Focus - 22.02.2020

(Sean Pound) #1

POLITIK AFFÄRE


Foto: imago images

40 FOCUS 9/2020


Bei Anruf Lüge Die Abschrift des Telefonats, das Leyendecker
mit einem angeblichen Zeugen von Bad Kleinen führte

Fatale Story „Spiegel“-
Titel vom 5.7.1993

Enttarnter Enthüller Hans Leyendecker
glaubte einem anonymen Lügner

war ein erfolgreicher Zugriff, der
abwich vom geplanten Verlauf.
Das kann in solchen Fällen immer
vorkommen. Ich habe sehr früh
schriftlich gemahnt: Der Einsatz
hat ein hohes Verlaufsrisiko. Alle,
die zu entscheiden hatten, haben
diese Mahnung abgenickt: der
Präsident des BKA, der Innenmi-
nister, der Generalbundesanwalt.
Und dennoch: Das BKA war nach
Bad Kleinen nur am Kämpfen.
Wir konnten nicht ermitteln, wir
waren in einer Abwehrschlacht
gebunden, bis hin zum Parla-
ment. Irgendwann rief ich den
Obmann der SPD im Innenaus-
schuss an und fragte ihn: Was
macht ihr eigentlich? Ihr fahrt
die Sicherheitsbehörden an die
Wand.
Nach der ersten Veröffentlichung
des „Spiegel“-Zeugen – kam der
„Spiegel“ irgendwann auf Sie zu?
Nein, nie. Darauf haben wir
doch gewartet. Wir dachten, der
„Spiegel“ müsse irgendwann mal
kommen und korrigieren. Aber der hat
immer nur nachgeladen und nur in die
eine Richtung geschrieben.
Haben Sie Kontakt mit den Gutachtern
der „Spiegel“-Kommission?
Ich habe mit der Kommission gespro-
chen. Und die Gutachter haben mir die
Abschrift des Telefonats zwischen Leyen-
decker und dem Anonymus vorgelegt.
Glauben Sie, dass Leyendecker
fahrlässig gehandelt hat?
Nein, vorsätzlich. Der hat sich selbst
unter Druck gesetzt. Der Druck entstand
durch die Vorabmeldung von „Monitor“.
Er entschied sich daraufhin, den anony-
men Anrufer als Zeugen zu benutzen.
Er hatte das Gespräch ja mitgeschnit-
ten. Also hat er Passagen für die Story
zitiert. Er wollte einen Scoop. So war es
doch. Uns wird vorgeworfen, wir hätten
Patronenhülsen am Tatort fahrlässig über-
sehen. Dann darf ich Leyendecker vor-
werfen, er habe die Widersprüche in der
Zeugenaussage bewusst weggelassen.
Was erwarten Sie von Leyendecker?
Nichts. Der hat sich verrannt. Er rech-
nete nicht damit, dass die Abschrift des
Telefonats erhalten blieb. Als er davon
hörte, hat er seine bisherige Version
über den Hergang der Recherche ein-
fach nachgebessert. n

INTERVIEW: J. HUFELSCHULTE / M. KRISCHER

»


Seiters hatte
Angst. Sein
Rücktritt
wirkte wie ein
Schuld-
eingeständnis

«


Rainer Hofmeyer,
Ex-BKA-Beamter

hatte er Hausverbot. Er erklär-
te mir, er sei auf seinen Infor-
manten reingefallen. Er sprach
immer nur von einem einzigen
Zeugen. Der habe ihn nach der
Story noch einmal angerufen und
ihm gesagt, dass seine Information
doch nur als Anstoß für eine wei-
tere Recherche gedacht gewesen
sei. Der Anrufer war kein Zeuge.
Der „Spiegel“, das „Sturmgeschütz
der Demokratie“, wollte das Bun-
deskriminalamt sturmreif schie-
ßen. Ganz bewusst und mit Vor-
satz. Leyendecker sagte mir im
Übrigen auch, er habe damals
unter großem Druck gestanden,
weil FOCUS gerade auf den Markt
gekommen sei – und er deshalb
keine Zeit für eine ordentliche
Recherche gehabt habe.
Aber er hat sich entschuldigt.
Ja, aber diese Entschuldigerei
ist für mich eine übliche Formel.
Leyendeckers Verhalten ist unent-
schuldbar. Er soll die Wahrheit
sagen. Ich selbst kann meinen
Frieden mit Leyendecker machen, ich
kann das aber nicht für meine Kollegen
tun, die wegen seiner Fälschung gelitten
haben. Und auch nicht für das Amt, das
tatsächlich an den Rand gefahren wurde.
Als der „Spiegel“ die Aussage seines
angeblichen Zeugen präsentierte:
Dachten Sie, es könnte eine Hinrichtung
gewesen sein?
Nein.
Zwei Zeugenaussagen nährten den Verdacht
einer Exekution. Auf dem Kopf von Grams
hatte der tödliche Schuss eine Stanzmarke
hinterlassen, war also aus nächster Nähe
abgefeuert worden. Sie zweifelten nicht?
Ich habe einen Moment ge-
zuckt. Aber gerade die Stanz-
marke zeigte, dass kein an-
derer als Grams selbst ge-
schossen haben konnte. Im
Artikel des „Spiegel“ habe
ich sofort sechs oder sieben
Stellen markiert, von denen
ich wusste, das konnte nicht
stimmen. Aber es war zu spät.
Das BKA war zum Abschuss
freigegeben. Es ist nur noch
gegen uns gekämpft worden.
Hat der „Spiegel“ vor Veröffent-
lichung seiner Story das BKA
mit der Aussage des angeb-
lichen Zeugen konfrontiert?
Nein.


Hat der „Spiegel“ überhaupt nachgefragt?
Nein.
Welche Bedeutung hatte der
„Spiegel“-Zeuge?
„Monitor“ war eine Rabaukensendung.
Der „Spiegel“-Bericht aber hat uns wund-
geschossen. Plötzlich sagte der im Todes-
ermittlungsverfahren zuständige Staats-
anwalt Ernst Jäger, er gehe jetzt nicht
mehr von Selbstmord aus. Ich habe ihn
sofort angerufen und gefragt: Wie kom-
men Sie dazu, einen Selbstmord apodik-
tisch auszuschließen? Dann sagte er: Herr
Hofmeyer, die Recherchen des „Spiegel“
haben ergeben, dass es ein Tötungsdelikt
war. Ich verlasse mich auf die
Recherchen des „Spiegel“.
Warum ist Seiters so schnell
zurückgetreten?
Weil er Angst hatte. Ich war
an jenem Sonntag im Büro des
Ministers, zusammen mit dem
BKA-Vize. In dieser Sitzung
muss sich bei dem Minister
der Eindruck verfestigt haben,
dass es tatsächlich eine Hin-
richtung war. Der Rücktritt
wurde als Schuldeingeständ-
nis wahrgenommen. Seiters
hat uns erheblich geschadet.
War Bad Kleinen ein Erfolg?
Ja, es war ein Erfolg, aber
er wurde uminterpretiert. Es

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