Der Spiegel - 07.03.2020

(Ben Green) #1
Zeit die Rezeption ihres Romans beein-
flussen, und bisher ist die Verbindung
auch erst wenigen aufgefallen. »Die
Verbindung zu Kya ist das Gefühl der
Isolation, das ich dort auch hatte. Aber
mehr nicht.«
Es muss nichts bedeuten, aber es gibt
durchaus mehr Parallelen: ein Mord in
der Wildnis. In beiden Fällen wird ein
gefühltes Naturrecht (Selbstverteidi-
gung, Selbstjustiz) über das zivilisato-
rische Recht (Anzeige, Behörden) ge-
stellt. In beiden Fällen steht der Mörder
moralisch über dem Opfer (Vergewal-
tiger, Wilderer).
Manches Verhalten, so steht es im
»Gesang der Flusskrebse«, das uns heu-
te brutal erscheint, hat dem Menschen
einst das Überleben gesichert. Kya, falls
sie den Mord begangen haben sollte,
wird eine kühle darwinistische Kalku-
lation angestellt haben. Als Chase sie
vergewaltigen wollte, konnte sie ihn im
letzten Moment mit einem Tritt in die
Hoden abschütteln. Aber sie wusste, er
würde wiederkommen.
Wenn sie nicht in dauerhafter Angst
leben wollte, war es aus ihrer Sicht viel-
leicht sinnvoll, ihn zu töten.
Aber das gilt natürlich nur für Kya
(lesen Sie auch Seite 26).

Philipp Oehmke

Fotos: Privat (li.); Gary Null / NBCU / Getty Images


die örtlichen, schlecht ausgestatteten
Wächter auszurüsten, aber nicht selbst
mit auf Patrouille zu gehen. Sie würden
gegen die Wilderergruppen, die schwer
bewaffnet und mit Beziehungen zur Re-
gierung wie Drogenkartelle aufgestellt
waren, keine Chance haben. Mark be-
gann, mit einem Hubschrauber zu pa-
trouillieren. Es gibt ein Foto, auf dem
sieht man das Ehepaar Owens in Safari -
kleidung, er mit einem Gewehr auf der
Schulter. Ihre Ehe litt, Delia zog zeit-
weilig in ein anderes Camp. Andere
westliche Artenschützer wurden von
Wilderern umgebracht.
Der Kampf der Owens in Afrika er-
weckte Aufmerksamkeit, und 1994 kam
ein Kamerateam des US-Senders ABC
und filmte sie bei ihrer Arbeit. In dem
Film ist zu sehen, wie ein Wilderer bei
einer Patrouille vor laufender Kamera
erschossen wird, der Schütze ist nur von
hinten zu sehen und bis heute unbe-
kannt. Auch die Identität des Opfers ist
bis heute unbekannt, die Leiche ver-
schwand. Die Owens mussten Sambia
sofort verlassen und sind bis heute nie
wieder zurückgekehrt. Ihnen wurde
niemals offiziell etwas vorgeworfen,
und sie haben bis heute jede Verwick-
lung in den Vorfall bestritten.
Delia Owens sagt, sie wolle nicht,
dass diese Erlebnisse von vor so langer


317 S., 21 Abb., 1 Karte. Gebunden € 24,–
ISBN 978-3-406-74985-8

Mai 1945, Hitler ist tot.


Aber der Krieg ist noch


nicht zuende...


«Volker Ullrich schenkt


uns eine brillante, rasant


geschriebene Nacher-


zählung der turbulenten,


unwirklichen letzten


acht Tage des Dritten


Reiches.»


HELMUT WALSER-SMITH


© Gunter Gluecklich

»Die Verbindung ist das Gefühl der Isolation,
das ich auch hatte.«

Ehepaar Owens, Gastgeber Johnny Carson in der »Tonight Show« 1985

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