Frankfurter Allgemeine Zeitung - 03.03.2020

(Michael S) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Finanzen DIENSTAG, 3.MÄRZ 2020·NR.53·SEITE 29


sibi. FRANKFURT. DieHeizkostenin
dieser Heizsaisonkönntendurch die mil-
deWitte rung niedrigerausfallen als im
Vorjahr –schließlichwar vorallemder
Februar ungewöhnlichwarm. Nach Be-
rechnungendes InternetportalsVeriv ox
sank der Heizbedarf in Deutschland im
Vergleich zurvorigenHeizperiode um
4,4 Prozent. Sowohl Verbrauchermit ei-
ner Ölheizung alsauchsolche mit einer
Gasheizunghätten bei denHeizkosten
im Vergleichzum Vorjahr profitiert,
schreibtVerivoxineinerAuswertung.
Gaskunden hätten 1,9 Prozentweniger
gezahlt, Ölkunden sogar 13,1 Prozentim
Vergleich zurVorjahresperiode.
Der Grund fürdiese Schere zwischen
den beidenTypen vonHeizung: Die Heiz-
ölpreise seienimVergleichder beiden
Heizperioden um 10,6 Prozentgesunken,
die Gaspreise leicht um 2,7 Prozentge-
stiegen.„TrotzdemkommenGaskunden
insgesamt sogar günstiger wegals Öl kun-
den“,berichtet Verivox. Ein Musterhaus-
halt mit Gasheizung habeind ieser Heiz-
periode 819 Eurogezahlt, Heizöl-Kun-
den musstendurchschnittlich881 Euro
zahlen.
In der Gaspreisentwicklung zeigesich
ein gemischtes Bild bei denTarifen. Wäh-
rend die Preiseder Grundversorgerseit
dem Jahreswechselum0,4 Prozentzuge-
legt hätten,seie ndie Preise bei den alter-
nativenAnbieternseitherumdurch-
schnittlich4,1 Pr ozentgesunken.Ver-
braucher,die sic hregelmäßig um einen
günstigenTarif bemühten, profitierten
davon. Der Energieversorger Eon hatte
berechnet, dassein Haushalt mit Gashei-
zung durch das mildereWetterindieser
Heizperiode rund 100 EuroimJahr spa-
re.
Dabeifielen die Einsparungenregio-
nal unterschiedlichaus. InNorddeutsch-
land konnteden Berechnungen zufolge
ein Haushalt, der mit Erdgas heizt, im
Durchschnittrund 100 Eurosparen, in
Süddeutschlandfielen die Einsparungen
wegender niedrigerenTemperaturenet-
wasniedriger aus, hier sollen sie beirund

80 Euro liegen.Verbraucherschützer kri-
tisiertengleichw ohl, dassdie Gasversor-
gerPreissenkungen im Einkauf nichtge-
nug an dieKundenweiter gegeben hät-
ten.
VomBeginn derHeizperiode im Okto-
ber bis EndeFebruarwaresinDeutsch-
landEon zufolgerund 1,9 Gradwärmer
als im Mittel dervergangenenzehn Jah-
re.Vergleichs weise warmseiesvor allem
im Februa rgewesen,imMonatsdurch-
schnitt habe dieTemperatur knapp vier
Grad überdem Mittel dervergangenen
Jahre gelegen. DerWinter 2019/20war
nachAngabendes DeutschenWetter-
diens tesder zweitwärmste seit Beginn
der Aufzeichnun genimJahr 1881. Ent-
scheidend istfür die Heizkostenaller-
dings nicht nur die durchschnittliche
Temperatur,sondernauchdie Verteilung
vonwarmen undkalten Tagenund die
Frage, an wie vielenTagendie Tempera-
tur jene Grenze unterschreitet,von der
an die meistenHaushalteheizen.
Allein fürFebruar schätzt das Internet-
portalCheck24den Heizbedarfunter die-
senBedingungenauf rund 5Prozent nied-
rigerals im Vorjahr.Ein Musterhaushalt,
der einReihenhaus mit Gas heizte, zahl-
te diesen Berechnungen zufolgeimFe-
brua r2019 rund 159 Euro fürs Heizen,
im Februar 2020 nur148 Euro.Das wäre
somit einRückgang umrund 7Prozent
gewesen. Noc hstärker warder Rückgang
der Heizkostenauchfür diesenMonat
bei einer Ölheizung.ImFebruar 2019
zahl te ein Must erhaushalt zumHeizenei-
nes Reihenhauses mit Ölrund 171 Euro.
Im Februar 2020warenesnur 141 Euro.
Das warden Berechnungen zufolgealso
sogar einRückgang umrund 18 Prozent.
Heizen mitÖl(141 Euro)war Check24
zufolgeimFebruar alsorund 5Prozent
günstiger alsHeizen mit Gas (148 Euro).
„Der mildeFebruar unddie vergleichs-
weise niedrigen Heizölpreise haben da-
für gesorgt, dass vorallem Verbraucher
mit Ölheizung entlastetwurden“, sagte
Lasse Schmid, GeschäftsführerEnergie
bei Check24.

