien-
gang draufzusetzen, sei ihreFamilie ziem-
lichnervösgeworden, sagt Carli: „Die
Schulden haben mir eine Mengegute Sa-
chen ermöglicht, aber aucheine MengeÄr-
ger, den ichnicht erwartet hatte.“ Sie hat-
te die, wie sie selbstsagt, naiveVorstel-
lung, der MasterabschlussinInternationa-
ler Entwicklung würde ihrTürenzuKar-
rieren öffnen, die ihr mitgewöhnlichem
Collegeabschlussverschlossengeblieben
waren. So istesnicht gekommen. Sie arbei-
tetfreiberuflich, bekommt Beratungsauf-
träge. Dochihr besterVertrag mit einem
Start-up-Unternehmen lief zu Beginn des
Jahres. Sie hat Bewerbungsgespräche,
könnteauchsofor tanfangen, doch mit
den regelmäßig angebotenen 40000 Dol-
lar Jahresgehaltkann man im Großraum
Washington schwer zurechtkommen,wo
Zwei-Zimmer-Apartments im Mittel mo-
natlichknapp 3000 Dollarkosten. An den

Abbau der knapp 100000 Dollar Studien-
kredit istgar nicht zu denken. „Ich arbeite
seit meinem Studium, und ichhattenoch
keinen Monat, in dem ichzuversichtlich
war, meineRechnungen zahlen zukön-
nen.“ Der Grund,warumsie unbedingt
ein Masterstudium ablegenwollte, wird
durch ihreFamiliengeschichteverständ-
lich. IhrVaterhattenacheinem Jahr das
Collegeabgebrochenwegeneines gut be-
zahlten Jobs, dochspäterverlor er ihn,
wechseltehäufig undfand bis heutekeine
Stelle, die ihmgefällt.Carli dachte, mit ei-
nem Masterstudium bliebe ihr das Schick-
sal ihresVaters erspart.
WietypischCarlis stockende Karriere
ist, is tschwerzusagen. Dochdassder Ar-
beitsmarkt für Graduierte härtergewor-
den ist, bestätigt eine Analyseder Zentral-
bank vonNew York.Demzufolgesind de-
renmittlere Einkommen seit 2015gesun-
ken, und die untereHälfte derUni-Absol-
venten verdient 10 Prozentweniger als die
Alterskohortevonvor 30 Jahren.Wählt
man deshalb Bernie Sanders? Carli macht
das nicht, aber sie wünscht durchgreifen-
den Wandel und ökonomischeStabilität
für sich. Chandler Stacy dagegen wirdvor-
aussichtlichBernie Sanderswählengenau
wie seineFreundin MollyWigglesworth.
Beidestudieren an der renommiertenPri-
vatuniversität Carnegie Mellon.Sie sind
keine naivenFans, siewägenab. Bernie
istzumindestnicht Mollys ersteWahl, sie
findeteigentlich LizWarren besser.Beide
glauben aber,Sandershat die beste Chan-
cen, viele Neuwähler an dieUrnen zu brin-
gen–die zentraleVoraussetzung, um Do-
nald Trump zu schlagen. Chandlerkommt

aus West-Virgina, seinVaterwar Lastwa-
genfahrer,Bergmann und hat jetztver-
schiedene Jobs. Er will im Anschlussan
das Außenpolitik-Studium Jurastudieren
und danachzurücknachWestVirgina, um
in diePolitik zugehen. Er wirdnacheige-
nen Angaben leidenschaftlich,wenn es
um diewachsendeUngleichheit in Ameri-
ka geht.Die Reichen würdenreicher ,viele
Arme würden ärmer.Das is tSanders’
Song.

Der amerikanischeTraum
istfür die Jungen ausgeträumt

Mollybericht et,dasssie zusammen mit ih-
renKommilitoninnenWitze über ihreBe-
rufsaussichten macht.Sie verdeckendie
Angst, angemessene anständig bezahlte
Stellen zufinden, die ihnen helfen, ihre
Studiendarlehen abzutragen. Der amerika-
nischeTraum, ein eigenes Haus, ein paar
Kinder undgelegentlichein Urlaub istfür
diese jungen Leutenicht auf derAgenda.
„Ichkenne niemanden, der das in seinem
Zehnjahresplan hat“, sagt Molly.
Bernie Sandersspielt nochetwas ande-
resind ie Hände: Sozialismus hat im Land
des großen MarktwirtschaftlersMilton
Friedman, derKapitalismusideologinAyn
Rand und desKommunistenhetzersJoe
McCarthyseinen Schreckenverloren. Um-
fragen bestätigen das eindringlichfür jün-
gere Leute. Gallup fand im Sommer 2018
unter jungen Leuten heraus, dassSozialis-
mus,wasimmer sichdahinterverbirgt,
leicht positiverbesetztwarals Kapitalis-
mus. ChandlerStacy bestätigt das. Junge
Leuteseine nicht mit der „roten Gefahr“

