issue_gartenbuch_2021

(Susanne Mueller3Bw72N) #1

Wo Garten


bleiben soll,


muss erst Beton


gegangen sein.


Ich trete in den Garten am Moritzplatz ein und
stehe einem riesigen Berg aus Beton gegenüber.
Viel größer als ich, wuchtig, parabolisch aufge türmt
aus einzelnen Schuttstücken. Von weitem
sieht es aus wie ein überdimensionierter altmo-
discher Bienenkorb, oder vielleicht auch ein riesiger
Termitenhaufen. Noch wohnen vermutlich wenig
Insekten drin. Aber das Werk ist eine reine Wonne.
Theodor W. Adorno, über dessen Abneigung
gegen jedwede Utopie viel diskutiert wird, geht
davon aus, dass manche moderne Kunst es vermag,
ihre Betrachter:innen mit einem Schock zu
erschüttern, der in ihnen das Potential zu ve r -
änder n der Praxis freisetzt.


Der Betonberg dagegen ist bereits das Ergebnis
vorangegangener Praxis. Hier wurde die Befahr-
barkeit, die Bebaubarkeit, die Ver siegel ung durch-
brochen. Aufgenommener Asphalt. Das ist
der Anfang eines echten Gartens. Nicht auf die
Bepflanzung kommt es nämlich an, sondern auf
die Bodenverbesserung. Die Trümmer der Befreiung
nicht aus dem Blickfeld zu räumen (wohin auch?),
sondern monumental in die Höhe zu schichten:
ich liebe das Konzept. Zumal diese Trümmer kaputt
genug sind, um nicht einfach rück gebaut zu werden.
So scheinen auch sie den Gedanken alles rundum
Sprießenden zu bezeugen: dass dieser Garten
bleiben soll.


Eva


Stimmen aus dem Garten
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