W


er heute25000 Euroanlegen
will, bekommt in herkömmli-
chen Bankenkeine vernünftige
Anlageberatung mehr.Esfindenkeine
Beratungs-, sondernVerkaufsgespräche
statt. Da immerhin bin ichmit Volker Loo-
man einig, der das in seinem Beitragver-
gangeneWoche überstaatlicheFinanzbe-
rate rformulierthat.
Durch die Provisionsorientierung der
Finanzberatung sitzt derKunde auf der
gegenüberliegenden Seitedes Tisches –
und wirdregelmäßig über denselbengezo-

gen. In anderenberatenden Berufen istes
selbstverständlich, dassder Berater zu
100 Prozent dieKundeninteressenver-
tritt .Niemand würde zu einemSteuerbe-
rate rgehen, dervomFinanzamtbezahlt
wird. Bei der Geldanlagehingegenver-
trauen die Menschen Banken, obwohl sie
vonFondsgesellschaftenoder Versiche-
rungen für denVerkauf derer Produktebe-
zahlt werden.
Wasalso tun? Sollteder Staat die Bera-
tung selbstindie Hand nehmen?Nein,
der Staat musskeinen zusätzlichen Bera-
ter-Apparataufbauen. Die Qualität derFi-
nanz- und Anlageberatung ließe sichauf
andereWeise sehr viel schnellerverbes-
sern.
Der Interessenkonflikt desBeraters
kann aufgelöst werden, indem er aus-
schließlichvom Kundenbezahlt wird.
Der Vorteil desKunden liegtauf der
Hand:Erbekommt einen Anlageberater,
dem er zu 100 Prozentvertrauenkann,
und nebenbei günstiger eund bessere Pro-
dukte. Das zeigenAnalysen aus Ländern,
in denen die unabhängigeBeratungbe-
reits etabliertist,wie in Holland und Eng-
land. Flankier twirdsie voneinemProvi-
sionsverbot –der Be raterdarfsichnicht
vonProduktanbieternbezahlen lassen.
Dadurchhaben sichdie Qualität derFi-
nanz- und Anlageberatungund die der
angebotenenProdukteerheblichverbes-
sert.
Warumwäreein Provisionsverbot
auchbei un ssinnvoll? BeimAutokauf
kann ic heine Rundeumden Blockfah-
ren, um dieFunktionsfähigkeit desWa-
gens zu testen. Die Qualität einer Anlage-
beratungkann ichnicht testen, sie zeigt
sicherstnach10, 20 oder 30Jahren. Des-
hal bist die Finanzberatung einVertrau-
ensgutundkein Gebrauchsgut. Verbrau-
cher sin dheute beim Autokauf übrigens
bessergeschütztals bei der Bankbera-
tung, beispielsweisedurch die Produkt-
haftung. Gegen ein Provisionsverbot gibt
es hierzulande erheblicheWiderstände.