aufgewachsen, die dieKalter-Krieg-Gene-
rationgeprägt habe. Esgeht aber auchum
die Alternative: JungeLeutescheint das
Gefühl zu beschleichen, dassder Kapitalis-
mus sotoll nichtwar. Die Finanzkrise mit
der abschließenden Staatsrettung von
Großbanken, während Millionen Men-
schen Arbeit und Hausverloren,geschah
für viele in prägenden Jahren. Dazu
kommt die Gewissheit, wenigerWohl-
stand als frühereGenerationen abzube-
kommen.
TatsächlichklaffendaechteLücken:
Als die Babyboomer 1990 um die 35 Jahre
alt wurden,vereinten sie 20 Prozent des
nationalen Reichtums der Vereinigten
Staaten auf sich. Als die Generation X
(Jahrgängevon 1965 bis 1980) 2008 im
Mittel 35 Jahrewurden,verfügten sie über
gerade 9Prozent, die Millennialswerden,
wenn sie 2023 im Mittel 35werden, über
rund 4bis 5Prozent verfügen. DieRech-
nung stammtvondem Ökonomen Gray
Kimbrough, der sichauf Daten derFede-
ral Reserve bezieht.Die Vermögenskluft
zwischen den Generationen wirdnur et-
waskleiner,wenn man sie jeKopf berech-
net. Bei den Babyboomernwirdder Wohl-
stand auf mehrKöpfeverteilt.
Die Abgründe ahnt man auch,wenn
man auf andereKennzahlen guckt.Heute
leben 40 Prozent der 25-jährigen Männer
bei ihren Eltern,von40Jahrenwarenes
nur 20 Prozent.Die Millennials kaufen
später Häuser,heiraten später,wenn über-
haupt, und bekommen später Kinder und
werden ihreSchulden später los.Viel-
leicht allerdings sind sie auchein bisschen
verwöhnt.KyleMiller aus Ohio ist28, hat
beim Militärstudiert, hatkeine Studien-
schulden und einen gutbezahlten Job als
selbständigerAnalyst, in derRegelfürsMi-
litär .Sogeht es auch. Er bezeichnetsich
als libertär, Sanderskann auf seine Stim-
me nicht bauen. Allerdingsfindetaucher,
dassseiner Generation leereVersprechun-
gengemacht wurden, als sie beispielswei-
se teureStudiengängeantraten.
Die ökonomischen und politischen Im-
plikationen dieser Entwicklungen sind
nicht ganz klar.Wer aberweniger Vermö-
genhat, tendiertdazu, Angstvor hohen
Ausgaben zu haben undPolitiker gut zu
finden, diestaatlicheAbhilfeversprechen.
Aufdiese Disziplinversteht sichBernie
Sandersbesondersgut.

STANDPUNKT


Der Kandidat der Jungen

Die Jugendstärkt ihm denRücken:Bernie Sanderswährend einerWahlkampfrede in SouthCarolina FotoReuters


WIESBADEN (dpa-AFX). Jeder vier-
te BundesbürgerwirdnacheinerVor-
ausberechnung in 20 Jahren allein
wohnen. DieZahl der Einpersonen-
haushaltewerde von17,3 Millionen
im Jahr2018 auf 19,3 Millionenim
Jahr2040 steigen,teilt edas Statisti-
sche BundesamtinWiesbadenam
Montag mit.Damitwerden 24 Pro-
zent allerinPrivathaushalten leben-
den Menschen alleinwohnen. 2018
warenes21Prozent –damit lebte
rund jederFünfte allein. Im Schnitt
zähltejederHaushalt 1991 2,3 Men-
schen,vor 2Jahrenwarenes2,0. Bis
2040werde derWert voraussichtlich
1,9 Personenbetragen .Der Trend,
dass immerwenigerMens chen zu-
sammenlebten, habe sich zwar abge-
schwächt,daesmehr Eheschließun-
genund Geburtengegeben habeso-
wie Familien zugewandertseien. So
habesichder Anteil größerer Haus-
halte stabilisiert. DieZahl der Mehr-
personenhaushaltenehmeaber
schon allein deshalbtendenziellwei-
terab, weil die Bevölkerungälter
werde, erklärtedas Bundesamt.
Diestärkste Zunahme bei derZahl
der Haushalteerwarte tdas Bundes-
amt in Baden-Württemberg undBay-
ern. DenstärkstenRückganginSach-
sen-Anhaltund Thüringen. Grund
seien regionale Unte rschiede wie
etwa die erwarteteZu- oderAbnah-
me der Bevölkerung.

Immer mehr


Alleinlebende


Ein alter,etwas störrischer Sozialistist im amerikanischenWahlkampf der Liebling


jüngererWähler.Warum istBernie Sandersfür sie so attraktiv?


VonWinandvonPetersdorff,Washington


Schon aus ökonomischen
Gründen istessinnvoll, die
AufnahmevonFlüchtlingen
in derTürkei zu finanzieren.

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Wirtschaft DIENSTAG, 3.MÄRZ 2020·NR.53·SEITE 19

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