Stetswerden zwei Argumentebemüht.
Erstenssei derKunde angeblich nicht be-
reit,für Finanzberatung zu zahlen.Und
zweitens soll ein Provisionsverbotdazu
führen,dassBürgermit geringenfinan-
ziellen Möglichkeiten nicht mehr bera-
tenwürden.
Dererste Punktist absurd–der Kunde
zahlt auchheuteschon für dievermeintli-
cheBeratung, nurweiß er ,imGegensatz
zu einerdirekten Bezahlung einesunab-
hängigenBeraters, meistnicht, wie viel
genau. Hie rhilft zwar die höhereTrans-
parenz, die MiFID II denBanken abver-
langt .Umdie tatsächlichen Kosten einer
Anlagezuverstehen, müssten Anleger
die oftsehr umfangreichen Gesamtkos-
tenbescheinigungen genau studieren –
die wenigstentun da sjedoch.
Übrigens is tein Pr ovisionsverbot nicht
gleichzusetzenmit einer Honorierung
nachStunden.Stattdessen wirdein jährli-
cher Prozentsatz desangelegtenVermö-
gens oder derVersicherungssummever-
gütet.
Aber auch für kleinere Vermögen gibt
es keinen Grund,andem Provisionsmo-
dellfestzuhalten.Oft wirdzur Rechtferti-
gungdas großeFilialn etzvorgeschoben.
Das soll die Beratunggeradefür weniger
vermögendeKunden sicherstellen –und
istgleichzeitigdie gesetzlicheLücke, um
weiterhin Provisionen zuvereinnahmen.
Bessere Lösungen für eineflächende-
ckende BeratungallerBürgergibt es be-
reitsdurch den Einsatz digitaler Lösun-
gen. Standardisierte Produkte, die gut
und günstig sind,stellen inKombination
mit persönlicherBetreuungvorOrt si-
cher,dassalleMenschen sicheine Bera-
tungleistenkönnen,nicht nur jenemit
vielGeld.
Zumal viele Kunden heute explizit
nachdigitalen Lösungen suchen–ein
Punkt, den LoomanaußerAcht lässt.
Dank digitaler Produkteentkommen An-
leger denteuren Produkten desstationä-
renProvisionsvertriebs und haben am
Ende mehr Geld. Werbeispielsweise
25 000 Eurogünstig digital anlegt, hat
nach15Jahrenrund 35 Prozent mehrVer-
mögen erwirtschaftetals bei einer klassi-
schen Aktienfondsanlage.
Digitale Anlagen treffenzudem den
Nerv nachkommender Generationen, die
ohnediesvermutlichgarnicht sparen und
vorsorgenwürden. Zunehmend setzen
sichhybride Modelle durch,die digitale
Anlageund BeratungvorOrt geschickt
miteinanderverbinden.
Wirbrauchen also nicht mehrStaat,
sondernweniger.Wir brauchen einen
Ordnungsrahmen in Gestalt eines Provisi-
onsverbots. Dieser wirdamEnde die Qua-
lität der Beratung erhöhen–und dank
der Möglichkeiten der digitalen Anlage-
und Beratungswelt wirdkein Kunde auf
der Strecke bleiben.

Der Autorist Vorstandsvorsitzender der Quirin
Privatbank.

DerStaat istkein guterAnlageberater


VonKarlMatthäus Schmidt

D


er nachhaltigeErfolg bei
Geldanlagen hängtvonzwei
Dingen ab. Das istauf der ei-
nen Seitedie Strategie, auf
derandere ndie Disziplin.Von diesenTu-
genden istbei vielen Anlegernzurzeit
nicht viel zu spüren. Das heftigeErdbe-
ben an den Börsen hat die Menschen der-
maßen in Angstund Schreckenversetzt,
dassviele Vermögenspläne nur noch
Schall undRauchsind. DiePanik ist
nicht aufzuhalten, dochdie Sorgener-
scheinen mir unnötig wie ein Kropf. Ers-
tens gehören Krisen zum Alltag, und
zweitenskönnen Anleger,die ihr Vermö-
genstreuen und ihren Prinzipien treu
bleiben,kaum unter dieRäder geraten.
Das wirdanfolgendem Beispiel deut-
lich.
Ein Anleger ist70Jahrealt, und seine
Frau is t65Jahrejung. Das Ehepaar
wohnt in einem schuldenfreien Eigen-
heim, das 600 000 Eurowertist. Die mo-
natlichenPensionen undRenten sum-
mieren sichnachSteuernauf 5000 Euro.
In dem Depotliegen Anleihen imUm-
fang von300 000 Euro. Die Aktienwa-
renvor zweiWochen rund 500 000 Euro
wert,jetzt sind es noch450 000 Euro,
also 10 Prozentweniger .Das Vermögen
sollteAnlasssein, um den Lebensabend
in vollen Zügengenießen zukönnen,
aber davonsind die beiden Anleger mo-
mentan Lichtjahreentfernt.Sie haben
Angst, dassder Wert der Aktienweiter
sinkt, und sie haben das Gefühl, inKür-
ze zuverarmen. Das istbei nüchterner
Betrachtung der LagezwarUnfug, doch
wie können die Anleger ihreGefühle in
den Griffbekommen? Die Antwortist
einfach, aber dieUmsetzung istschwie-
rig. Die Herrschaftensollten Bilanz zie-
hen, wie viel Geld sie besitzen, und sich
anschließend, das istkein Scherz, in The-
rapie begeben, um ihreÄngste besiegen
zu können.Fangen wir mit dem logi-
schenTeil derÜbung an.

Renten berücksichtigen

Der größteFehler,der bei derAufstel-
lung des Privatvermögensgemacht wird,
istdie fehlendeKapitalisierung derRen-
tenund desKonsums. Der Mann ist70
Jahrealt und wird,wenn die aktuellen
Sterbetafeln stimmen, noch15Jahrele-
ben, und dieFrau wirdihren Mann mit
hoherWahrscheinlichkeit um 60 Mona-
te überleben. DieAddition der 180Ren-
ten(3000 Euro) des Mannes, der 60Ren-
ten(1800 Euro) derWitweund der 240
Pensionen (2000 Euro) derFrau er geben

eine siebenstelligeSumme.Nursehen
die Senioren diesenReichtum nicht,weil
nirgendwo1126 000 Euroherumliegen.
Trotzdemstellen die hohen Bezügeein
Vermögen von862 000 Eurodar,wenn
die einzelnenRatenmit je weils 3Pro-
zent abgezinstwerden, und dieser Be-
trag darf, auchwenn sichdie Anleger
mit Händen undFüßen dagegensträu-
ben, in der Privatbilanz nicht fehlen,
weil sonstjede Strukturierung auffal-
schenWerten aufbaut.
In engerVerbindung zum
Rentenbarwert steht der Ge-
genwartswertdes Konsums.
Das sind die abgezinstenAus-
gaben fürstägliche Leben.
Dazugehören in erster Linie
die Aufwendungen fürAuto,
Ernährung, Haus, Kleidung,
Urlaub und Versicherungen.
Sie summieren sichimvorlie-
genden Beispiel auf 4000 Euro
proMonat.Das führtinAnleh-
nung an dieRentenrechnung
zu 180Ausgabenvonjeweils à
4000 Euround zu 60Ausga-
ben à3000 Euro, so dassunter
dem Strich ein Barwert von
688 000 Euroherauskommt.
Das istein angenehmes Ergebnis. Das
Ehepaar hat ein Dachüber demKopf,
und der Barwert der Renten istum
174 000 Eurohöherals derKapitalwert
des Konsums. Damitkönnen sichdie An-
leger mit derFragebeschäftigen,wasmit
den Anleihen und Aktiengeschehen soll.
Washalten Sievonmeiner Aussage, das
Ehepaar befinde sichinder luxuriösen Si-
tuation, diese 750 000 Euroverlieren zu
dürfen? Bitteüberlegen Siegenau, was
Sie jetzt sagen. Die Ersten vonIhnen wer-
den mir an denKopf werfen, ic hsei ein
Spinner,weil kein Menschden Verlustei-
ner Dreiviertelmillionüberlebe. Abge-
lehnt! Die ZweitenvonIhnen werden Kri-
sen wie Scheidung im Alterund Pflege
im Heim herbeireden.Abgelehnt!Und
die DrittenvonIhnen werden sagen, dass
ichrecht habenkönnte. Akzeptiert!
Ichschlagevor,das freieVermögen
zu einem Drittel in Anleihen und zu
zwei Dritteln in Aktien zu investie ren.
Das bedeutetimvorliegendenFall, die
Anleihen (250 000 Euro) um 50 000
Euroabzubauenund die Aktien
(500000 Euro) um 50000 Euroaufzu-
stocken. Werinden letztenTagenje-
doch50000 Euroander Börse „verlo-
ren“ hat, wirdmit hoherWahrschein-
lichkeit nicht bereit sein, an der Börse
mal eben 50 00 0Euronachzulegen.

Eher befürchte ich, dasseinzelne Anle-
gerinNacht-und-Nebel-Aktionen alle
Aktienverkaufen und den Erlös inFest-
geld umschichten, um zugegebenerZeit
wieder in Aktien einzusteigen.
Das liegt an dem Imperativ,kein Geld
verlieren zu dürfen, und dieser „Befehl“
sorgt für Hochspannung. Anlegerhaben
durch Veranlagung, Erziehung undUm-
welt bestimmte Verhaltensweisen entwi-
ckelt, die zugewaltigemStress führen
können. Leiden auchSie unter dem Im-
perativ,keine Verluste erlei-
den zu dürfen? Dahinter
steckt mit hoherWahrschein-
lichkeit die Angst,inden Au-
genanderer Menschen als
„Spieler“oder„Versager“ zu
gelten, wenn zum Beispiel
beim nächstenFamilientag zu
vorgerückterStunde heraus-
kommen wird, dassdas schö-
ne Depot, in dem eineErb-
schaf tsteckt, um 10 oder 20
Prozentgesunken ist. Oder se-
hen Sie das anders?
Bittemachen Siedie Probe
aufsExempel. Gehen Sievor
solchenTagungen zwei Wo-
chen in Klausur.Nehmen Sie sich jeden
Tagdie Zeit, je weils zehn Minuten mit
geschlossenen Augen auf Ihrewahren
Gedanken und Gefühle zu achten,was
in Ihnen abläuftbei derVorstellung,
dassdas Aktiendepotum20Prozent
sink t. Jedes Mal,wenn der Puls bei 222
Schlä genangekommen ist, antworten
Sie kühl: Eskann sein, dassmichdie Fa-
milie zur Sau macht,weil derWert des
Familiensilbersum100000 Eurogesun-
kenist.Bitteschreiben Sie zugegebener
Zeit ein ePostkarte,wie Sie solche „Höl-
lentage“ überlebt haben. Es würde mich
wundern,wenn es anderskommt.
Sind Sie mit dem Satzaufgewachsen,
über Geldrede man nicht,weil das unan-
ständig sei? Dann heißtdas im Umkehr-
schlu ss,dassSie gerade jetzt,wo Sie
größtesRedebedürfnishaben,kein an-
ständiger Menschsind,und weil Sie das
nicht seinwollen, halten Sie lieber den
Mund. Dadurchwerden Sie aber zum
einsamenWolf, der sichbemüht, seine
Geldprobleme auf eigeneFaustzulö-
sen. Washalten SievonMeditation? Sie
lassen alle Gefühlezu, die in Ihnen
hochkommen,wenn Sie daran denken,
über Geld dürfe man nichtreden, und
Sie beenden die Sitzungenmit denWor-
ten, dassessein kann, ein unanständi-
gerMenschzusein,weil in Ihnengera-
de jetzt das Bedürfnis nachGesprächen

über die Börsen aufkommt. KennenSie
dasGlaubensbekenntnis,wonach die Lie-
be vergeht,der Hektar aber besteht? Ich
finde den Spruch–mit Verlaub gesagt –
dermaßenblöd, dassermir schon wieder
gefällt.Nur erscheint mir fragwürdig,
dasssichviele Menschen wie Lemminge
auf Immobilien stürzen,weil sie das Ge-
fühl haben, mit Hilfebilliger Kredite und
teurer HäuserihrVermögenretten zu
können.Vor dem Sturzins Verderben
rateich zur vierwöchigen Fastenkur mit
täglicher Einkehr am Morgenund tägli-
chem GebetamAbend: Eskann sein,
dass dieLiebe besteht und der Hektarver-
geht.Sie werden er staunt sein, wie sehr
Sie anschließend auf die Preise bei Häu-
ser undWohnungen achten!
Der nächste Krieg in Ihnen, da bin ich
mir sicher,wirdbeim Euroentbrennen.
Mir wirdimmer wieder dieAussagean
den Kopf geworfen: Der Euroverreckt,
ichmussmein Geldretten, sonstbin ich
im Eimer!Wollen Sie sichdazu äußern?
Ichgebe solchen Leutenkeinen Rat, weil
es in meinenAugenkeinenZwec khat,
dochich würde ihnengernedie Empfeh-
lung geben, eineZeitlanginsichzuge-
hen, dieWutzuzulassen und die Sitzun-
genmit denWorten zu beschließen: „Es
kann sein, dassich im Eimerbin, wenn
der Euroverreckt!

Gefährliche Jagd nachZinsen
Washalten Sievondem Imperativ,Ihr gu-
tesGeld müsse Zinsen abwerfen? Ich
habe denVerdacht, dassSie sic hmit die-
sem Befehl unter Drucksetzen, umvor
sichoder anderen nicht als Schafdazuste-
hen, das Strafzinsenbezahlt.Ich kann
das verstehen, doch ichbitteSie zu beden-
ken, dassdie Jagdnach(hohen) Zinsen
zum Verlustdes Geldes und zu demUr-
teil führenkann, Sie seien ein gieriger
Zeitgenosse, den man besser meidet.
Wasist Ihnen lieber–der Gesichtsverlust
oder dieAusgrenzung?Ich würde es ein-
mal mit einigenSitzungenversuchen, in
denen Sie zuerst Ihrenganzen Ärgerüber
die Null- und Strafzinsen beobachten
und dann einfachzusichsagen: Eskann
sein, dassich für andereMenschen ein
Schaf bin,weil ic hbereit bin, Strafzinsen
zu bezahlen. Dannistdas eben so, liebe
Leser.Sie können es nicht allen Men-
schen rechtmachen, und meinerMei-
nung nachkommt es allein darauf an,
dassSie sic hwederals Schaf nochals Ver-
sager oderVollpfosten fühlen.Sie haben
einfachAngst, und das macht Sie mensch-
lich!

STANDPUNKT


Der Autorist
Finanzanalytiker in
Berlin und Dresden.

Illustration Getty

maf. FRANKFURT. Das Kreditgeschäft
wächst –vor allem außerhalb der Ban-
ken. Der Markt für die sogenannten pri-
vatenKredite, die nicht klassische Kre-
ditinstitute, sondernBeteiligungsgesell-
schaf ten(PrivateEquity) undVermö-
gensver walter vergeben, istinden ver-
gangenen Jahren deutlichgewachs en.
Wieaus dem jüngstenQuartalsbericht
der Bank für InternationalenZahlungs-
ausgleich(BIZ) hervorgeht, sind die pri-
vatenKreditezwischen 2010 und 2018
von300 Milliarden auf 800 Milliarden
Dollargewachsen. DieVolkswirte der
BIZ, die als Bank derZentralbanken gilt
und regelmäßigvorRisiken an denFi-
nanzmärktenwarnt, verweisen aufStudi-
en, wonachjeder Zweitedieser Kredite
in den Vereinigten Staaten vergeben

wird. EinViertel entfalle auf Großbritan-
nien, derRest verteile sichumden Erd-
ball. Für BIZ-ChefvolkswirtClaudio Bo-
riostellt dasWachstum der privaten Kre-
dite ein weiteres Beispieldar,wie sic hFi-
nanzrisiken aus dem Bankensektor in
weniger transparenteNischen des Fi-
nanzsystems verschoben haben.Wie die-
se Zeitung in ihrer Montagausgabe
schon berichtet hatte, hält Borio die pri-
vatenKreditefür Unternehmen attrak-
tiv, die sichbei Banken nurschwer finan-
zierenkönnen.
Die BIZvergleicht den Markt für priva-
te Kreditemit dem fürriskant eUnter-
nehmensfinanzierungen (Leveraged
Loans), der mit einemVolumenvon3
Billionen Dollar deutlichgrößer is t. Die
BIZ verfolgt seit längerem die aggressive

Risikoübernahmeder In vestoren auf der
Jagd nachRenditemit Sor ge.Hier trägt
auchdas Wachstum alternativer Kredit-
märktebei. Denn dieZunahme derpriva-
tenKrediteist auchein Grund,warum
auchBanken ihreKreditvergabestan-
dards lockern.Die Anforderungen an
die Kreditnehmer bezüglich Dokumenta-
tion undFinanzkennzahlengehen deut-
lichzurück, weil die unterschiedlichen
Kreditgeber in einem immer schärferen
Wettbewerb stehen.
Nach Ansicht der BIZ liegt dasWachs-
tum der privaten Kredite imZeitraum
zwischen 2010 und 2018 mit 500 Milliar-
den Dollar nicht mehrweit entferntvon
der Zunahme der LeveragedLoans um
600 Milliarden Dollar.Eine wichtigeRol-
leals Kreditgeber haben die Private-Equi-

ty-Fonds übernommen. Die Branche, die
sichinder vergangenenWocheinBerlin
zur „SuperReturn“ zusammenfand, muss
derzeit 1,4 Billionen Dollar anlegen. Die-
se Zahl hat die amerikanische Großbank
JP Morganauf BasisvonDaten des Bran-
chenstatistik-DienstleistersPreqi nermit-
telt. Der Anlagedruckist groß, weil die
klassischenUnternehmensbeteiligungen
für dievorhandeneFeuerkraftnicht aus-
reichen. Obwohl immer mehr Kredite
ohne Bankenvergeben werden, verblei-
ben Risiken in der Kreditwirtschaft.
Denndie Beteiligungsgesellschaften wer-
den vonden Bankenfinanziert. Diegro-
ßen amerikanischen Private-Equity-Ge-
sellschaften würden mit 430 Milliarden
Dollar schon mehr Kreditehalten alsUn-
ternehmensbeteiligungen.

AngstfrisstSeele auf!


Immer mehr Krediteohne Banken


Beteiligungsgesellschaftenund Fonds finanzierenverstärktUnternehmen und Immobilien


Volker Looman

MildeWitterung sorgt


für geringer eHeizkosten


Heizöl gut 10 Prozent billiger als imVorjahr


Zunehmendsetzensich
hybride Modelle durch,
die digitale Anlageund
BeratungvorOrt verbinden.
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